Vor seiner Ernährungsumstellung hatte Marco Sailer immer wieder Muskelverletzungen. Seitdem sich der Stürmer des Fußballerstligisten SV Darmstadt vegan ernährt, sind die Zeiten vorbei, in denen er die Begegnungen vom Spielfeldrand aus beobachten muss. "Durch die Ernährungsumstellung bin ich viel fitter", sagt Sailer. "Ich habe durch die vegane Ernährung fünf Kilo abgenommen und fühle mich super."
Die Liebe zu seiner Freundin hat ihn einstmals zum Umdenken bewegt. Sie engagiert sich in einer Tierschutzorganisation und verzichtet ebenfalls auf tierische Produkte. Anfangs hatte Marco Sailer Probleme, kein Steak mehr zu essen. "Mittlerweile fällt es mir nicht mehr schwer, mich vegan zu ernähren", sagt der Mann mit dem längsten Bart der Bundesliga.
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Posted by Marco "Toni" Sailer on Dienstag, 1. September 2015
Mit seinem Lebenswandel ist Sailer in bester Gesellschaft: Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) leben etwa 900.000 Veganer in Deutschland – Tendenz steigend. Der Trend macht auch vor Hochleistungssportlern nicht Halt. Neben Sailer sollen laut verschiedenen Medienberichten auch Spieler des BVB die vegane Ernährung für sich entdeckt haben: Mats Hummels, Ilkay Gündogan, Marcel Schmelzer und Trainer Thomas Tuchel verzichten demnach zumindest teilweise auf Fleisch, Milch und Co. Auf Anfrage von WirtschaftsWoche Online wollte die Pressestelle von Borussia Dortmund die Ernährungsumstellung der Spieler nicht bestätigen: "Das fällt bei uns in den privaten Bereich des jeweiligen Protagonisten", heißt es.
Weniger tierische Produkte für die Nationalelf
Dass der Hype um bewusste Ernährung keinen Halt vor Profifußballern macht, hat auch Holger Stromberg festgestellt. Er ist der Chefkoch der deutschen Nationalelf. Die Spieler kommen mit Wünschen, Fragen und Ideen rund um die Ernährung auf ihn zu. Zwar essen viele gern ein gutes Stück Fleisch oder Fisch. „Gemüse ist aber mittlerweile zur Hauptkomponente geworden“, sagt Stromberg.
Seit 2007 bekocht er die deutschen Fußballprofis und reduziert seitdem die Zahl der tierischen Produkte. Regelmäßig gibt es Veggie Days, also Tage ohne Fleisch, – allerdings nicht an Spieltagen. Und es kommen vermehrt Milchersatzprodukte wie Reis-, Hafer- oder Mandeldrinks zum Einsatz.
Die zehn häufigsten Milchersatzprodukte
Um einen Sojadrink herzustellen, werden Sojabohnen eingeweicht, gemahlen und gekocht. Dann wird der wässrige Brei ausgepresst und wenige Sekunden bei 135 Grad Celsius erhitzt, damit sie länger haltbar ist. Sie eignet sich zum Beispiel zum Kochen, Backen oder für den Kaffee. Mit etwa vier Gramm Proteinen pro 100 Milliliter hat sie ungefähr den gleichen Eiweißhaushalt wie Kuhmilch. Auch enthält sie alle acht wichtigen Aminosäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Im Gegensatz zur Kuhmilch hat ein Sojadrink weniger Fett.
Gemahlener Hafer wird im Verhältnis 1:10 mit Wasser gemischt und kurz aufgekocht. Wenn Enzyme hinzugegeben werden, wird die schwer verdauliche Stärke schneller in Zucker umgewandelt. Dadurch erhält das Getränk seine Süße. Haferdrinks eignen sich zum Kochen und Backen. Ein wichtiger Bestandteil ist der wasserlösliche Ballaststoff Beta-Glucan, der dem Haferdrink seine cholesterinsenkende Wirkung gibt.
Anders als Kuhmilch und Sojadrink enthält der Reisdrink kaum Eiweiß und weniger Fett. Der Drink liefert Energie in Form von Kohlenhydraten. Ähnlich wie beim Haferdrink wird bei der Herstellung des Reisdrinks Reis erst gemahlen und anschließend mit Wasser im Verhältnis 1:10 vermischt und aufgekocht. Anschließend werden auch dieser Mischung Enzyme zugeführt, um dem Getränk Süße zu verleihen. Reisdrinks können ebenfalls zum Kochen und Backen verwendet werden.
