Wirtschaft von oben #85 – Emissionen Diese Satellitenbilder zeigen enorm klimaschädliche Methan-Quellen

Die weltweiten Emissionen des Klimagases Methan sind auf einem Höchststand. Unternommen wird wenig dagegen. Exklusive Satellitenbilder zeigen, wo Methanquellen bisher unterschätzt wurden – und was die größten Verursacher sind.

Kalifornien

Die Coronakrise, hieß es dieses Jahr öfter, habe zumindest eine positive Folge: Der Ausstoß von Treibhausgasen sei zurückgegangen. In der Summe mag der Befund korrekt sein. Doch Satellitenbilder rund um den Erdball zeigen, dass die Pandemie auch einen ganz gegenteiligen Effekt hat: Die Zahl von Orten, an denen große Mengen Methan ausgestoßen werden, hat deutlich zugenommen.

Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Analyse des Start-ups Kayrros, das anhand von Satellitendaten die Methanemissionen auf der gesamten Erde überwacht. Mit Hilfe der Daten aus dem All kann das Unternehmen etwa erkennen, ob an einzelnen Industrieanlagen große Mengen Methan entweichen, beispielsweise durch ein Leck in einer Rohrleitung.

Anfang Januar etwa spürte ein Satellit ein großes Methanleck in der Wüste Algeriens auf. Es entstand an einer Rohrleitung des algerischen staatlichen Ölkonzerns Sonatrach in der Nähe des Ortes Hassi Messaoud. 25 Tonnen Methan entwichen pro Stunde laut den Messwerten in die Luft – das entspricht dem CO2-Ausstoß eines 750 Megawatt starken Kohlekraftwerks.

Im Laufe des Jahres 2020 haben die Treibhausgas-Wächter 32 Prozent mehr solcher Methan-Hotspots aus der Öl- und Gasindustrie aufgespürt als noch im Jahr zuvor. In Algerien, Russland und Turkmenistan waren es sogar 40 Prozent mehr Methan-Quellen. Eine mögliche Erklärung: Corona hat die Nachfrage nach fossilen Rohstoffen gebremst, Budgets und Personal der Energieunternehmen sind knapper geworden – und darum wurden Lecks seltener behoben und Anlagen weniger gut gewartet.

Für den Klimawandel sind das schlechte Nachrichten. Denn Methan ist nach Kohlendioxid das zweitwichtigste Klimagas – mehr als 23 Prozent der Erderwärmung gehen auf seine Kosten. Methan wirkt sogar viel stärker als CO2: Über hundert Jahre hinweg gerechnet, ist sein Einfluss auf die Atmosphäre 28-mal so hoch.

Obwohl die Gefahr durch Methan seit langem bekannt ist, hat die Menschheit wenig gegen das Klimagas getan. Im Gegenteil: Im Jahr 2017 registrierten Forscher einen neuen Höchststand der weltweiten Emissionen. 600 Millionen Tonnen entwichen in die Atmosphäre. Der Abbau und die Nutzung von Öl, Gas und Kohle ist die eine wichtige Quelle, die Landwirtschaft die andere.

Offiziell gemeldete Emissionszahlen verschleiern das wahre Ausmaß oft sogar. Dank neuer Satellitentechnik ist es in den vergangenen Jahren möglich geworden, solche unterschätzten Emittenten aufzuspüren.

Seit Herbst 2017 kreist Sentintel-5P um die Erde, ein kühlschrankgroßer Satellit der europäischen Weltraumorganisation Esa, der aus 824 Kilometern Höhe mit seinen Instrumenten die Atmosphäre überwacht. Er kann einmal am Tag die Methanwerte des gesamten Planeten mit einer Auflösung von sieben mal sieben Kilometern überwachen. Das US-Unternehmen GHGSat wiederum hat einen Satelliten im All, der zwar nicht die gesamte Erde täglich scannen kann, dafür aber eine Auflösung von 50 Metern hat. Das reicht, um einzelne Industrieanlagen zu überwachen.

Wissenschaftliche Studien auf Basis der Satellitendaten haben ergeben, dass viele Methanquellen bisher unterschätzt wurden. Zum Beispiel in Turkmenistan: Am Ostufer des Kaspischen Meeres haben sich Öl- und Gasförderer angesiedelt. Das Land hat einige der größten Gasfelder der Welt. Per Pipeline liefert den Rohstoff nach Russland, Iran und bis nach China, das 70 Prozent der Gasexporte Turkmenistans aufkauft.

Satellitenbilder zeigen, dass bei der Gasproduktion am Kaspischen Meer reichlich Methan in die Atmosphäre entlassen wird. Dunkelrot ist das Satellitenbild über den turkmenischen Gasfeldern eingefärbt. Methanschlupf nennen Experten es, wenn etwa durch undichte Rohre ein Teil des Gases austritt. „Berechnungen zeigen, dass die Methanemissionen in der Region deutlich höher sind, als es offizielle Zahlen der Unternehmen angeben“, sagt Jerome Barre, Forscher beim europäischen Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienst.

Hohe Methanwerte messen die Satelliten auch über dem Perm-Becken, einer rohstoffreichen Region im Süden der USA, und in Regionen Afrikas, wo sich Öl- und Gasförderer angesiedelt haben.

Dabei ließen sich die Emissionen zu großen Teilen vermeiden: Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich 40 Prozent des Methanausstoßes der Öl- und Gasindustrie verhindern ließen, ohne dass unter dem Strich Kosten entstünden. Denn wenn Lecks geschlossen würden, bliebe Gas in den Leitungen, das sich verkaufen ließe. Es fehle nur an Infrastruktur und Investitionsanreizen, um die Probleme zu beheben.

Tiefrot ist die Satelliten-Karte auch über einigen Teilen Kaliforniens. Dort sind allerdings weniger Gasfelder die Quelle, sondern vor allem Kühe und Reisfelder. Rinder tragen ganz erheblich zum Klimawandel bei: Allein die Menge an Methan, die Kühen und anderen Wiederkäuern aus den Mäulern entweicht, ist fast so groß wie der Methan-Ausstoß der gesamten fossilen Brennstoffindustrie.

Forscher arbeiten zwar an Methoden, Kühe und Reisfelder weniger Methan produzieren zu lassen. Eine praktikable technische Lösung gibt es bislang aber nicht. Um die Methanemissionen spürbar zu senken, müsste die Menschheit deutlich weniger Rindfleisch essen. Burger aus Pflanzenmaterial etwa haben eine erheblich bessere Methanbilanz als das herkömmliche Hack.

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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