hochschulwettbewerb starker auftritt

Im Finale des Hochschulwettbewerbs „The Contest“ zeigte das Studenten-Quartett von der Uni Frankfurt, dass auch eine Massenuni Wirtschaftskompetenz lehren kann. 

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Nein, es ist derzeit nicht einfach, Investoren von einer Geschäftsidee zu überzeugen. Da haben sich die vier jungen Männer von Reutlingen nach Berlin aufgemacht, dunkle Anzüge übergezogen und Krawatten um den Hals geknotet, ihre Unterlagen geordnet und genau abgestimmt, wer bei der Präsentation wann redet – und nun stehen sie da, die Hände vor dem Bauch verschränkt, und alles ist ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatten. 

Denn ihre Gegenüber prüfen die Idee eines „Low Cost Hospitals“ auf Herz und Nieren. Noch während die Referenten ausführlich die Lage auf dem Gesundheitsmarkt und die Vorteile einer „Just-in-Time“-Behandlung skizzieren wollen, verlangen die potenziellen Kapitalgeber lautstark nach Zahlen. „Sagen Sie doch mal, wie groß das Ding ist“, ruft einer. Als die Zahlen auf dem Tisch liegen, wird es auch nicht besser: „Wie wollen Sie denn in einem so hart umkämpften Markt in einem Jahr so viel Umsatz machen?“ Und: „Wo wollen Sie bitte 18 000 Patienten einsammeln?“ 

Vier Teams hatten es bei der fünften Auflage des Hochschulwettbewerbs „The Contest“ ins Finale geschafft: Die Studenten der European School of Business (ESB) in Reutlingen, der Handelshochschule Leipzig, der Uni Frankfurt und der Uni Witten/Herdecke präsentierten ihre Konzepte und stellten sich den hartnäckigen Fragen der Jury. 

In der Vorrunde hatten sich die vier Teams gegen starke Konkurrenz durchgesetzt: 75 Mannschaften aus 35 Hochschulen hatten sich für den Wettbewerb vonA. T. Kearney und WirtschaftsWoche angemeldet, 40 in der zweiten Runde ein Konzept entworfen. Es folgten vier Regionalausscheidungen, bis vier Teams übrig blieben. 

Vor allem an den Privatunis genießt der Contest mittlerweile hohen Status: Von der WHU in Koblenz gingen gleich vier Teams an den Start, aus Witten/Herdecke waren drei dabei – ihr Team gewann den Wettbewerb im Vorjahr. Nur die European Business School (EBS) aus Oestrich-Winkel fehlte, nachdem sie in den vergangenen beiden Jahren jeweils in der Vorrunde gescheitert war. 

Bei den Studenten ist der Wettbewerb auch deshalb so populär, weil er ihnen einen guten Einblick in die Arbeitsweise eines Wunscharbeitgebers ermöglicht: einer Unternehmensberatung. Wie später im Job müssen sie sich hier zuerst in eine komplexe Materie einarbeiten, entwerfen dann eine Fallstudie und präsentieren diese schließlich einem kritischen Publikum. Das ist umso interessanter, als die Berater wieder verstärkt nach qualifiziertem Nachwuchs suchen. „Die Stimmung bessert sich“, sagt Sieghart Scheiter, Vice-President bei A. T. Kearney. Sein Unternehmen will im nächsten Jahr 40 bis 50 Associates einstellen. Auch Mitbewerber wie die Boston Consulting Group, McKinsey und Roland Berger wollen wieder mehr Absolventen rekrutieren. a 

Wettbewerbe wie der Contest helfen den Beratern, Talente zu erkennen und zu merken, wo es beim Nachwuchs klemmt. Das Thema in diesem Jahr war dafür bestens geeignet: Neue Geschäftsmodelle für einen bestehenden Industriezweig zu finden und so frischen Umsatz zu ermöglichen – das ist für die Berater ein wichtiger Bestandteil im gerade wieder anziehenden Geschäft. 

Bei ihrer Bewertung achten die Juroren auf zahlreiche Aspekte: Haben die Teams das ökonomische Umfeld gut ausgeleuchtet? Ist das Geschäftsmodell klar und gut strukturiert? Wie agiert das Team, wie präzise präsentiert es seine Ideen? 

Das Quartett aus Reutlingen beispielsweise stellt an den Anfang seiner Präsentation eine ausführliche Darstellung des deutschen Gesundheitswesens – noch bevor der Zuhörer weiß, worum es überhaupt geht. Klarer Fall: Punktabzug. 

Größten Wert legen die Berater auf das Zusammenspiel im Team. Die Zeiten sind rauer, mancher versucht sich da auf Kosten anderer zu profilieren. Im Berateralltag wäre das ein tödlicher Fehler: „Es wirkt wenig souverän, wenn sich einer zu stark in den Vordergrund drängt und die anderen überhaupt nicht zu Wort kommen lässt“, sagt Berater Dietrich Neumann. 

