Debatte um Elementarschadenversicherung Warum wir Hausbesitzer jetzt nicht noch weiter belasten sollten

Sturmschäden können Hausbesitzern ganz schön zusetzen. Aber muss deshalb gleich eine Versicherungspflicht her? Quelle: imago images

Heute stimmt der Bundesrat über eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden für Immobilienbesitzer ab. Das passt nicht in Zeiten hoher Inflation. Vorher müssen andere Hausaufgaben erledigt werden. Ein Gastbeitrag.

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In der Nacht vom 14. zum 15. Juli 2021 brachen riesige Wassermassen über die Region Trier und das Ahrtal in der Eifel herein. 184 Menschen verloren ihr Leben – und viele blieben mit zerstörten Häusern zurück. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass uns Ereignisse wie dieses in Zukunft häufiger und stärker treffen werden.

Spätestens seitdem werden die Rufe nach einer verpflichtenden Elementarschadensversicherung wieder lauter – insbesondere von Seiten der Bundesländer. Denn die Elementarschadenversicherung, die Schäden durch Naturgefahren bei Gebäuden abdeckt, ist derzeit nur optional. Für die oft enorm hohen finanziellen Schäden und den Wiederaufbau zerstörter Immobilien kommen bisher im Zweifel oft Bund und Länder auf – und damit letztendlich der Steuerzahler. Zuletzt hatten daher das schwarz-grüne Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg im Bundesrat einen Entschließungsantrag hierzu eingebracht.  

Eine Pflicht ist meines Erachtens nach dennoch nicht der richtige Weg. Denn die Kosten des täglichen Lebens sind gegenwärtig so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Das schließt die Kosten des Wohnens mit ein: Steigende Beiträge für Wohngebäudeversicherung, steigende Handwerkerkosten und vor allem – steigende Wohnnebenkosten. Die Beitragsprämien für eine Elementarschadenversicherung liegen je nach Art und Lage der Immobilie schnell bei mehreren hundert Euro im Jahr. Diese würden natürlich nicht nur Gebäudeeigentümer treffen, sondern selbstverständlich auch Mieter. Die jetzt schon enormen finanziellen Belastungen würden sich zusätzlich verschärfen.

Zur Person

Was können wir stattdessen tun? Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Haus bauen, ein Haus mit Keller. Dafür haben Sie zwei Optionen: Sie können es direkt an einem Fluss bauen oder auf einem nahegelegenen Hügel. Sie wissen ganz genau, dass der Fluss, an dem Sie bauen möchten, alle fünf Jahre starkes Hochwasser führt. Die Informationen dazu sind öffentlich zugänglich und werden laufend aktualisiert. Sie wissen also, die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Keller in den nächsten fünf Jahren mindestens einmal volllaufen wird, ist ziemlich hoch. Bauen Sie dennoch direkt am Fluss? Was tun Sie, um sich vor dem bekannten Risiko zu schützen?

Hier müssen wir ansetzen und besser werden: Wir benötigen belastbare Daten zu bestehenden, entstehenden und potenziellen Gefährdungsgebieten, die regelmäßig aktualisiert werden und auf deren Grundlage Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können. Dazu muss es bundeseinheitliche, standardisierte Verfahren geben. Auch eine rechtsverbindliche Überarbeitung der Gefährdungsgebiete ist unabdingbar, da diese als veraltet gelten. 

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Hier und bei der Klimafolgenabschätzung ist der Staat von Bund bis Kommune vorrangig in der Pflicht, Informationen vorzuhalten und bereitzustellen und die Bevölkerung über Gefahren und Risiken auf dem Laufenden zu halten. Eine Überprüfung und gegebenenfalls die Anpassung des Ausnahmekatalogs für die Genehmigung von Bauvorhaben in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten ist obligatorisch. 

Bund und Länder sollten die Kommunen bei Investitionen in die Klimaresilienz unterstützen, eine klimafeste Wasserinfrastruktur, wie breite Kanalisationen ist erforderlich, die auf Extremniederschläge angepasst wird. Gleichermaßen können Entsiegelungsprojekte sinnvoll sein, um die Versickerung von Niederschlag zu stärken und damit auch die Risiken von Überschwemmungen zu reduzieren. 

Es braucht gesetzliche vorgeschriebene Informations- und Aufklärungspflichten beim Abschluss einer Wohngebäudeversicherung und dem Erwerb oder Bau einer Immobilie. So können Menschen in Eigenverantwortung die passende Versicherung abschließen.

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Dem Klimawandel muss begegnet werden. Allerdings ist niemandem geholfen, wenn wir die  Menschen derzeit flächendeckend finanziell über die Gebühr belasten, statt wirksame Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Zusammenfassend müssen wir das Risikobewusstsein in der Bevölkerung stärken und Anreize für individuelle Schutzmaßnahmen schaffen. Auch müssen wir von staatlicher Seite aus Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung vorantreiben, insbesondere im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht. Die Umsetzung, der im Koalitionsvertrag aufgeführten Maßnahmen zum präventiven Gefahrenschutz wäre ein guter Anfang, bevor die Länder nach einer Pflicht rufen. Kurzum, bevor vom Staat verpflichtende Versicherungen gefordert werden, sollte dieser seine Hausaufgaben ebenfalls machen.

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