WAZ-Gesellschafterin Verstorbene Brost als Medienfrau der ersten Stunde

WAZ-Gesellschafterin Anneliese Brost stirbt mit 90 Jahren. Die Verlegerin war das soziale Gewissen des Konzerns.

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Anneliese Brost: von der Sekretärin zur Chefin des WAZ-Konzerns Quelle: dpa

DÜSSELDORF. "Mit tut es weh, dass auch wir auf Kosten von Arbeitsplätzen Kosten sparen müssen. Aber wir haben uns immer sozialer verhalten, als das Gesetz es verlangt", erinnerte sich die WAZ-Verlegerin Anneliese Brost vor wenigen Tagen an ihrem 90. Geburtstag. Das war am 4. September. Die Witwe von Erich Brost, dem Gründer der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), war über Jahrzehnte das soziale Gewissen des Medienkonzerns aus dem Ruhrgebiet. "Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen, aber wir sind fair. Das ist mein Prinzip", sagte die leidenschaftliche Sozialdemokratin zuletzt.

Gestern am späten Abend starb die WAZ-Gesellschafterin im Alter von 90 Jahren in ihrem Haus in Essen. Für den Medienkonzern geht damit eine Ära zu Ende. "Die Betroffenheit im Haus ist groß", sagte WAZ-Chef Bodo Hombach dem Handelsblatt. Denn die Unternehmerin wurde im Konzern wegen ihres sozialen Engagements und ihrer publizistischen Leidenschaft verehrt. An ihrem 90. Geburtstag gratulierte ihr die Mannschaft per Zeppelin. Ein Luftschiff mit riesigen Geburtstagsgrüßen flog über ihr Haus. Die Verlegerin war gerührt.

Die Nachricht ihres Todes ereilte die WAZ-Mannschaft überraschend. Denn die Unternehmerin hatte sich von ihrem schweren Sturz vor neun Monaten überraschend gut erholt. Noch am 4. September, am Tag ihres 90. Geburtstags gab sie dem eigenen Blatt ein Interview. Die Fotos suchte sie selbst aus, wie Beteiligte berichten.

Anneliese Brost war eine Medienfrau der ersten Stunde. Als Sekretärin des "Westfälischen Rundschau" lernte sie ihren späten Mann Erich Brost kennen. Brost war damals Chefredakteur der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung. 1948 verließ Anneliese Brost, damals noch Brinkmann, die Rundschau und wurde die rechte Hand Erich Brost und Jakob Funke, die die neue Zeitung WAZ gegründet hatten. 1975, Jahre nach dem Tod seiner Frau, heiratete sie Erich Brost. 1995 starb Erich Brost und seine Witwe Anneliese übernahm dessen Aufgaben im Konzern.

Anneliese Brost war mit 30 Prozent der Anteile die größte Einzelgesellschafterin des Essener Medienkonzerns, der 30 Tageszeitungen, 19 Wochenzeitungen und 189 Zeitschriften in neun europäischen Ländern heraus gibt. Ihr Anteil wird nach ihrem Wunsch von Testamentsvollstrecker Peter Heinemann, Sohn des Sozialdemokraten und ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinmann, bis zum Jahr 2015 verwaltet. "Die langfristige Führung des Unternehmens ist gesichert", sagt WAZ-Chef Bodo Hombach.

Anneliese Brost legte stets Wert darauf, dass sie es gewesen sei, die ihrem Adoptivsohn Erich Schumann geraten habe, den früheren SPD-Politiker Hombach zur WAZ-Gruppe zu holen. Anneliese Brost und Hombach kennen sich seit den früheren achtziger Jahren. Damals hat Hombach mit dem Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass die Familie Brost in ihrem Essener Privathaus besucht. Die Verlegerin nahm am Unternehmen bis zuletzt aufmerksam teil. Sie unterstützte Hombachs Kurs sich aus Serbien und anderen Balkan-Ländern zurück zu ziehen. "Das ist ganz in meinem Sinne", sagte die 90-Jährige. "Wir haben jetzt auf unseren Heimatmärkten viel und genug zu tun. Wir brauchen in keinem Land zu bleiben, wo man sich mit uns streiten will." Die WAZ-Gruppe mit einem Gesamtumsatz von 1,26 Mrd. Euro im Jahr 2008 erzielte zuletzt in Südosteuropa Erlöse von rund 200 Mio. Euro im Jahr.

Eigentlich wollte die Tochter des Bochumer Pferdehändlers Heinrich Brinckmann Betriebswirtschaft studieren. Doch die Nazis verwehrten der sozialdemokratischen Familie einen Studienplatz. Ihre Mutter war eine im Ruhrgebiet prominente Frauenrechtlerin und eine Bekannte der Arbeiterwohlfahrt-Gründerin Marie Juchacz.

Ihr soziales und kulturelles Engagement war ihr sozusagen in die Wiege gelegt. Statt sich eine Villa auf Mallorca zuzulegen, unterstützte sie lieber die Arbeiterwohlfahrt oder gründete ein Seniorenwohnheim im Ruhrgebiet. Mit ihrer Anneliese-Brost-Stiftung förderte sich auch die deutsch-polnische Versöhnung, das legendäre Folkwang-Museum oder die Zeche Zollverein in Essen.

Mit dem Tod von Anneliese Brost verlässt eine große Verlegerin die Bühne. "Ich lasse die Werte meines Mannes niemals in Stich", sagte die 90-Jährige kurz vor ihrem Tod. "Ich würde journalistische Prinzipien gegenüber wirtschaftlichen niemals zurückstellen." Ihr Versprechen ist für Hombach Verpflichtung.

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