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Notschleusung an der MoselDer Kraftakt ist geglückt

In 24-Stunden-Schichten haben Fachleute der Schifffahrtsverwaltung im Handbetrieb 72 in der Mosel gefangene Frachtschiffe durch die zerstörte Schleuse bei Müden gebracht. Nun kann die Reparatur beginnen.Thomas Kuhn 27.12.2024 - 16:09 Uhr

Notschleusung an der Mosel: Eine der ungewöhnlichsten Bergungsmaßnahmen auf deutschen Wasserstraße.

Foto: WirtschaftsWoche

Es ist gegen 11 Uhr am Freitagmorgen, als der Taucher zum vorerst letzten Mal ins eisige Wasser in der Moselschleuse bei Müden hinabsteigt, sich bei Nullsicht durchs trübe Flusswasser zum Dammbalken vortastet und noch einmal den großen Haken in den in der Schleusenkammer versenkten Stahlträger einhängt. Ein letztes Mal noch hebt der Schwerlastkran das Hindernis aus der Schleusenkammer und macht die Talfahrt frei für die „Tunica“, einen gut 80 Meter langen Lastkahn, der – zusammen mit gut weiteren 70 Schiffen – seit knapp drei Wochen im Oberlauf des Flusses gefangen war, als ein Güterschiff am 8. Dezember kaum gebremst gegen das talseitige Tor der Schleuse gekracht war und diese unbrauchbar gemacht hatte.
Nun aber, zehn Tage nach Beginn einer der ungewöhnlichsten Bergungsmaßnahmen auf deutschen Wasserstraßen, sind alle Schiffe wieder frei. Um 11:15 Uhr legt der Kapitän der „Tunica“ den Gashebel für den Schiffsdiesel nach vorn, manövriert vorsichtig aus der Schleuse und tuckert die verbleibenden gut 37 Kilometer Richtung Koblenz davon.

Seit dem 17. Dezember hatten Technikteams der Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung – mit Ausnahme der Weihnachtsfeiertage – im 24-Stundendienst die Notschleusungen durchgeführt und so, Schiff für Schiff, die im Oberlauf der Mosel gefangenen Lastkähne befreit.
Die mussten dort notgedrungen festmachen, weil die übrigen Kanalbauten von der Mosel zum Rhein oder zur Maas für heutige Güterschiffe viel zu klein dimensioniert waren. Ersten, vorsichtigen Schätzungen zufolge hätte es unter ungünstigen Umständen möglichweise bis Ende März dauern können, bis die Schleuse repariert und wieder voll betriebsfähig ist.

Schiffscrash auf der Mosel

Wie kommen die Schiffe durch die zerstörte Schleuse?

von Thomas Kuhn

Mit immensen wirtschaftlichen Schäden für die betroffenen Schiffer. „Bei 70 Schiffen, die sich oberhalb der Schleuse stauen, summiert sich der Umsatzverlust durch den Stillstand auf 5,5 bis 6 Millionen Euro pro Monat“, so Emil Oess, Geschäftsführer des auf Binnenschifftransporte spezialisierten Logistikunternehmens S&S Speicherei- und Schiffahrts-GmbH aus Duisburg kurz nach dem Unfall gegenüber der WirtschaftsWoche.

Dass nicht nur die Befreiung der Schiffe nun doch sehr viel rascher gelungen ist, sondern wohl auch die Reparatur der Schleuse früher abgeschlossen sein dürfte, ist einer Mischung aus glücklichen Umständen und Einfallsreichtum der Fachleute des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Mosel-Saar-Lahn (WSA) zu verdanken. Die nämlich konstruierten aus den normalerweise für Wartungsarbeiten genutzten Dammbalken der beschädigten Schleuse eine Art provisorisches Schleusentor für die Talseite der Anlage.

Bei 70 Schiffen, die sich oberhalb der Schleuse stauen, summiert sich der Umsatzverlust durch den Stillstand auf 5,5 bis 6 Millionen Euro pro Monat.
Emil Oess, Geschäftsführer S&S Speicherei- und Schiffahrts-GmbH aus Duisburg.