Das zeigt das zweite Team recht deutlich: Von der Handelshochschule Leipzig ist nur ein Duo nach Berlin gekommen (ein Student ist kurzfristig ausgefallen), aber eigentlich spricht nur Alexander Heil. Er trägt das Konzept eines alternativen Frankiersystems mit großem Engagement vor, übertreibt an einigen Stellen und erinnert dann fast an einen Moderator im Shopping-Kanal. Was schwerer wiegt: Auf einige Fragen, etwa zur Finanzierung, haben er und seine schweigsame Kollegin keine oder nur vage Antworten. „Dabei sind Kosten und Umsetzbarkeit eines Modells derzeit die wichtigsten Themen überhaupt“, sagt Neumann. Die Vermutung einer Seifenblase liegt nahe, die Leipziger haben so keine Chance auf den Sieg. 

Auch das schnelle Eingehen auf böse Überraschungen ist im Berateralltag unerlässlich. „Da müssen Sie auch mal improvisieren können“, sagt Kearney-Consultant Martin Sonnenschein. Um diese Fähigkeit zu testen, haben alle Teams am Morgen überraschend eine zusätzliche Aufgabe bekommen: Ein Konkurrent will mit einem ähnlichen Modell auf den Markt kommen. Wie reagieren Sie? 

„Das zeigt nur, welch großes Potenzial unsere Idee hat“, eröffnet Florian Hoppe die Vorstellung des Teams aus Frankfurt. Anschließend präsentieren er und drei Kommilitonen ihr Konzept eines Abosystems, mit dem die Hardware heimischer PCs ohne Mehrkosten immer auf dem neuesten Stand bleibt. Die Kompetenzen zwischen den Teammitgliedern sind klar verteilt. Auf alle Fragen geben sie solide Antworten, stellen den Vertrieb dar, erklären die Risiken. Auch die Finanzplanung wirkt realistisch. Einige Fragen bleiben offen, dennoch ist sich die Jury einig: Das war ein starker Auftritt. 

Aber die Favoriten kommen noch. Schon zweimal haben Studenten der Uni Witten/Herdecke den Wettbewerb gewonnen. Privatschulen wähnen sich ohnehin im Vorteil: Sie kennen solche Fallstudien aus dem Unialltag, üben ebenso regelmäßig richtiges Präsentieren und kennen Teamarbeiten. Und: Durch die vielen Präsentationen der Unternehmen an ihrer Uni kennen sie meist auch das Berater-Kauderwelsch aus dem Effeff. 

„Wir wollen nicht nur an bestehenden Symptomen herumkurieren, sondern mit einem aggressiven Konzept neue Werte für ein schwieriges Segment generieren“, legt denn auch Kirsten Georg selbstbewusst los. Ihre Idee einer kostenpflichtigen Beratung für den Einzelhandel in der Unterhaltungselektronik wirkt sehr professionell. Zunächst. Allerdings gerät die einstudierte Ordnung im heftigen Frage-und-Antwort-Spiel durcheinander, manche Antworten wirken wie Ausflüchte. Und zwei Teammitglieder mischen sich erst gar nicht in die Debatte ein. Das gibt letztlich den Ausschlag: Frankfurt siegt mit knappem Vorsprung. 

Das Ergebnis überrascht: Zum ersten Mal erreicht damit ein Team von einergroßen staatlichen Uni den ersten Platz – die Fachkenntnisse waren fundierter, derAuftritt professioneller, das Team agierte besser zusammen. Dabei gilt Frankfurt sonst nicht als erste Adresse für Wirtschaftsstudenten. In Unirankings fällt die Mainmetropole vor allem bei den Banken- und Finanzlehrstühlen auf. Eine verkannte Eliteschmiede? 

Für die Jury ist das keine Sensation. „Die staatlichen Unis haben deutlich aufgeholt“, sagt Scheiter. Schon in den Regionalausscheidungen seien sie in den vergangenen beiden Jahren zunehmend positiv aufgefallen. So können Studenten auch an den oft gescholtenen Massenunis inzwischen in Seminaren trainieren, wie sie Konzepte aufbereiten und darstellen. 

Die Frankfurter Sieger sind da schon einen Schritt weiter. Sie dürfen jetzt den Gewinn einlösen und in ein internationalesA. T.-Kearney-Büro reisen, zudem erhalten sie ein Freiabo der WirtschaftsWoche. „Das Wichtigste für uns ist aber“, sagt Gewinner Thomas Bloch, „dass wir unheimlich viel gelernt haben.“ 

cornelius welp 

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