Die Folgen der Krise Die Inflationsgefahr steigt

Sobald die Konjunktur anzieht, müssen die Zentralbanken die in das Bankensystem gepumpte Liquidität wieder absaugen. Doch werden die Banker dies auch tun - oder ist der Druck der Politik für niedrige Leitzinsen größer?

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Notenbanker Bernanke (rechts), Quelle: dpa

Manchmal reichen wenige Worte, um nachhaltige Wirkungen zu erzeugen. Das hat auch Ben Bernanke erfahren müssen. Als der US-Notenbankchef im November 2002 – damals noch einfaches Mitglied im geldpolitischen Ausschuss der Fed – eine Rede über die Bekämpfung von Deflation hielt, verwies er auf den „Geld-Helikopter“ des Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman. Friedman hatte mit dem Bild eines Helikopters, der über dem Land Geld abwirft, seinen Studenten verdeutlicht, dass eine Notenbank immer in der Lage ist, die Geldmenge und damit das Preisniveau in einer Volkswirtschaft zu kontrollieren. „Durch das Drucken von Geld finanzierte Steuersenkungen wirken wie der berühmte Geldabwurf aus Friedmans Helikopter“, erklärte Bernanke seinen Zuhörern. Seither hat er einen Spitznamen: „Helikopter-Ben“.

Damals dürfte Bernanke wohl nicht ernsthaft daran gedacht haben, dass er sechs Jahre später als Fed-Chef eben diesen Helikopter anwerfen und seine akademisch-theoretischen Überlegungen in die Praxis umsetzen muss, um die US-Wirtschaft vor dem Absturz zu retten. Hatten die Fed, die Bank von England und später auch die Europäische Zentralbank anfangs versucht, mit Zinssenkungen die Finanzkrise zu bekämpfen, so wurde spätestens nach der Lehman-Pleite klar, dass das nicht ausreichte. Der Bankensektor fiel in die Schockstarre, die Kreditvergabe drohte zu kollabieren, der Wirtschaft drohte der Absturz in die Depression.

Geldschwemme begünstigt Inflation

Die Notenbanken mussten schnell handeln und dem Finanzsystem neue Liquidität zuführen, um den Geldkreislauf aufrechtzuerhalten. Daher kauften sie den Geschäftsbanken Wertpapiere ab und stellten ihnen im Gegenzug Zentralbankgeld in Milliardenhöhe zur Verfügung. In der Folge schoss die monetäre Basis – sie umfasst das Bargeld sowie die Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank – rasant in die Höhe. Als die Geschäftsbanken trotz der milliardenschweren Liquiditätsspritzen noch immer nicht genügend Kredite vergaben, sah sich die Fed gezwungen, selbst Handelspapiere von den Unternehmen zu kaufen, um den Kredit- und Geldstrom in die Realwirtschaft aufrechtzuerhalten. So wurde die Fed quasi zur Hausbank der Unternehmen.

Vielen Ökonomen ist angesichts der extremen Geldschwemme mulmig. Sie fürchten, die Liquidität könnte die Inflation in die Höhe treiben, sobald die Konjunktur anspringt, die Banken wieder mehr Kredite vergeben und das Geld in die Realwirtschaft fließt. Das ist zwar noch Zukunftsmusik. Sowohl in den USA als auch in der Euro-Zone ist die Wirtschaft im zweiten Quartal wohl erneut geschrumpft. Die Kapazitätsauslastung der Industrie liegt weit unter ihrem langjährigen Durchschnitt, die Preiserhöhungsspielräume der Unternehmen sind daher gering. Hinzu kommt, dass die Energiepreise derzeit weit unter ihrem Vorjahresniveau liegen. Das hat die Teuerungsrate in den USA und Euroland zuletzt in den Minusbereich rutschen lassen.

Geld im Überfluss (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

Experten erwarten allerdings, dass sie schon im Herbst wieder in den positiven Bereich zurückkehrt. Mittelfristig könnte die Inflationsrate sogar deutlich steigen – auch weil parallel zur anziehenden Weltkonjunktur und angesichts der geopolitischen Spannungen im Nahen Osten die Öl- und Spritpreise weiter anziehen dürften. Pessimisten wie Thorsten Polleit, Deutschland-Chefökonom von Barclays Capital, befürchten, dass sich die Bürger mittelfristig auf Inflationsraten zwischen fünf und zehn Prozent einstellen müssen.

Explodierende Teuerungsraten zu erwarten?

Das Problem: Sobald die Konjunktur anzieht, müssen die Zentralbanken die in das Bankensystem gepumpte Liquidität wieder absaugen. Technisch ist das möglich. So können die Währungshüter die Refinanzierungsgeschäfte mit den Banken auslaufen lassen, ohne sie durch neue zu ‧ersetzen. Außerdem können sie Wertpapiere an die Banken verkaufen oder den Mindestreservesatz heraufsetzen. Fraglich ist jedoch, ob die Währungshüter rechtzeitig damit beginnen. Nach der schweren Rezession dürften sie alles daran setzen, um einen Rückfall der Wirtschaft zu verhindern. Das könnte dazu führen, dass sie den Fuß lieber zu lang als zu kurz auf dem Gaspedal lassen – zumal die Politik massiven Druck ausüben dürfte, die Leitzinsen unten zu halten.

Auch die weltweit explodierenden Staatsschulden sind ein gefährlicher Preistreiber. Für die Regierungen ist es eine verlockende Option, ihre Schulden durch Inflation real zu entwerten; dies ist allemal bequemer, als die Ausgaben zu senken. Der renommierte US-Ökonom Gregory Mankiw empfiehlt seiner Regierung und Zentralbank allen Ernstes eine Teuerungsrate von „sechs Prozent über mehrere Jahre, um die Schuldenbombe zu entschärfen“.

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