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Müllkippe MeerPlastikmüll in Nord- und Ostsee wird zur tickenden Zeitbombe

Allein in die Nordsee gelangen jährlich rund 15 000 Tonnen Plastikmüll. Für einige Tierarten sind sie eine tödliche Gefahr. Über die Nahrungskette können mikroskopisch kleine Plastikteile auch beim Menschen landen. 01.02.2013 - 14:49 Uhr

Fast 270.000 Tonnen Plastikmüll treiben einer neuen Studie zufolge auf den Ozeanen der Erde. Das sei so viel Abfall, wie nicht einmal in 38 500 Müllwagen passen würde, schätzt eine am Mittwoch in dem Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte Studie. Es handele sich dabei um mehr als fünf Billionen Einzelteile, heißt es in der Untersuchung. Um zu den Zahlen zu kommen, hatten Forscher zu See mit einem Maschennetz kleine Abfallteilchen gesammelt. Beobachter auf Booten zählten größere Gegenstände auf dem Wasser. Mit Computermodellen wurde für nicht untersuchte Gebiete hochgerechnet, wie viel Müll auch dort schwimmt. Die Studie bezieht sich lediglich auf Plastikabfall an der Wasseroberfläche. Wieviel Material auf dem Meeresboden liegt, erforschten die Wissenschaftler nicht.

Foto: NOAA/PIFSC

Foto: Presse

Im Meer vor Griechenland treiben Plastiksäcke. Das Bild stammt aus dem Jahr 2008.

Foto: Gavin Parson/Marine Photobank

Foto: Presse

Plastikmüll als Habitat für Meeresbewohner im Pazifik.

Foto: Lindsey Hoshaw

Foto: Presse

Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Tromsø in Norwegen.

Foto: Bo Eide

Foto: Presse

Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Kanapou in den USA.

Foto: NOAA/Marine Debris Program

Foto: Presse

Vor der Küste von Hawaii sind etliche Netze angeschwemmt worden.

Foto: Chris Pincetich/Marine Photobank

Foto: Presse

Kein seltener Bild: Eine Robbe hat sich in einem Treibnetz verfangen, USA, 2009.

Foto: Kanna Jones/Marine Photobank

Foto: Presse

Abfallverschmutzung im Mündungsgebiet bei Santos, São Paulo, Brasilien.

Foto: William Rodriguez Schepis, Instituto EcoFaxina/Marine Photobank

Foto: Presse

Plastikmüll am Strand mitten im Nordpazifik (Papahanaumokuakea Marine National Monument).

Foto: Paulo Maurin/NOAA

Foto: Presse

Plastikmüll am Strand, Thailand, 2011.

Foto: Kanyarat Kosavisutte/Green Fins Association/Marine Photobank

Foto: Presse

Schwemmgut aus Hawaii, zusammengestellt vom Museum für Gestaltung Zürich.

Foto: ZHdK

Foto: Presse

Nach der Neueinrichtung der Dauerausstellung Design richtet das MKG nun den Fokus auf die Folgen der Design- und Wegwerfgesellschaft, des Massenkonsums und der vermeintlich endlosen Verfügbarkeit der Dinge. Das MKG zeigt als erste Station die internationale Wanderausstellung „Endstation Meer? Das Plastikmüll Projekt“ des Museums für Gestaltung Zürich, die im Anschluss in weiteren Stationen zu sehen ist. Das Projekt und die Tournee werden finanziert von der Drosos Stiftung.

Foto: Michaela Hille

Foto: Presse

Plastik ist aus vielerlei Gründen praktisch und kommt in nahezu in allen Lebensbereichen zum Einsatz. Doch eine gewaltige Menge der langlebigen Stoffe landet über kurz oder lang im Meer, auch in Nord- und Ostsee. Dort werden sie zum massiven Problem. „Mit Polyethylen beispielsweise verhält es sich ähnlich wie mit anderen so in der Natur nicht vorkommenden, künstlich hergestellten chemischen Verbindungen. Es kann praktisch so gut wie nicht abgebaut werden“, sagt der Mikrobiologe Gunnar Gerdts von der Biologischen Anstalt Helgoland.
„Etwa 20 000 Tonnen Müll landen pro Jahr schätzungsweise allein in der Nordsee“, sagt Meeresschutzreferent Kim Cornelius Detloff vom Naturschutzbund. Drei Viertel davon sei Plastik. Rund 600 000 Kubikmeter Müll vermuten Experten auf dem Boden der Nordsee. Das entspricht dem Volumen von 200 olympischen Schwimmbecken mit 50-Meter-Bahnen. Der Großteil des Plastikmülls in der südlichen Nordsee stammt von Schiffen. Ein Teil der über Bord gekippten Abfälle bestehe weiter aus Plastik, obwohl dessen Verklappung mittlerweile verboten sei, sagt Detloff.

