Twittern statt bloggen Das Ende der Blog-Euphorie

Deutschlands erfolgreichster Blogger Robert Basic versteigert seine Internetseite bei Ebay. Die Szene befindet sich im Wandel - viele Blogger verlieren die Lust und haben mit Twitter ein neues Lieblingsspielzeug entdeckt.

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Basic Blog Screenshot

Die Aufregung in der deutschen Internetszene konnte zum Jahresbeginn nicht größer sein. Deutschlands wohl bekanntester Blogger, Robert Basic, hatte öffentlich überlegt, seine Internetseite auf Ebay zu verkaufen.

Bereits zwei Tage später diskutierte er mit seinen Lesern den Verkaufstext, holte sich eine Sondergenehmigung von dem Auktionshaus, um Spaßbieter durch Vorabanfragen auszufiltern und am vergangenen Freitag startete die Auktion.

Heute Abend endet das ungewöhnliche Experiment. Einen Erlös zwischen 10 000 und 100 000 Euro hatte Basic erwartet – derzeit liegen die Gebote bereits weit über 30 000 Euro.

Was ist ein Blog ohne seinen Autor wert?

Die etwas überstürzt wirkende Aktion ist die typisch für Basic, der bis 2002 als IT-Spezialist für die Deutsche Bank gearbeitet hat. „Hauruck und durch, so bin ich“, sagt Basic, der damit bewusst auf einige Käufer verzichtet. „Es haben sich auch größere Konzerne bei mir gemeldet, denen wegen ihrer langen Entscheidungswege die Zeit zu knapp ist.“

Immerhin 37 000 Euro hat Basic im vergangenen Jahr mit Werbung auf seinem Blog verdient. Doch die entscheidende Frage für den neuen Besitzer wird sein, was ein Weblog ohne seinen Autor wert ist? Denn gerade die persönliche Note, die subjektiven Ansichten des Schreibers machen den Erfolg der meisten Internettagebücher aus.

„Ich weiß nicht, warum die Leser von Robert Basic wieder auf das Basic-Blog gehen sollen, wenn es dort Robert Basic nicht mehr gibt“, sagt Stefan Niggemeier, Medienjournalist und Gründer des erfolgreichen Bildblog.

Blogmüdigkeit macht sich breit

Für Basic hat sich der große Rummel schon jetzt gelohnt. Im Februar will er unter dem Namen Buzzriders ein neues Blog zu IT- und Technik-Themen starten. Eine große Aufmerksamkeit ist ihm vom Start weg gewiss. Mit der neuen Seite, sowie einem parallelen Privatblog, will er persönliches und fachliches künftig stärker trennen.

In den USA gibt es diese Entwicklung schon länger und zeigt sich auch hierzulande immer stärker. "Es gibt immer mehr Fachblogs", sagt Jens Schröder, der die Deutschen Blogcharts betreibt. "Vor allem neue Blogs sind eher themenspezifisch und mehr nicht so reine Erzählblogs." Damit ließe sich auch eher Geld verdienen. Doch auf dem überschaubaren deutschen Markt gelingt dies, bis auf einigen Top-Bloggern, wie Basic kaum jemandem.

So macht sich auch eine Blogmüdigkeit breit. Von der großen Masse geben viele aus Mangel an Lesern und Resonanz bald wieder auf. Doch auch erfolgreiche Blogger hören auf, da ihnen der Stress zuviel wird oder schlicht Routine und Langeweile einsetzen.

"Der Reiz lässt etwas nach und manche Blogger haben weniger Zeit dafür", sagt Schröder. "Ich habe voriges Jahr auch ein bisschen die Lust verloren", sagt der Düsseldorfer, der unter dem Namen Popkulturjunkie über Musik schreibt.  

Bildblog Screenshot

Das Wort vom "Blog-Blues" macht schon seit zwei Jahren die Runde im Web. Doch die Ermüdungserscheinungen zeigen sich auch in den Zahlen der Blogcharts. Die Statistik der beliebtesten Blogs wird anhand der Verlinkungen gemessen, doch die nehmen immer mehr ab.

Das meistverlinkte Blog von Robert Basic kam beispielsweise früher auf weit mehr als 2000 Verweise, jetzt ist es noch gut die Hälfte. „Für Platz 100 brauchte man früher deutlich mehr als 200 Links, derzeit sind es nur noch 135“, sagt Schröder.

Ein Grund für das nachlassende Interesse an Blogs ist der neue Kurznachrichten-Dienst Twitter. Die Website, bei der sich die Nutzer über Nachrichten von maximal 140 Zeichen Länge austauschen, ist längst zum Lieblingsspielzeug der Netzgemeinde geworden. Und selbst Prominente wie Barack Obama, Lance Armstrong oder der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer Gümbel twittern schon. "Viele Leute twittern schnell mal einen Link und bloggen ihn nicht mehr", sagt Schröder. 

Nicht alle finden es gut, dass viele Blogger ihren Schwerpunkt zu Twitter verlagern. "Der Blogosphäre tut Twitter nicht gut", sagt Niggemeier. Das neue Medium sei ihm zu flüchtig und die Kommunikation zerfasere zu sehr.

Bildblog denkt über Veränderungen nach

Doch die Stagnation zeigt sich auch bei Niggemeier, dessen Bildblog lange die Blogcharts anführte. Seit vier Jahren arbeitet er sich gemeinsam mit Christoph Schultheis an den Fehlern und Ungereimtheiten der BILD-Zeitung ab. "Es gibt bei uns auch Ermüdungserscheinungen, manchmal fehlt die Motivation", sagt Niggemeier. Die große Euphorie der Anfangstage fehle oft. Auch bei den Lesern schwindet der Reiz der unterhaltsamen Korrekturen. Die Nutzer-Zahlen sind seit ein, zwei Jahren konstant oder bröckeln sogar.

"Wir überlegen gerade, was man anders machen könnte", sagt Niggemeier. Er und seine Mitstreiter haben das Gefühl, es müsse eine Veränderung her. Ein Ansatz ist die Aktion "Bildblog für alle" aus der Adventszeit, bei der die Fehlersuche auch auf andere Medien ausgedehnt wurde. Einen Verkauf schließt Niggemeier allerdings kategorisch aus. "Wer sollte das auch kaufen, außer dem Springer-Verlag - und denen würden wir es nur im Tausch gegen die BILD-Zeitung geben."  

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