Hier finden sich die Leidtragenden der Unternehmenssteuerreform 2008. Bei Schönbeck machen die Pachten rund 50 Prozent der Aufwendungen aus; da sind rund 15 Prozent Gewerbesteuer kein Pappenstiel. Andere Tankstellenpächter würden sich kaum noch Geschäftsführergehälter auszahlen, berichtet Schönbeck: „Die Gewerbesteuer bricht einigen meiner Kollegen das Genick.“
Damit ihn dieses Schicksal nicht ereilt, kämpft er jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen I BvL 8/12). Die Gewerbesteuer seines Mandanten habe sich im Vergleich zur früheren Rechtslage – bei gleicher wirtschaftlicher Situation – nahezu verdreifacht, erläutert Schönbecks Anwalt Malzkorn, und habe eine „erdrosselnde Wirkung“ angenommen. Seine Schlussfolgerung: „Es liegt ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie nach Artikel 14 Grundgesetz vor.“
Richter Fu ist sauer
Der Jurist sieht auch „einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG“. Denn die seit 2008 geltende Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer bei der Körperschaftsteuer verstoße gleich doppelt gegen den Gleichheitsgrundsatz: Zum einen gebe es eine Diskriminierung gegenüber Personengesellschaften, die weiterhin die Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer anrechnen können, und zum anderen würden pachtintensive Kapitalgesellschaften gegenüber den nicht pachtintensiven „ungleich mehr belastet“.
Für Karlsruhe sind Schönbeck und Malzkorn guten Mutes. Immerhin zeigte das Finanzgericht Hamburg Verständnis für die Nöte des Pächters. Mehr noch. Der 1. Senat verfasste unter Federführung von Richter Reiner Fu einen fulminanten Beschluss (Aktenzeichen 1 K 138/10).
Finanzministerium zeigt keine Reaktion
Auf 58 Seiten kritisiert Richter Fu auch das passive Verhalten der Finanzbehörden bei der Verhandlung. So hatte das Gericht beim Bundesfinanzministerium (BMF) um Daten zu den Gewerbesteuerveranlagungen 2007 und 2008 gebeten. Es wollte insbesondere wissen, für wie viele Gewerbetreibende allein aufgrund von Mieten, Zinsen, Pachten, Lizenzen oder Leasinggebühren Gewerbesteuer festgesetzt wurde. Mit anderen Worten: Das Gericht wollte sich einen Überblick über die Folgen der Unternehmenssteuerreform verschaffen.
Das Finanzministerium lieferte – nichts! Fu listet auf:
- Erst habe das BMF geschrieben, die statistischen Erhebungen abwarten zu wollen.
- Sodann habe das BMF angeregt, dass sich das Gericht an das Statistische Bundesamt wenden möge.
- Bei der Gelegenheit habe das BMF auch mitgeteilt, dass eine koordinierte Datenerfassung verfassungsrechtlich an der Zuständigkeit der Landesfinanzverwaltungen für die Gewerbesteuer scheitere.
- Schließlich habe die Finanzbehörde Hamburg stellvertretend für alle Finanzministerien erklärt, die Auskünfte könnten wegen des unverhältnismäßigen Aufwandes nicht dem Gericht erteilt werden.
Fus Fazit: „Die Behörden haben nicht gemäß Art. 35 Abs. 1 GG Amtshilfe geleistet“, sondern – „die Erteilung der Auskünfte verweigert“.
Ein Skandal, empört sich Anwalt Malzkorn und stellt die Frage: „Ist das nicht Staatswillkür?“