Wenn der Autovermieter Sixt seine inzwischen berühmt-berüchtigte Werbetrommel rührt, dann birgt das immer auch ein Risiko. Wie werden die (potenziellen) Kunden reagieren, wenn ihnen Peer Steinbrück den Stinkefinger entgegenstreckt, wo sie sich doch eigentlich zur Marke Sixt hingezogen fühlen sollen? Und ist mit einem Werbeplakat nicht eine Grenze überschritten, auf dem der zu Unrecht eingesperrte Gustl Mollath unfreiwillig für den Autovermieter wirbt? Ihm wird darauf der Satz „Wenn hier jemand verrückt ist, dann der Sixt mit seinen Preisen“ in den Mund gelegt, der darauf anspielt, dass Mollath jahrelang von der Justiz für unzurechnungsfähig erklärt wurde.
Sixt wirbt mit seiner provokanten Werbekampagne inzwischen auf einer Meta-Ebene für sich. Denn die Werbung ist nicht nur Werbung, sie ist auch gleichzeitig PR für das Unternehmen. Medien berichten über sie, fragen sich, ob dieses oder jenes Plakat nicht übertrieben war, wo die juristischen Grenzen liegen und welchen Effekt sie auf Marke und Verhalten der Kunden hat. Werfen wir auf Letzteres einen genaueren Blick: anhand des YouGov-Markenmonitors BrandIndex.
Werbung ohne positive Wirkung
Sixt wird von den Befragten seit Mitte vergangenen Jahres als beliebteste Autovermietung bewertet, Europcar erreicht mit knappem Abstand ebenfalls gute Imagewerte. Inwiefern trägt die Werbung dazu bei?
In der BrandIndex-Kategorie „Ad Awareness“ werden die Umfrageteilnehmer gefragt, ob sie sich an Werbung für eine Marke innerhalb der vergangenen 14 Tage erinnern. Am 10. August 2013 gab jeder zehnte an, sich an Sixt-Werbung zu erinnern. Drei Wochen später – in dieser Zeit wurde die Sixt-Werbung mit Gustl Mollath veröffentlicht und besprochen – war es dann jeder siebte. Ein Anstieg, den man in dieser Kategorie so nur selten sieht.
Tatsächlich hatte diese Werbung auch Einfluss darauf, wie viele Konsumenten aktuell von Sixt etwas wahrgenommen haben. Dieser Wert stieg innerhalb des Werbezeitraums von sieben auf zehn Prozent. Die positiven Effekte sollten sich aber auf Werbewahrnehmung und generelle Aufmerksamkeit für die Marke beschränken. Denn laut BrandIndex schaffte es die Marke Sixt mit der Mollath-Werbung nicht, im öffentlichen Gespräch stärker positiv assoziiert zu werden als sonst. Im Gegenteil: Nach der Werbung redete man eher negativ über Sixt.
Sixt bewegt sich auf einem schmalen Grat
Zugegeben: Diese Werbung gehörte zu den provokantesten Plakaten überhaupt, Sixt hat sich im Nachhinein dafür entschuldigt. Doch auch in anderen Zeiträumen, in denen die Werbeaufmerksamkeit für Sixt überdurchschnittlich hoch war, konnte die Marke nicht explizit Konsumenten hinzugewinnen, die angeben, Sixt bei der Mietwagenbuchung in die engere Wahl zu nehmen. Vielmehr entwickeln sich die Marken Sixt, Europcar, Hertz und Avis in Sachen Nutzungsbereitschaft der Verbraucher ziemlich ähnlich und folgen – auf jeweils ihrem Niveau – den gegebenen saisonalen Schwankungen, unabhängig davon, wie viel Werbung gerade bei den Verbrauchern ankommt.
Allerdings: Die Platzierung der vier großen Autovermieter ist in einigen Kategorien dieselbe.
Gesamt-Image, allgemeiner Eindruck, Qualität, Preis-Leistungsverhältnis, Nutzungsbereitschaft und auch Werbewahrnehmung – überall ist Sixt führend mit geringem Abstand auf Europcar, mit größerem auf Hertz und Avis. Dass die Marke mit der größten Werbewahrnehmung auch in anderen Kategorien führend ist, dürfte kein Zufall sein. Mehr Kunden gewinnt Sixt durch Plakate mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit kurzfristig und unmittelbar jedoch nicht.
Aber immerhin wird die Werbung aufmerksam wahrgenommen, was man längst nicht von jeder Kampagne sagen kann. Ob die Werbe-Investition sich tatsächlich in neuen und treuen Kunden auszahlt, darf man sich durchaus fragen. Aber wie schon die Autorin Annette Andersen richtig sagte „Jede kleine Aufmerksamkeit ist ein Augenblick der Liebe“.
Das „Mollath-Plakat“ zeigt aber, wie schmal der Liebes-Grat ist, auf dem Sixt wandelt. Es wäre nicht überraschend, wenn eine der nächsten Sixt-Kampagnen auch mal knapp daneben geht – und die Liebe zur Marke nachhaltig leidet.