Die Mandeln werden im Wasser blanchiert, anschließend wird die Schale abgestreift. Die Mandeln werden gemeinsam mit etwas Wasser solange in einen Mixer gegeben, bis die Mandeln fein gemahlen sind. Dann gibt man Wasser und Zucker hinzu. Die Flüssigkeit lässt man am besten durch ein Tuch laufen, damit der Drink keine Stückchen enthält. Der Drink gilt als gut bekömmlich und ist reich an ungesättigten Fettsäuren.
Der gemahlene Dinkel wird im Verhältnis 1:10 mit Wasser gemischt und kurz aufgekocht. Da Dinkeldrinks auch ohne den Zusatz von Zucker sehr süß sind, eignen sie sich als natürliche Süßungsmittel.
Die Haselnüsse werden eingeweicht und anschließend mit Wasser in einen Mixer gegeben. Am besten lässt man die Flüssigkeit durch ein Tuch passieren, damit der Drink frei von Stückchen ist. Haselnussdrinks lassen sich aufschäumen und sind auch für den Kaffee verwendbar.
Der Cashewdrink wird genauso wie der Haselnussdrink hergestellt. Die Nüsse werden eingeweicht und anschließend mit Wasser in einen Mixer gegeben. Damit der Drink frei von Stückchen ist, sollte man die Flüssigkeit anschließend noch durch ein Tuch passieren lassen. Den Cashewdrink kann man auch zum Kochen und Backen verwenden. Er enthält viele ungesättigte Fettsäuren.
Die Macadamia-Nüsse werden über Nacht eingeweicht und am nächsten Tag mit Wasser in einen Mixer gegeben. Mit Hilfe eines Tuchs lassen sich Stückchen aus dem Getränk herausfiltern. Im Vergleich mit anderen Drinks hat der Macadamia-Drink einen relativ hohen Fettanteil. Neben den gesunden ungesättigten Fettsäuren enthalten die Nüsse viele Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen, Kalium und Magnesium. Der Drink ist geeignet für den Kaffee, man kann ihn aber auch zum Kochen und Backen verwenden.
Kokosdrinks lassen sich mit Hilfe von Kokosflocken herstellen. Sie werden mit Wasser erhitzt und anschließend gemixt. Die Masse wird in ein Tuch gegeben und solange ausgedrückt, wie die milchige Flüssigkeit herauskommt. Kokosdrinks sind reich an ungesättigten Fettsäuren, Magnesium und Kalium.
Hanfsamen und Wasser werden zwei bis drei Minuten gemixt. Die Masse wird wie bei den anderen Drinks in ein Tuch gegeben, das dann über einem Behältnis ausgepresst wird. Hanfdrinks haben einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren.
Stromberg und sein Team stellen für die Spieler ein Buffett zusammen. Der Chefkoch achtet darauf, dass es möglichst vielseitig ist und unterschiedliche ernährungsphysiologische Optionen berücksichtigt. So hat jeder Spieler die Möglichkeit, auf tierische Produkte zu verzichten. Damit die Spieler genügend Nährstoffe zu sich nehmen, führt Stromberg regelmäßig mit jedem Spieler ausführliche Gespräche. "Die Ernährung ist ein relevantes Zahnrad und macht jeden Spieler leistungsfähiger", weiß er.
Stromberg ist überzeugt, dass eine vegane Ernährung leistungstechnisch keine Nachteile mit sich bringt – die Spieler müssen sich nur um angemessene Alternativen zu den tierischen Eiweiß- und Nährstofflieferanten kümmern. Er empfiehlt sogar jedem, die vegane Ernährungsweise wenigstens mal für 14 Tage auszuprobieren: "Das ist wie eine Frischzellenkur. Man verliert an Gewicht, fühlt sich wacher, frischer und leistungsfähiger."
Stromberg selbst verzichtet seit Jahren auf bestimmte tierische Produkte - eine strenge vegane Ernährung kommt für ihn aber nicht infrage, denn er ist ein "Mischköstler mit Leib und Seele", wie er sagt.
