Flugsicherheit De Maiziere prüft Einsatz von Nacktscannern

Bundesinnenminister Minister Thomas de Maizière ist unter bestimmten Bedingungen offen für einen Einsatz so genannter Nacktscanner an deutschen Flughäfen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnt jedoch vor der Ganzkörpererfassung. Die Niederlande sind schon ein Stück weiter.

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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

HB MÜNCHEN. Der CDU-Politiker de Maizière kündigte in der "Süddeutschen Zeitung" den Einsatz von Körperscannern an, falls es gelänge, Geräte zu entwickeln, die die Persönlichkeitsrechte der Passagiere "vollumfänglich wahren". Ein solcher Apparat soll demnach bereits im nächsten Jahr vorgestellt werden.

Datenschützer und viele Politiker kritisieren, dass derartige Geräte nicht nur die Körperformen, sondern auch Genitalien, Implantate oder Prothesen darstellen. De Maizière zufolge werden derzeit neuartige Geräte entwickelt, die die Körperstrukturen der Passagiere "unklarer" darstellen, gefährliche Gegenstände aber dennoch erkennen könnten. Ein Einsatz solcher Geräte komme für ihn aber nur in Frage, wenn sie leistungsfähig und gesundheitlich völlig unbedenklich seien, sowie die Persönlichkeitsrechte "vollumfänglich wahren".

Sollten all diese Kriterien erfüllt sein, kann sich der Minister den Einsatz an Flughäfen durchaus vorstellen. Ob und wann solche Geräte zur Serienreife gelangen, werde sich vermutlich im kommenden Jahr entscheiden, bisher gebe es allerdings noch keine Rechtsgrundlage für den Einsatz solcher Apparate.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar lehnt den Einsatz von Nacktscannern an Flughäfen ab. "Mich überrascht, wie schnell Forderungen erhoben werden, ohne dass die grundsätzlichen Fragen geklärt sind", sagte Schaar der "Berliner Zeitung". "Zunächst ist Sachaufklärung angebracht." Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger reagierte zurückhaltend auf entsprechende Forderungen nach dem versuchten Anschlag auf ein US-Flugzeug. "

Ob erhöhte technische Kontrollmaßnahmen den konkreten Anschlagversuch tatsächlich verhindert hätten, kann zuverlässig erst nach einer sorgfältigen Untersuchung des Falles beurteilt werden", sagte die FDP-Politikerin derselben Zeitung. "Ob Körperscanner so eingesetzt werden können, dass dabei die Intimsphäre beachtet und die Menschenwürde strikt gewahrt bleibt, hängt entscheidend von der technischen Weiterentwicklung solcher Geräte ab." In jedem Fall müsse der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht so gering wie möglich gehalten werden und im Verhältnis zum tatsächlichen Gewinn an Sicherheit stehen.

Die Ministerin bezeichnete es als besorgniserregend, dass trotz der Hinweise auf den mutmaßlichen Attentäter Umar Farouk Abdulmutallab dieser ungehindert in Amsterdam das Flugzeug in die USA habe besteigen können. "Dies zeigt eindrucksvoll, dass die wahllose Anhäufung von millionenfachen Daten offensichtlich keinen Zusatz an Sicherheit bedeutet." Angesichts der Fülle von Informationen würden derart konkrete Hinweise offenbar nicht richtig eingeordnet.

Auch Schaar forderte, es müsse geklärt werden, wie der Sprengstoff durch die Kontrollen habe geschmuggelt werden können, und ob die Technologie geeignet sei, dem vorzubeugen. Zudem müssten beim Einsatz von Scannern die Menschenwürde und der Schutz der Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. "Bei den Geräten, die alles sichtbar machen, ist die Menschenwürde nicht gewahrt", sagte Schaar. Auch er verwies darauf, dass Hinweise auf den Attentäter vorlagen, aber offenbar in ihrer Relevanz nicht erkannt und nicht weitergeleitet worden seien. "Ich bezweifle, dass die immer exzessivere, ungezielte Datensammlung von immer mehr Menschen richtig ist", sagte Schaar.

Die Niederlande haben als erstes Land Europas die baldige Einführung von Körperscannern zur routinemäßigen Kontrolle von Flugpassagieren angekündigt. Zunächst sollen Scanner-Kontrollen bei Flügen vom Amsterdamer Airport Schiphol in die USA eingesetzt werden. Darüber informierte der niederländische Justizminister Ernst Hirsch Ballin die US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano am späten Dienstagabend in einem Telefongespräch. Zugleich fordert die Regierung in Den Haag von der Europäischen Union, die Geräte europaweit zuzulassen.

Fast alle niederländischen Parteien erklärten, sie würden den Einsatz der Körperscanner unterstützen, weil die Sicherheit von Flugreisenden Vorrang haben müsse vor Bedenken über die Verletzung der Privatsphäre. Allerdings müssten noch eindeutige Bestimmungen erlassen werden, wie mit den gescannten "Nacktbildern" umzugehen ist und wer diese Aufnahmen im Zweifelsfall ansehen darf, forderte die liberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Nach den Plänen der Regierung sollen die Scanner zunächst auf allen US-Flügen eingesetzt werden, und dann mittelfristig auf allen niederländischen Airports für die Sicherheitskontrollen sämtlicher Passagiere.

Der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab, der am ersten Weihnachtstag an Bord eines US-Passagierflugzeugs beim Anflug auf Detroit versucht hatte, einen Sprengkörper zu zünden, war auf dem Amsterdamer Airport Schiphol mit einen herkömmlichen Metalldetektor kontrolliert worden.

Niederländische Sicherheitsexperten erklärten später, der am Körper des Attentäters versteckte Plastiksprengstoff wäre mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Kontrolle mit einem der neuartigen Scanner entdeckt worden. Auf Schiphol werden seit mehreren Monaten Körperscanner bei der Abfertigung von Passagieren für innereuropäische Flüge getestet. Bislang ist es Fluggästen aber völlig freigestellt, sich an den Tests zu beteiligen oder durch herkömmliche Sicherheitskontrollen zu gehen.

Eine EU-Richtlinie ist für den Einsatz von Körperscannern auf Flughäfen nicht nötig. "Das können die Mitgliedstaaten völlig selbstständig entscheiden", stellte ein Sprecher der EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel klar. "Dazu brauchen sie keine EU-Richtlinie." Die EU-Kommission habe ihren Vorschlag vom Oktober 2008, die Scanner zur Passagierkontrolle in allen Mitgliedstaaten einzuführen, wegen massiver Ablehnung im Europaparlament wieder zurückgezogen. Dies bedeute jedoch nicht, dass Körperscanner nicht in einzelnen Mitgliedstaaten eingeführt werden könnten.

"Wir sind bereit, uns damit wieder zu befassen, wenn offen Fragen hinsichtlich der Technik, der Gesundheitsverträglichkeit und des Schutzes der Intimsphäre geklärt sind", sagte der Kommissionssprecher. Derzeit plane die Kommission keinen erneuten Vorschlag zur EU-weiten Einführung der Scanner: "Aber wir hören immer sehr genau auf das, was die Mitgliedstaaten wünschen."

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