Hilfe nach Erdbeben: Diese Roboter könnten Verschüttete retten

Der kleine schwarze Roboter, der sich am frühen Dienstagnachmittag auf einem Trainingsgelände des Technischen Hilfswerks durch einen Geröllhaufen vor den Trümmern eines teilweise eingestürzten Gebäudes bewegt, erinnert entfernt an eines jener zweirädrigen, elektrischen Hoverboards, mit denen Kinder und Erwachsene über Straßen und Gehwege rollen. Nur, dass sich das Gefährt, dessen Name „Smurf“ klingt, wie der englische Begriff für die niedlichen Schlümpfe, nahe der niederrheinischen Stadt Wesel durch Schutt wühlt.
Der Roboter – das Kürzel steht für „soft miniaturized underground robotic finder“ –, ist nicht viel größer als eine Rolle Küchenpapier, dafür aber um ein Vielfaches robuster und voll gepackt mit Sensorik: Denn die kompakten Maschinen sollen demonstrieren, wie Rettungskräfte künftig in Katastrophenlagen schneller, effizienter und sicherer nach Verschütten oder Verletzten etwa nach Erdbeben oder Explosionen suchen sollen.
Die Abschlusspräsentation des dreijährigen Forschungsprojektes mit dem Namen Cursor auf dem THW-Gelände bei Wesel war seit Monaten geplant. Dass der Termin ausgerechnet auf die beiden Tage nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe in der Südosttürkei und dem Norden Syriens fällt, gibt der Technologiedemonstration am Niederrhein indes eine besondere Aktualität und Brisanz.
Stereokameras liefern 3D-Bilder aus dem Geröll
Was die Expertinnen und Experten der insgesamt 17 Projektpartner aus Europa und Japan, koordiniert vom deutschen THW, in den vergangenen dreieinhalb Jahren entwickelt haben, könnte die Arbeit der menschlichen Retter in Katastrophenszenarien wie jetzt im Nahen Osten erheblich erleichtern. Rund 7,5 Millionen Euro haben die EU und die japanische Forschungsbehörde JSTA in das Vorhaben gesteckt, das es den „Einsatzkräften künftig ermöglichen soll, ferngesteuert und umfassend die Lage an Schadensorten festzustellen und basierend darauf Einsatzoptionen für Ortungs- und Rettungseinsätze abzuwägen“, so THW-Präsident Gerd Friedsam.

Ein Test, der künftig leben retten kann: Mitarbeiter verschiedener Hilfswerke steuern auf einem Übungsgelände Drohnen und Roboter.
Roboter Smurf ist dabei nur ein Element von vielen im digitalen Werkzeugkasten. Parallel schweben bei der Demonstration am Niederrhein verschiedene Drohnen über den simulierten Schuttbergen. Unterdessen befestigen Rettungskräfte spezielle Sensoren, sogenannte Geophone, an einzelnen, mannsgroßen Betonblöcken, die sich auf dem Übungsplatz neben baufällig wirkenden Gebäuderesten türmen.
Die sensiblen Geräte sind in der Lage, selbst durch dicke Schichten aus Beton und Mauerwerk noch Geräusche wahrzunehmen, etwa Wimmern oder Stöhnen von Verletzten, oder auch nur die Atmung von Ohnmächtigen. Spezielle Sensoren am Smurf-Roboter, der sich auch dort noch ferngesteuert durchs Geröll bewegen kann, wo der Aufenthalt für menschliche Retter zu gefährlich ist, sind in der Lage den Geruch von Menschen zu erkennen. Die Sniffer, zu Deutsch „Schnüffler“, genannten Sensoren können auch unterscheiden, ob es sich bei den Verschütteten um lebende oder bereits verstorbene Personen handelt. Zwei Stereokameras an einem kleinen Ausleger der Roboter liefern bei Bedarf räumliche Bilder aus Schächten oder Geröllspalten.
Das Mutterschiff schwebt über dem Schutt
Übertragen werden die Daten über ein autonomes Funknetz, das die Retter mithilfe einer „Mutterschiff“ genannten Aufklärungsdrohne über der Schadensstelle aufspannen können. „Damit stellen wir sicher, dass wir auch dort, wo bestehende Kommunikationsinfrastrukturen zerstört oder überlastet sind, unsere Systeme nutzen können“, so THW-Projektkoordinatorin Tiina Ristmäe bei einem Test der Cursor-Plattform im vergangenen November in Griechenland.
Weil viele Schadensstellen zunächst von Menschen wegen Einsturzgefahr der Trümmer oder anderer umstehender Bauten nicht betreten werden können, spielen – neben dem Mutterschiff – eine Reihe weiterer Drohnentypen eine entscheidende Rolle beim Cursor-Projekt. Während ganze Geschwader kleiner Flieger das Einsatzgebiet im Überflug vermessen, fotografieren und so binnen weniger Minuten ein räumliches Abbild etwa von Einsturzstellen erzeugen, setzen andere Fluggeräte weitere Erkundungsroboter auf den Schuttbergen. Weitere Fluggeräte kreisen zudem über der simulierten Schadensstelle, deren Radarsensoren in der Lage sind, auch unter der Oberfläche verborgene Personen noch zu lokalisieren.
All diese Informationen laufen schließlich in einer zentralen Softwareplattform zusammen, die nahezu in Echtzeit für die Verantwortlichen ein Bild der Lage und der vermuteten Position möglicher Verschütteter erzeugt. „So können die Retter sehr viel schneller und mit deutlich geringerem persönlichem Risiko die Situation bewerten und Entscheidungen über das weitere Vorgehen treffen“, so Massimo Lanfranco von der Italienischen Zivilverteidigung.
Die Werkzeugkästen fertig gepackt
Künftig, so die Pläne der Cursor-Partner, sollen fertig konfigurierte Pakete aus den verschiedenen Erkundungswerkzeugen als sogenannte „Search-and-Rescue-Kits“ bei internationalen Rettungsorganisationen jederzeit einsatzbereit vorgehalten werden. So könnten sie bei kommenden Erdbebenkatastrophen kurzfristig von Rettern in die Schadensgebiete gebracht und vor Ort genutzt werden.
Noch allerdings ist das – allen praktischen Demonstrationen im Schutt des THW-Geländes zum Trotz – nur eine Vision. „Bisher sind das alles Prototypen, die die Projektpartner entwickelt haben, um ihre Praxistauglichkeit und das Zusammenspiel der Komponenten zu testen“, dämpft THW-Koordinatorin Ristmäe die Hoffnungen auf eine allzu kurzfristige Verfügbarkeit der Technik in realen Katastrophen.
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