Studie Krebs ist meist einfach Pech

Rauchen, schlechte Ernährung, kein Sport - wer Krebs bekommt, ist selbst schuld? Weit gefehlt, zeigt eine neue Studie. Wer erkrankt, hat primär Pech gehabt.

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Krebs ist Pech Quelle: dpa

Viele Menschen glauben, sie könnten vor allem durch ihren Lebensstil beeinflussen, ob sie einmal an Krebs erkranken werden. Doch eine neue Studie des renommierten Johns-Hopkins-Instituts für Medizin zeigt: der Großteil der Krebserkrankungen bei Erwachsenen, nämlich zwei Drittel, sind vielmehr ordinärem Pech zuzuordnen.

Laut der Untersuchung ist lediglich ein Drittel der zufälligen Mutationen, die stetig bei der Zellteilung in unserem Körper vorkommen und eben auch Krebszellen hervorbringen können, unseren Genen oder Umweltfaktoren wie Rauchen, Alkoholmissbrauch und Ähnlichem zuzuschreiben.

Formen der Krebs-Therapie

Onkologie-Professor Bert Vogelstein erklärt die Untersuchungsergebnisse: "Alle Krebsarten entstehen aus einer Kombination von Pech, unserer Umwelt und unserem Erbgut. Wir haben nun ein Modell erstellt, das uns dabei hilft, den Einfluss dieser drei Größen zu messen." Bei 22 von 31 Krebsarten seien zufällige Mutationen - also etwas, worauf wir keinen Einfluss haben - der Hauptgrund für ihre Entstehung.

Krebs entsteht, wenn sich etwa bei der Zellteilung Fehler beim Kopieren des Erbguts, der DNA, einschleichen. Auch spontane Mutationen im Erbgut können eine Zelle zur Krebszelle werden lassen. Je mehr solcher Unregelmäßigkeiten auftreten, umso höher ist das Risiko, an Krebs zu erkranken. Das erklärt auch, warum manche Organe häufiger von Krebserkrankungen betroffen sind: Sie haben eine höhere Zellteilungsrate, und damit steigt automatisch auch die Wahrscheinlichkeit für Mutationen.

In diesen Regionen ist das Krebsrisiko am höchsten
Die Anzahl der Todesfälle durch bösartige Tumore ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. 2011 sind 852.328 Deutsche an Krebs gestorben. Damit bleibt die Krankheit nach den Herz- und Kreislauferkrankungen zwar die zweithäufigste Todesursache, allerdings ist der Anteil an allen Todesfällen in den letzten 30 Jahren um fast 25 Prozent gestiegen. Am häufigsten starben Männern und Frauen im Jahr 2011 an Krebs im Bereich der Verdauungsorgane. 38.531 Männer (32 Prozent) und 31.694 Frauen (30 Prozent) waren betroffen. Am zweithäufigsten traten bei den Männern Todesfälle aufgrund von Lungen- und Bronchialkrebs mit 31.293 Sterbefällen auf (Anteil von 26 Prozent). Bei den Frauen liegt Brustkrebs an zweiter Stelle mit 17.815 Sterbefällen (Anteil von knapp 18 Prozent). Außerdem sind in Deutschland nach einer Prognose des Berliner Robert Koch-Instituts mehr Menschen neu an Krebs erkrankt als in den Vorjahren. Der Krebsatlas der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (GEKID), zeigt allerdings, dass es sowohl bei den Krebsarten als auch bei der Häufigkeit der Erkrankungen regionale Unterschiede gibt. Quelle: dpa
Ost- und WestdeutschlandSo tritt in den neuen Bundesländern beispielsweise deutlich seltener Brustkrebs auf. Im Osten ist sowohl die Erkrankungs- als auch die Sterblichkeitsrate um 20 bis 30 Prozent geringer als in Westdeutschland. Laut Einschätzung von GEKID kann das darin begründet sein, dass Frauen in der ehemaligen DDR weniger Hormone nahmen, als die Frauen im Westen. Außerdem bekamen die Frauen im Osten früher Kinder und stillten sie länger. Das reduziert die Gefahr, an Brustkrebs zu erkranken. Quelle: dpa
SüddeutschlandAuch zwischen Nord und Süd gibt es Unterschiede: So treten in Bayern und Baden-Württemberg weniger Brustkrebsfälle auf als im Nordwesten Deutschlands. Insgesamt erkrankten in Bayern und Baden-Württemberg im Jahr 2010 67.138 Menschen an Krebs. Quelle: dpa
NorddeutschlandIm Norden dagegen sind die Zahlen der Prostatakrebserkrankungen höher. Besonders viele Patienten gibt es in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Das könne laut GEKID zwar auch daran liegen, dass in diesen Ländern mehr Männer die PSA-Früherkennungs-Tests nutzen und somit einfach mehr Zahlen vorliegen. Allerdings sei im Norden auch die Sterblichkeitsrate für Prostatakrebs etwas höher als im Rest von Deutschland. Quelle: dpa
StadtstaatenIn Bremen, Hamburg und Berlin ist das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, am höchsten. Besonders Frauen bekommen in den Stadtstaaten überproportional häufig Tumore in der Lunge. Das kann zum Teil am Smog liegen, zum anderen Teil daran, dass immer mehr Frauen rauchen. Lungenkrebs ist in Deutschland die dritthäufigste Krebserkrankung – sowohl bei Männern als auch Frauen. Quelle: dpa
KüstenregionenAußerdem geht aus dem Krebsatlas von GEDIK hervor, dass es an der Nord- und Ostsee deutlich weniger Fälle von Schilddrüsenkrebs gibt, als in Süddeutschland. Das könnte daran liegen, dass die Menschen in den Regionen an der Küste besser mit Jod versorgt sind, als im Süden. Menschen mit chronischem Jodmangel haben ein höheres Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Quelle: dpa
OstdeutschlandIm Osten Deutschlands erkranken deutlich mehr Menschen an Magenkrebs, als im Rest der Republik. Besonders viele Neuerkrankungen gibt es in Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Woher der Unterschied kommt, ist unklar. Quelle: ZB

Ein ungesunder Lebensstil spiele aber trotzdem eine Rolle, mahnt der Wissenschaftler. Zum einen kommen gesundheitsschädliche Handlungen bei allen Krebsarten als Faktor hinzu und erhöhen das Risiko - zum anderen stellten die Forscher bei neun Krebsarten fest, dass der Lebenswandel einen höheren Anteil am Krebsrisiko hat. Dies seien die Erkrankungen, bei denen man es auch erwartet hätte, so die Wissenschaftler: nämlich etwa Haut- oder Lungenkrebs.

Wer häufig starker UV-Strahlung oder giftigen Substanzen in der Atemluft ausgesetzt ist, hat unbestritten ein höheres Krebsrisiko. Um diesen Krebsarten vorzubeugen, sei eine Früherkennung besonders wichtig. Vogelsteins Fazit: Zwar würden Menschen, die etwa jahrelang stark rauchen, aber trotzdem gesund bleiben, gern "gute Gene" zugeschrieben. "In Wahrheit hatten die meisten von ihnen einfach nur Glück".

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