An die Stelle der im Normallfall über Hydraulikpressen bewegten Tore versenkten sie die Dammbalken in den entsprechenden Führungsschienen der Schleusenkammer. Während die bei Wartungsarbeiten die Kammer komplett abdichten müssen, damit diese trocken bleibt, ließen sie nun zwischen den untersten beiden, unter der Wasseroberfläche befindlichen Balken einen Abstand, durch den konstant Wasser aus der Kammer talseitig ausströmen konnte. Sobald alle Balken montiert, die Talseite verschlossen, ein Schiff vom sogenannten „Oberwasser“ kommend in die Schleuse eingefahren und das bergseitige Tor geschlossen war, lief die Schleuse auf diese Weise langsam und auch ohne die sonst fürs Leeren benötigten Klappen in den zerstörten Schleusentoren von alleine leer.

192 Stunden im Dauereinsatz

„Das war erst einmal nur eine Idee und ob sie funktioniert, war uns zunächst nicht klar“, sagt Ulrich Zwinge vom WSA. „Denn solch eine Konstruktion gab es meines Wissens noch bei keiner Havarie einer Schleuse in Deutschland zuvor.“ Nach zwei Testläufen am 17. Dezember aber war klar, dass der Plan aufgeht, die „gefangenen“ Schiffe, Stück für Stück in den manuellen Schleusungen zu Tal zu bringen. Wenn auch mit erheblichem Aufwand: Statt der für einen normalen Schleusungsvorgang üblichen 15 Minuten, kalkulierten Zwinge und das WSA-Team zunächst mit vier bis sechs Stunden Arbeit pro Schiff.
Dann aber schliffen sich die Prozesse ein, das Ein- und Ausheben der Dammbalken mit dem Schwerlastkran, das Fixieren und Lösen der Elemente durch Taucher im Becken, das Fluten und Leeren der Kammer, gingen immer schneller vonstatten. „Kurz vor Weihnachten haben wir an einem Tag in vier Sechs-Stunden-Schichten zwölf Schiffe durch die Anlage gebracht“, sagt Zwinge – und der Stolz über den Einsatz der Kolleginnen und Kollegen klingt deutlich durch. „Wir hatten gehofft, bis Jahresende alle Schiffe frei zu haben, dann aber hatten wir schon am 23. Dezember bis auf zwei alle abgearbeitet.
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Mit dem üblichen Acht-Stunden-Arbeitstag der WSA-Beschäftigten hatte das nichts mehr zu tun. Während der Notschleusungen waren die Fachleute insgesamt 192 Stunden ununterbrochen bei jeder Witterung im Dauereinsatz. Zunächst arbeiteten sie dabei in drei Schichten, dann, ab dem 18. Dezember im Vier-Schicht-Betrieb, unterstützt auch von Taucherteams anderer WSA-Standorte. Mehr als tausendmal hob der Kran die Dammbalken aus der Schleuse oder senkte sie darin ab. Mehr als viertausendmal hängten Monteure und Taucher die Kettenhaken in die Metallelemente. Rund die Hälfte dieser Arbeiten fand dabei im eisigen Wasser des Flusses und weitestgehend bei Nullsicht statt.
Seit Freitagmittag nun ist damit Schluss. Nachdem die „Tunica“ die Schleuse verlassen hat, haben die Monteure die Dammbalken noch ein vorerst letztes Mal ins Wasser hinabgelassen, diesmal aber dicht schließend. Denn nun wird die Reparatur vorbereitet, wird die Kammer komplett leergepumpt, damit die letzten beschädigten Technikelemente aus der Torsteuerung demontiert und die aus der Wand gebrochenen Teile der Betonkonstruktion erneuert werden können. Parallel dazu werden nun Ersatztore, die an anderen Moselschleusen vorgehalten wurden, für den Einbau in Müden hergerichtet.
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„Was darüber hinaus an Ersatzteilen benötigt wird, ist schon bestellt und wird schnellstmöglich geliefert“, sagt WSA-Mann zwinge. Ab Anfang Januar solle der Wiederaufbau der Anlage beginnen, Ende Januar alles montiert sein. „Und ab Anfang Februar – rund zwei Monate früher als zunächst geschätzt – sollten wir Müden dann wieder regulär nutzen können.“

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