Jahresbericht des Wehrbeauftragten Alles wird besser – irgendwann

Der Wehrbeauftragte lobt, dass es mehr Personal und mehr Gerät für die Bundeswehr gibt. Nur dauert es viel zu lange, bis die Verbesserungen bei der Truppe ankommen. Es regiert der Mangel.

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Was die Bundeswehr brauche, sei Tempo, verlangt Bartels. Quelle: Reuters

Berlin Die kleinste Bundeswehr aller Zeiten muss die meisten Auslandseinsätze der Nachkriegszeit stemmen, und das mit viel zu wenig Panzern, Hubschraubern, Schiffen und Munition. Und sogar bei Uniformen und Schutzkleidung kann nicht jeder Soldat sicher sein, das, was er braucht, auch zu bekommen. „Enorme Lücken bei Personal und Material sind zu schließen“, heißt es im neuen Jahresbericht des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels, der die Bundeswehr aus Sicht der Soldaten beschreibt.

Per Definition ist der Bericht also eine Mängelliste, die sich aus den Beschwerden der Soldaten bei ihrem „Anwalt“ Bartels ergibt. Sein Fazit an diesem Dienstag: 2016 war das Jahr der Trendwendebeschlüsse – aber eben noch nicht die Trendwende: Denn vor der überfälligen Modernisierung der Truppe steht die überaus schwerfällige interne Bürokratie – und allzu oft bei Offizieren noch eine Mentalität des „das haben wir immer schon so gemacht“.

Deshalb fehlt auch im Jahr der „Trendwende Personal“ mit neuen Arbeitszeit-Grenzen für Soldaten, mit Regeln für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und dem Leitbild einer modernen Armee, die weder Soldaten mit Migrationshintergrund noch Homosexuelle diskriminiert, das altmodischste aller Rekrutenalltags-Klischees nicht: Ein Leutnant, der seine Truppe solange Liegestütze und Kniebeugen machen lässt, bis einige ohnmächtig zusammenklappen. Und der dann den Kameraden verbietet ihnen zu helfen. Ein Einzelfall sei das, so der Bericht, ebenso wie das Übergehen einer Sanitätsoffizierin bei der Beförderung, nachdem diese ihren Kinderwunsch erwähnt hatte.

Als echtes strukturelles Problem im Soldatenalltag erweist sich nach dem Bericht die überbordende Bürokratie. „Die Bundeswehr ist eine durch Verfassung und Gesetze geregelte Parlamentsarmee“, erinnert Bartels. Es gibt Gelöbnisse, die Innere Führung, den Staatsbürger in Uniform. Und seit neuestem plagt die Truppe dazu noch ein „Compliance Management System“, kritisiert Bartels: Das brauche nun wirklich niemand. Denn schon jetzt seien Kommunikationswege, die vor jeder Entscheidung einzuhalten seien, viel zu lang und kosten enorm viel Arbeitszeit. „Die umständliche Verwaltung des Mangels belastet die Bundeswehr zusätzlich“, so Bartels.

Was die Bundeswehr brauche, sei Tempo. Bis zum Jahresende 2016 erreichte die Bundeswehr das Ziel einer Stärke von 170 000 Berufs- und Zeitsoldaten nicht, darüber hinaus würden 14 300 weitere Soldaten gebraucht. Doch der Bundestag hat bisher erst 7000 neue Dienstposten geschaffen, die bis 2023 zu besetzen sind. „Sieben Jahre für einen Personalaufwuchs um vier Prozent! Das dauert zu lange“, schreibt Bartels.

Ähnlich zäh geht es bei der Ausrüstung voran: Beschlossen hat der Bundestag zwar bis 2030 insgesamt 130 Milliarden Euro für neues Gerät vom Panzer über Hubschrauber bis zu Schiffen auszugeben. Nur: Vor der Bundestagswahl kommt fast nichts wirklich bei der Truppe an. Das Transportflugzeug A400M, der Hubschrauber NH90 sowie Fregatten werden nicht fertig. „Nicht einmal die Einsatzbekleidung konnte bisher in erforderlicher Stückzahl ausgegeben werden“, moniert Bartels.

Wenn Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nach der Wahl Verteidigungsministerin bleibt, wie sie es wünscht, geht ihr die Arbeit nicht aus. Bisher, das zeigt der Bericht des Wehrbeauftragten, ist von ihren Reformen bei der Bundeswehr jedenfalls allzu wenig wirklich angekommen.

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