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Auf der Ostseeinsel Fehmarn haben Umweltschützer bei Untersuchungen mehrerer 100 Meter langer Küstenabschnitte im Schnitt 92 Müllteile gefunden, mehr als 60 Prozent waren aus Plastik. An der Nordseeküste wurden sogar schon mehr als 700 Teile je Abschnitt festgestellt. Doch nur 15 Prozent des im Meer entsorgten Kunststoffes wird wieder an den Küsten angespült. „Schätzungen zufolge treiben weitere 15 Prozent weiter durchs Wasser. 70 Prozent des Plastiks sinken auf den Meeresgrund“, sagt Detloff.

Abgebaut werden die Stoffe im Meer nicht. Dafür werden die einzelnen Plastikteile durch die Einwirkungen von Salzwasser, UV-Strahlung und auch durch Reibung ständig kleiner. „Schätzungen gehen davon aus, dass 90 Prozent des Plastikmülls in den Meeren kleiner als fünf Millimeter im Durchmesser sind“, sagt Detloff. Klein genug, um von Muscheln, Krebsen oder Fischen gefressen zu werden.

Eine Radfahrerin passiert an der Uferstraße "Schlachte" in Bremen den in einem Jahr auf der Weserinsel Lankenau eingesammelten Plastikmüll. Jährlich landen 20 000 Tonnen Müll in der Nordsee. Ein Großteil davon wird über die Flüsse, auch über die Weser, ins Meer getragen.

Foto: dpa

Bis zu einer Million Seevögel und 100 000 Meeressäuger sterben laut Umweltschützern jährlich den Plastiktod. Bei einem Magen voller Plastik verhungern sie auf tragische Weise. Eine einzelne Plastiktüte beispielsweise kann für eine Meeresschildkröte das Todesurteil bedeuten. Fische sterben in alten Fischernetzen.
„Bislang ist noch wenig darüber bekannt, welche Auswirkungen Plastik in Organismen genau hat“, sagt Mikrobiologe Gerdts. Allerdings hätten Experimenten bereits nachgewiesen, dass die Aufnahme von winzig kleinen Plastikteilen in hoher Konzentration zu Entzündungen führen könne. In den Magen-Darm-Trakten von 95 Prozent der tot angespülten und untersuchten Eissturmvögel konnte Plastik nachgewiesen worden, sagt Nabu-Experte Detloff.

„Ein großes Problem ist, dass die Mikroplastik-Artikel lipophile (fettlösliche) Schadstoffe wie einen Schwamm aufsaugen“, sagt der Toxikologe Edmund Maser vom Universitäts-Klinikum Schleswig-Holstein. Das betreffe neben Weichmachern beispielsweise das als krebserregend geltende PCB oder das Insektizid DDT. Fressen Meerestiere diese Partikel, weil sie diese fälschlicherweise für Plankton halten, nehmen sie die Schadstoffe auf. „Für den Menschen bedeutet es, dass er durch den Verzehr von solchen Meerestiere eben mehr dieser Schadstoffe aufnimmt. Viele dieser Schadstoffe beeinträchtigen auch das Hormonsystem. Es ist zur Zeit nicht einschätzbar, ob sich diese endokrinen Effekte auch auf den Menschen auswirken, aber die Gefahr besteht.“

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sieht die Vermüllung der Meere mit Sorge. „Es kann nicht sein, dass Meeressäuger und Seevögel sich in Abfall verheddern, dass sie Plastikteile anstelle von Fisch im Magen haben, sich kleinste Kunststoffteile in der Nahrungskette anreichern - nur, weil die Meere zu Müllhalden werden“, sagt er.
Auf Helgoland läuft derzeit ein Forschungsprojekt Microplast. Mit einem Infrarot-Spektrometer wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie viel Plastik etwa in einer Nordseekrabbe steckt. Der NABU setzt auf die Öffentlichkeitswirkung eines auf Fehmarn gestarteten Littering-Projekts. Mittlerweile beteiligen sich auch Hafen Sassnitz auf Rügen und vier niedersächsische Häfen daran. Fischer entsorgen dort mit ihren Netzen aus dem Meer gefischtes Plastik. Gut eine Tonne sei bereits aus dem Meer geholt worden, sagt Nabu-Referent Detloff.

dpa
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