
Moderne Autos sind mit allerhand Assistenzsystemen hochgerüstet. Der Wagen beobachtet mit Kameras und Radarsensoren den Verkehr, weist den Fahrer auf ein anderes Auto im toten Winkel hin oder bremst bei Gefahr sogar von allein. Nur eines lassen die Assistenten bislang außen vor: den eigenen Fahrer.
Das will das "Brain4Cars"-Projekt der US-Universitäten Stanford und Cornell jetzt ändern. Die Forscher arbeiten an einem System, bei dem der Bordcomputer den Fahrer beobachtet und aus seinen Bewegungen bereits mehrere Sekunden vorher auf dessen Absichten schließen kann. Damit könnte das Auto erstmals agieren statt nur reagieren.
Bei potenziell problematischen Fahrmanövern, etwa einem Spurwechsel auf einer viel befahrenen Straße, soll das System viel genauer arbeiten als die bisherigen Assistenzsysteme. Bei einem möglichen Unfall kann sich das Auto bereits auf den Aufprall einstellen, etwa indem die Gurte gestrafft werden.
Aber auch in weniger problematischen Situationen soll Brain4Cars helfen: So könnte ein Navigationssystem künftig beispielsweise warnen, bevor falsch abgebogen wird – und nicht erst danach.
In drei von vier Fällen liegt das System richtig
Um die Gesichtserkennung anzulernen, haben die Forscher dem System die Kopfaufnahmen von zehn Fahrern und der vor dem Auto liegenden Straße analysiert. Auf insgesamt 1900 Kilometern im Stadtverkehr und auf Autobahnen konnten die Forscher bestimmen, welche Bewegungen bestimmten Manövern vorausgehen, etwa Spurwechsel oder Abbiegen.
Beim Test mit dem System unbekannten Fahrern haben sich die erhofften Stärken, aber auch Schwächen gezeigt: In 77,4 Prozent der Fälle konnte das System die Absicht korrekt erkennen, und das im Schnitt 3,53 Sekunden vorab. Zeit genug für den Computer, unter Umständen auf das Fahrmanöver zu reagieren – und es gegebenenfalls sogar zu verhindern.
Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos
Autopiloten sind in Flugzeugen Standard. Auch in Schiffen übernimmt zumindest außerhalb der Häfen oft der Computer das Ruder. Am Ende geht es auch beim autonomen Fahren um einen Autopiloten, der das Fahrzeug steuert. Doch der Autoverkehr ist komplex. Auf der Autobahn können die Prototypen der Industrie bereits ohne größere Probleme ohne Eingriffe des Fahrers unterwegs sein. Im Stadtverkehr wird es schon schwieriger. Halbautomatische Funktionen sind allerdings inzwischen Alltag. Ob Tempomaten, Einparkhilfen, Stauassistenten oder Abstandsregler - viele Funktionen entlasten den Fahrer bereits. Auch etwa Mähdrescher können längst eigenständig über das Feld fahren.
Eins der wichtigsten Argumente ist die Sicherheit. Die meisten Unfälle gehen auf Fahrfehler zurück. Weit oben in der Statistik: zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand oder Abbiegefehler. Automatisch gesteuerte Autos würden solche Fehler minimieren. Denn Risikofreude, Spaß an der Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung kennt ein Computer nicht. Er bremst, wenn der Abstand zu gering wird und nimmt nicht aus Unachtsamkeit anderen die Vorfahrt.
Die Entwicklung ist recht weit fortgeschritten. BMW etwa testet seit Jahren automatisch fahrende Autos, auch auf deutschen Autobahnen. Die Fahrzeuge können auch eigenständig überholen. Solche Tests müssen sich die Hersteller aber von Behörden genehmigen lassen. Audi ließ jüngst zur US-Technikmesse CES einen Wagen „autonom“ rund 900 Kilometer aus dem Silicon Valley nach Las Vegas fahren. Auch Daimler präsentierte auf der CES seine Vision für ein selbstfahrendes Auto der Zukunft. Der silberne Mercedes-Prototyp fuhr autonom auf die Bühne nach einer Tour durch die Wüste und die Hotel-Meile der Glücksspiel-Stadt. Zumindest für die Autobahn können sich manche Hersteller pilotiertes Fahren bereits in fünf bis sieben Jahren vorstellen.
Hier beginnen die Schwierigkeiten jenseits der Technik. Die erste Hürde ist das „Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr“ von 1968, das die Basis für die meisten Verkehrsregelungen ist. Darin gibt es zwar Hinweise zu Zugtieren, aber von selbstfahrenden Autos ist nicht die Rede. Dafür aber davon, dass jedes Auto einen Fahrer braucht, der am Ende verantwortlich ist. Dass Autofahrer am Ende Verantwortung und Kontrolle völlig abgeben werden, gilt eher als unwahrscheinlich. Noch fehlen dafür aber Regeln und Gesetze. Bei den bisher fahrenden Prototypen auf normalen Strecken müssen in Deutschland die Fahrer darauf geschult sein.
Europas größter Versicherer, die Allianz, würde auch selbstfahrende Autos versichern. Allerdings würde sich die Risikoeinschätzung ändern, denn das Risiko verlagere sich vom menschlichen Fehler des Fahrers zum Entwickler der Autopiloten. Allerdings glauben die Versicherer nicht daran, dass es vollständig selbstfahrende Auto geben wird. Ein Fahrer werde auch künftig einen Führerschein brauchen, und das Gefährt im Notfall oder in Situationen wo es nötig ist, kontrollieren zu können.
Sicherlich auch, um Kunden mit immer ausgereifteren Extras zu locken. Doch daneben spielt auch die mögliche Konkurrenz durch andere Spieler eine Rolle. So arbeitet etwa auch der Internetkonzern Google seit einigen Jahren an selbstfahrenden Autos.
Probleme hat das System laut den Forschern zum Beispiel bei Schatten im Gesicht oder aber, wenn der Fahrer mit seinem Nebenmann spricht. Zudem müssen mehr Gesten und Bewegungen angelernt werden, da die Menschen ihre Köpfe nicht immer gleich bewegen.
Als nächstes wollen die Forscher die Treffergenauigkeit erhöhen. Möglich ist auch der Einsatz von 3D- oder Stereokameras statt bislang einer einzelnen Kamera, um die Gesichter besser erfassen zu können. Zudem soll das System auch mit den GPS- und weiteren Fahrdynamik-Daten des Autos vernetzt werden. Wie schnell das System zur Serienreife kommen kann – und ob überhaupt – , wollen die Forscher noch nicht sagen.