Nach Beschluss für Testpflicht Corona-Tests am Arbeitsplatz – was auf Unternehmen zukommt

Unternehmen müssen Beschäftigten künftig Coronatests anbieten, hat das Bundeskabinett beschlossen. Wirtschaftsvertreter sind empört, der deutsche Mittelstand will dagegen klagen. Was Unternehmer jetzt wissen müssen.

Was plant die Bundesregierung und warum kommt das jetzt?Corona-Tests wie diese sind ein begehrtes Gut – vor allem für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern bislang noch kein Testangebot gemacht haben. Unternehmen müssen ihren Beschäftigten, wenn diese nicht im Homeoffice arbeiten, künftig Coronatests anbieten. Das Bundeskabinett hat am Dienstag eine entsprechende Verordnung zum Arbeitsschutz beschlossen. „Im Grundsatz müssen Betriebe ihren Beschäftigten einmal pro Woche ein Testangebot machen. Nur ausnahmsweise darf die Verpflichtung 2 Tests pro Woche umfassen“, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Es handelt sich bei dem Beschluss lediglich um eine Angebotspflicht, eine Testpflicht für Arbeitnehmer gibt es nicht. Auch eine Dokumentationspflicht soll es nicht geben. Die Verordnung trete in der kommenden Woche in Kraft. Quelle: dpa
Was sollen die Tests bringen und reicht ein Test pro Woche aus?Die Schnell- oder Selbsttests sollen helfen, Corona-Infizierte zu entdecken, die noch keine deutlichen Symptome spüren. Aus wissenschaftlicher Sicht können sie eine Infektion allerdings nicht grundsätzlich ausschließen. Selbst bei korrekter Anwendung sei es bei einem negativen Test „lediglich weniger wahrscheinlich“ für andere ansteckend zu sein, erklärt das Robert-Koch-Institut. Vor allem bei Infizierten ohne Symptome besteht durchaus die Gefahr falsch-negativer Ergebnisse. Unklar ist jedoch, ob man dann für andere überhaupt ansteckend ist oder nicht. Wissenschaftler weisen auch darauf hin, dass die Tests nur Momentaufnahmen sind. Die Testergebnisse sind nur für etwa einen Tag aussagekräftig. Ob ein wöchentlicher Test im Büro ausreicht, wird daher von vielen bezweifelt. Quelle: dpa
Was bedeutet eine Testpflicht für die Unternehmen?Auch Selbsttests wie dieser reichen: Die Arbeitgeber sollen die Tests allen Beschäftigten zur Verfügung stellen, die nicht im Homeoffice arbeiten. Dabei müssen sie jedoch nicht dokumentieren, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Tests auch in Anspruch nehmen. Es würde also ausreichen, den Beschäftigten einfach Selbsttests nach Hause zu schicken oder Selbsttests für alle zugänglich im Büro zu deponieren. Die Kosten für die Tests tragen die Arbeitgeber. Grundsätzlich können die Firmen die Kosten für Schnelltests allerdings im Rahmen der Überbrückungshilfe III geltend machen, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sind neben Desinfektionsmitteln und Schutzmasken auch Schnelltests und die Schulung von Beschäftigten zu Hygienemaßnahmen förderfähig. Die Bundesregierung rechnet mit Kosten pro Beschäftigtem von 130 Euro bis Ende Juni. Quelle: dpa
Wie viele Unternehmen bieten ohnehin schon Tests an?Nach einer Umfrage im Auftrag der Bundesregierung hatten zuletzt 61 Prozent der Beschäftigten einen Arbeitgeber, der Corona-Tests anbietet. Weitere Arbeitgeber hätten den Mitarbeitern Tests in Aussicht gestellt. Nehme man diese Gruppe hinzu, erhielten etwa 70 Prozent der Beschäftigten ein Testangebot oder es sei ihnen zumindest angekündigt worden. Die Bundesregierung hält das nicht für ausreichend und gab als Zielmarke bisher 90 Prozent aus. Quelle: dpa
Wie kommen die Unternehmen an die Tests?Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) betonte am Wochenende in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Es sind auf dem Markt mittlerweile genügend Tests verfügbar. Man muss sich darum aber kümmern. Wer jetzt erst anfängt, Angebote einzuholen, der braucht wahrscheinlich eine Anlaufzeit von zwei oder drei Wochen. Mehr aber auch nicht.“ Wirtschaftsvertreter sehen das anders. In einem Brief an das Kanzleramt erklären die großen Verbände, jedes dritte Unternehmen berichte von Schwierigkeiten bei der Verfügbarkeit. Bund und Länder hätten viele der Tests auf dem Markt bereits für die Schüler reserviert. Die Verbände fordern deshalb, Tests aus nicht genutzten Kontingenten kostengünstig den Firmen zur Verfügung zu stellen. Quelle: dpa
Was sagt die Wirtschaft dazu?Wirtschaftsverbände sind von einer Testpflicht alles andere als begeistert. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter spricht von einer „Misstrauenserklärung gegenüber den Unternehmen und ihren Beschäftigten“. Die Testpflicht diskreditiere das freiwillige Engagement der Unternehmen. „Wir sind davon überzeugt, dass die Wirtschaft, die wir ja schließlich alle sind, stets Teil einer Problemlösung sein sollte“, betonte er. Die Präsidentin des Verband der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Statt bürokratischer Auflagen braucht es jetzt dringend Hilfe bei der Beschaffung von ausreichend Tests, die gerade für kleine und mittlere Unternehmen schwierig ist.“ Der deutsche Mittelstand will gegen die Pflicht zum Angebot von Corona-Tests klagen. „Dagegen muss und wird der Mittelstand sich wehren. Wir bereiten als Verband gerade die dafür erforderlichen rechtlichen Schritte vor“, sagte Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Dienstag. „Die Testpflicht für Unternehmen ist ein Lehrstück für Politik-Versagen.“ Quelle: Imago
Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr im Büro überhaupt?Führende Aerosol-Forscher aus Deutschland betonen, Sars-CoV-2 werde fast ausnahmslos in Innenräumen übertragen. Anstecken kann man sich demnach nicht nur beim direkten Treffen mit einem Infizierten, sondern auch in einem leeren, schlecht belüfteten Raum, in dem sich vorher ein Infektiöser aufhielt. Berliner Mobilitätsforscher fordern deshalb, dass man Mehrpersonenbüros nur noch mit gültigem Schnelltest oder nach Impfung betreten darf – oder alle müssten FFP2-Maske tragen. Die Bundesregierung will deshalb die Pflicht verlängern, wo immer möglich Arbeitnehmern die Arbeit im Homeoffice zu erlauben. Quelle: Imago
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