Wettbewerb Die beste Fabrik: Einfach machen

Werksschließungen wie bei Nokia in Bochum müssen nicht sein. Das zeigen die Sieger im Wettbewerb „Die Beste Fabrik“: Sie produzieren profitabel und trotzen der Billiglohnkonkurrenz mit intelligenten Konzepten. Fertigung in Deutschland rechnet sich wieder.

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Produktionschef Bauer: Maßstäbe gesetzt in Sachen Effizienz, Qualität, Lieferpünktlichkeit und Innovationstempo Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Nikolaus Bauer strotzt vor Selbstbewusstsein. „In puncto Effizienz, Qualität und Innovationstempo macht uns niemand etwas vor“, findet der Leiter Produktion im Dingolfinger BMW-Werk für Fahrwerks- und Antriebskomponenten. „Da setzen wir die Maßstäbe.“

Genüsslich lässt Bauer Zahlen sprechen: Die Kosten je gefertigter Vorder- oder Hinterachse und der dazugehörigen Getriebe in drei Jahren um 30 Prozent gesenkt, fast keine Fehlteile mehr, die Produktion in zwei Jahren um zehn Prozent erhöht, die durchschnittliche Lieferzeit zu den Fahrzeug-Endmontagewerken fast halbiert, die Pünktlichkeitsrate auf 100 Prozent gebracht, die Maschinenauslastung von 60 auf 80 Prozent angehoben und die Vorgabe des BMW-Vorstands für seine Werke nach einem jährlichen Produktivitätszuwachs von vier bis fünf Prozent erfüllt – eine makellose Bilanz. „Um die Ziele zu erreichen, haben sich vom Management über die Meister bis zum Werker alle außerordentlich angestrengt“, lobt Bauer seine Mannschaft. „Sonst wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.“

Die Verbesserungen imponierten auch den Juroren der renommierten Managementschule Insead in Fontainebleau und der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar. Sie kürten im Wettbewerb „Die Beste Fabrik“ das Dingolfinger Werk zum Gesamtsieger 2008 in Deutschland und Frankreich. Europas anspruchsvollster Leistungsvergleich für produzierende Betriebe wurde in Deutschland zum zwölften und in Frankreich zum 14. Mal ausgetragen.

„Das Management hat ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell entwickelt, es in eine klar nachvollziehbare Strategie gegossen und dafür Prozesse aufgesetzt, die es jedem Mitarbeiter ermöglichen, an der Erreichung der Ziele mitzuwirken – einfach vorbildlich“, begeistert sich Insead-Professor Christoph Loch. „Wer sein Werk so führt, das zeigen die Erfahrungen aus dem Wettbewerb, ist auf der Erfolgsspur.“

Ähnlich Beeindruckendes bekamen die Juroren bei zwei weiteren Kandidaten zu sehen: im Siemens-Werk für Kombinationstechnik in Chemnitz, das hochkomplexe Schaltschränke für die Steuerung und Energieversorgung von Produktionsanlagen baut, und beim Hamburger Medizingerätehersteller Weinmann. Die Wissenschaftler belohnten deren Leistungen mit zweiten Plätzen. In Frankreich wurde eine Produktionsstätte des Düsseldorfer Waschmittel- und Klebstoffkonzerns Henkel ausgezeichnet.

„Die Leistungsdichte unter den deutschen Spitzenwerken hat enorm zugenommen“, resümiert Loch. „Sie haben den Globalisierungsdruck genutzt, sich rundzuerneuern und mit kreativen Konzepten der Konkurrenz das Fürchten zu lehren.“ Werksschließungen wie beim finnischen Handyhersteller Nokia in Bochum bezeugen demnach vor allem eines: mangelnden Willen oder zu geringe Kompetenz des Managements. WHU-Juror Arnd Huchzermeier jedenfalls ist sich sicher: „Dass sich in Deutschland nicht profitabel produzieren lässt, ist eine Mär.“

Die neu gewonnene Stärke der deutschen Industrie schlägt sich in aktuellen Erfolgsmeldungen nieder: Nach Feststellungen des Statistischen Bundesamts hat sie im vergangenen Februar so viele neue Stellen geschaffen wie seit 13 Jahren nicht mehr. Die Zahl der Beschäftigten erhöhte sich binnen Jahresfrist um 141.000 oder 2,7 Prozent auf gut 5,3 Millionen. Mit einem Zuwachs der Bruttowertschöpfung von 0,7 Prozent bleibt die Industrie auch im laufenden Quartal der wichtigste Wachstumsmotor, berichtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Der Effekt: Nach Jahren der Stagnation nimmt der Anteil des produzierenden Gewerbes an der gesamtwirtschaftlichen Leistung wieder zu. Er stieg von 2006 auf 2007 um fast einen Prozentpunkt von 22,6 auf 23,4 Prozent.