Veganer müssen pflanzliche Eiweißquellen richtig kombinieren
Die Berliner Triathletin Nadin Eule-Mau fühlt sich besser, wenn sie sich rein pflanzlich ernährt. Streng genommen ist die 35-Jährige "nur" Vegetarierin – aber sie bevorzugt vegane Kost. Und das seit mehr als zwei Jahrzehnten. Obwohl ihre Familie weder vegetarisch noch vegan aß, hat Eule-Mau in ihrer Jugend ihre Ernährungsweise im Alleingang geändert. Zum einen, weil sie auf viele Milchprodukte allergisch reagierte, aber auch aus ethischen Gründen: „Ich wollte nicht, dass Tiere meinetwegen sterben müssen“, begründet sie ihre Entscheidung.
Die Leistungssportlerin, die hauptberuflich als PR- und Marketingmanagerin in Berlin arbeitet, trainiert innerhalb der Wettkampf-Saison bis zu 15 Stunden pro Woche – und achtet gleichzeitig akribisch auf ihre Ernährung. Wenn sie unter anderem auf Fleisch und Milchprodukte verzichtet, muss die junge Frau schließlich zusehen, dass sie die Nährstoffe durch andere Produkte zu sich nimmt.
Auf ihrer Einkaufsliste stehen vor allem Obst, Gemüse und sogenannte Pseudogetreide wie Quinoa und Amaranth. Sie liefern dem Körper neben Ballaststoffen viele wichtige Mineralstoffe: darunter auch Eisen, das für den Sauerstofftransport im Blut zuständig ist.
Aus Hafer und anderem Getreide stellt die Hobbysportlerin ihre eigenen pflanzlichen Milchersatzprodukte her. "Pflanzendrinks sind eine Bereicherung für eine vegane Ernährung", sagt Dr. Mareike Großhauser, die ein Buch über Ernährung im Sport für Vegetarier und Veganer geschrieben hat. Nussdrinks können neben Avocados und Leinöl auch die Versorgung mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren verbessern, die hauptsächlich in Fisch vorkommen.
Vegane Sportler müssen sich allgemein viel intensiver mit ihrer Ernährung auseinandersetzen als Mischköstler. Denn: Der Körper braucht neben essentiellen Fettsäuren auch eine Vielzahl an essentiellen Aminosäuren, die der Körper selbst nicht herstellen kann. Bei veganer Ernährung ist es schwieriger, diese Proteinbausteine in den richtigen Mengen zuzuführen. Veganer können pflanzliche Eiweißquellen allerdings so kombinieren, dass Nahrungsmittel mit einer geringen biologischen Wertigkeit zu einer biologisch hochwertigen Mahlzeit werden – und der Proteinhaushalt somit ausgeglichen ist. Zum Beispiel durch die Kombination von Bohnen mit Mais.
Vor allem gewichtsbewusste Sportler ernähren sich vegan
Viele Sportler erzählen, dass sie sich durch ihre vegane Lebensweise besser fühlen. Ob der Verzicht auf tierische Produkte zu positiven Gesundheitseffekten führt – dazu stehen die Ergebnisse verschiedener Studien noch aus, weiß Ingo Froböse, Professor an der Kölner Sporthochschule. „Grundsätzlich ist es möglich, Leistungssport zu machen und Veganer zu sein.“ Der Experte rät allen, die mit dem Gedanken spielen, auf tierische Produkte zu verzichten, sich insbesondere in der Anfangsphase in regelmäßigem Abstand von drei Monaten ärztlich untersuchen zu lassen. Er begrüßt den Trend der veganen Ernährung, "solange er auch außerhalb des Tellers stattfindet" – und die Veganer etwa konsequenterweise auch auf Lederwaren verzichten.
Er beobachtet, dass im Marathon- und Triathlon-Bereich der Veganismus deutlich zugenommen hat. „Vor allem die Leistungssportler, die extrem auf ihr Gewicht achten, zeigen eine hohe Affinität für den Verzicht tierischer Produkte.“ Froböse sieht diese Entwicklung allerdings kritisch. Viele Sportler streichen einfach Lebensmittel von ihrem Ernährungsplan und verlieren dadurch an Gewicht, um schneller und damit leistungsfähiger zu sein. „Das ist eine unschöne Entwicklung“, meint Froböse.
Begünstigt werde die Gewichtsabnahme noch dadurch, dass es in der Winterzeit sehr mühsam ist, die Nährstoffe über Alternativen aufzunehmen – da es schwierig ist, frisches und qualitativ hochwertiges Gemüse in den Supermärkten zu bekommen. „Tomaten sind beispielsweise im Winter oft sehr wässrig, weil sie importiert werden.“ Vegane Sportler müssen sich noch intensiver mit ihrer Ernährung auseinandersetzen – die Ernährung dominiert dann schnell den gesamten Alltag. Deshalb kennt Froböse auch viele Sportler, die nach einem halben Jahr die vegane Ernährung wieder aufgegeben haben.
Pflanzliche Nährstoffquellen
Kalzium ist im Körper als Kalzium-Phosphat in den Zähnen und Kochen gespeichert. Vitamin D verbessert die Einlagerung des Nährstoffs aus der Nahrung in den Körper. Gute vegane Kalizum-Lieferanten sind stilles Mineralwasser (auf die Mineralstoff-Analyse achten), Bohnen, Feigen, grünes Blattgemüse, Tofu, Sojadrinks (auf die Inhaltsangabe achten, häufig ist Kalzium zugesetzt), Haselnüsse und Mandeln.
Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse und Vollkorngetreide tragen dazu bei, dass der Körper mit Eisen versorgt wird. Durch die Aufnahme von Vitamin C und organischen Säuren, wie sie in Obst vorkommen, wird die Eisenaufnahme erhöht.
Pflanzliche Quellen für die ungesättigten Fettsäuren Omega 6 und Omega 3 sind Lein-, Hanf-, Raps- und Diestel-Öl sowie Nüsse.
Gute Proteinquellen sind Tofu und Sojaprodukte, Nüsse und Samen, Hülsenfrüchte, Seitan, Lupinen und Vollkorngetreide.
Bei Vitamin B2 handelt es sich um ein wasserlösliches Vitamin. Lieferanten sind sind Kürbiskerne, Pilze, Sojafleisch, Hafer, Nüsse, Ölsamen, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Keimlinge, eingeweichte Keime.
Vitamin D ist fettlöslich. Es ist wichtig für die Kalziumaufnahme. Quellen sind Pilze und pflanzliche Drinks. Ein 30-minütiger Aufenthalt im Freien regt die Eigenproduktion des Körpers an - allerdings ist die Sonneneinstrahlung in den Wintermonaten zu gering, weshalb hier besonders auf die Vitamin-D-Zufuhr zu achten ist.
Zink-Lieferanten sind Kürbiskerne, Vollkornprodukte, Ölsamen, Nüsse, Soja und Hülsenfrüchte. Durch Zitronensäure wird die Aufnahme erhöht – schwarzer Tee und Kaffee mindern sie.
Auch der österreichische Ultramarathonläufer Demeter Dick kehrte nach acht Monaten Verzicht auf tierische Produkte dem Veganismus den Rücken. Die Erfolge des Marathonläufers Scott Jureck hatten ihn beeindruckt und zur veganen Ernährung bewogen. In seiner Autobiografie „Eat and Run“ beschreibt Jureck seine Wandlung hin zum erfolgreichen Ultraläufer und Veganer und hat damit einen Trend gesetzt. Demeter Dick war immerhin schon Vegetarier, aber gleichzeitig auch ein „brutaler Milchtrinker“, erzählt er. In Trainingsspitzenzeiten trank er bis zu vier Liter am Tag – der vegane Lebensstil war für ihn also eine Herausforderung. Eine Alternative zur Milch musste her.
Aus Mandeln, Sojabohnen und Reis stellte Dick seinen eigenen Milchersatz her. Ein kostspieliges und zeitaufwendiges Unterfangen, wie er schnell feststellen musste. „Die Getränke sind teurer als die Flüssigkeit in Druckerpatronen“, meint er.
Weil er aber Soja-Produkte nicht verträgt, gab Dick seine vegane Lebensweise nach acht Monaten wieder auf – traurig ist er darüber nicht: „Es kostet einiges an Zeit, Geld und Bereitschaft, sich täglich und abwechslungsreich vegan zu ernähren. Mir hat diesbezüglich auch die Leidenschaft, meine Zeit in die Küche zu investieren, gefehlt.“
Das Einzige, was ihm von seiner Ernährungsumstellung geblieben ist, ist die Vorliebe für Quinoa - und die Erkenntnis, dass er sich besser fühlt, wenn er mehr Zeit in seine Ernährung investiert. „Das geht aber auch als Mischköstler oder Vegetarier“, ist der Marathonläufer überzeugt.