„Deutschland erlebt eine Re-Industrialisierung“, sagt Michael Hüther, Direktor am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „Wir verkaufen nicht über den Preis, sondern über Qualität.“

Der Konjunktur-Experte der Deutsche Bank Research, Philipp Ehmer, warnt daher vor einer einseitigen Fixierung auf den Ausbau von Dienstleistungen. Ohne seine Maschinen, Autos und chemischen Produkte wäre Deutschland nie Exportweltmeister. Diese Güter trugen im vergangenen Jahr rund eine Billion Euro zu dem Titel bei; Dienstleistungen nicht einmal 200 Milliarden Euro. Ehmer: „Die Old Economy ist ganz schön modern und wettbewerbsfähig.“

Wie sich die Zukunft gewinnen lässt, zeigen beispielhaft die ausgezeichneten Werke. Mit Einfallsreichtum, Konsequenz und ganz viel Engagement haben sie sich aus schwierigen Ausgangspositionen in kurzer Zeit zurück an die Spitze gekämpft. Beispiel BMW: 2001 stellte der Vorstand des Autobauers klar, dass das Dingolfinger Werk nur bestehen könne, wenn es Achsen, Achsgetriebe und Gelenkwellen mindestens so effizient produziere wie externe Zulieferer vom Schlage ZF, ThyssenKrupp, Dana und Magna. Werkschef Bauer war klar, dass er den Wettbewerb allein über die Kosten nicht gewinnen konnte. „Wir standen mit dem Rücken zur Wand.“

Den Ausweg sah er im Wandel vom Teilehersteller zum Systemlieferanten, der Achsgetriebe, komplett vormontiert, taktgenau und in der richtigen Reihenfolge zum Einbau in die Fahrzeuge an die Montagebänder bringt. Und der selber technische Innovationen vorantreibt. „Wir mussten uns unentbehrlich machen“, resümiert Bauer. Viel Zeit blieb dafür nicht. Doch der radikale Umbruch gelang, weil dank einer klaren und offenen Kommunikation alle Beschäftigten mitzogen.

Heute beliefern die Dingolfinger alle BMW-Fahrzeugwerke über die gesamte Modellpalette hinweg weltweit mit Achsträgern und -getrieben. Stolz sind die Werksmanager darauf, dass sie auch wieder die Achsgetriebe für die im US-Werk Spartanburg gebauten Geländewagen X5 und den Roadster Z4 fertigen, die vorübergehend fremd vergeben waren. „Unsere 2100 Arbeitsplätze sind sicher“, freut sich Bauer. Damit dies so bleibt, wollen sich die Dingolfinger zum Systempartner weiterentwickeln. Dazu ist vor allem der Aufbau weiterer eigener Kompetenzen beim Einsatz neuer Werkstoffe, beim Bau und der Erprobung von Prototypen sowie bei der Entwicklung künftiger Achsgetriebe und Fahrwerksteile notwendig. „Je besser wir die ganze Kette beherrschen, umso mehr Möglichkeiten haben wir, die Herstellkosten zu senken“, betont Bauer. Die Belieferung von Drittkunden soll in den nächsten Jahren zusätzliche Aufträge in die Fabrik holen.

Noch dramatischer waren die Umstände, unter denen sich das Chemnitzer Siemens-Werk neu aufstellen musste. Nach der Wiedervereinigung aus dem einstigen Volkseigenen Betrieb (VEB) Numerik Karl Marx hervorgegangen, verloren die Sachsen als Folge des Zusammenbruchs des Ostblocks ihren kompletten Markt. Von 2600 Beschäftigten mussten mehr als 2000 gehen. Eine clevere Spezialisierung und extreme Kundenorientierung brachten rasch neue Geschäfte und damit die Rettung.

Die Chemnitzer rüsten Schaltschränke mit der hochkomplexen Elektronik aus, die Maschinen und Förderanlagen steuert, antreibt und mit Energie versorgt. Einen großen Teil der Module bauen sie selber, integrieren aber auch Bauteile von Dritten und Kunden wie Gildemeister und Hauni. Die können noch während der Montage Änderungswünsche einreichen. „Wir suchen für jede Anlage mit dem Auftraggeber nach der besten Lösung und testen jeden Schrank gründlich, sodass bei der Inbetriebnahme nichts schiefgeht. Das bietet in dieser Form kein Konkurrent“, erläutern Betriebsleiter Nils Kroemer und Chefcontroller Mike Kempt das Erfolgsrezept. „Das Werk bietet seinen Kunden eine Flexibilität, wie ich sie noch nie gesehen habe“, bestätigt WHU-Experte Huchzermeier.

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