Blumenhandel Vormacht von Holland im Rosen-Geschäft gerät ins Wanken

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Dass sie bald zum Shootingstar avancierte, verdankt „Freedom“ auch geschicktem Marketing. Denn in den USA wurde „Bloody Mary“ im November 2002 nach der Wahl des zum Antialkoholiker bekehrten Präsidenten George W. Bush auf den patriotischen Namen „Freedom“ umgetauft. „Sie wurde innerhalb kürzester Zeit weltberühmt“, staunt Wieners noch heute. Derzeit testet Tantau, ob sich „Freedom“ auch im Nahen Osten, Asien, Äthiopien oder Kenia ziehen lässt. Derartige Tests sind fester Bestandteil der Entwicklung einer Rosenart. Mehrere Jahre dauert allein die Züchtung einer neuen Sorte per gezielter Kreuzung und Auswahl in den Gewächshäusern von Tantau in Uetersen. Neben der Größe von Stielen und Blüten sowie ihrer Farbe – derzeit ist Rosa groß im Kommen – zählt bei der Züchtung vor allem Haltbarkeit, möglichst schnelles Wachstum und Transportfähigkeit. „Ins Kühlhaus rein, aus dem Kühlhaus raus – das muss die Rose aushalten“, sagt Tantau-Chef Christian Evers. Das Entstehen einer neuen Sorte hat dabei wenig Märchenhaftes, anfangs hat sie nur eine Nummer. Den Namen denken sich die Züchter oft erst Jahre später kurz vor Markteinführung aus. Erst dann werden die kleinen Triebe in ihren Steinwollewürfeln in die weltweiten Anbaugebiete geflogen. 85 Cent bekommt Tantau für jede Pflanze, aus der im Lauf von bis zu zehn Jahren Hunderte Rosenblüten nachwachsen. Weltweit gibt es knapp ein Dutzend Standorte, an denen sich die empfindlichen Rosen anbauen lassen und an denen gleichzeitig die komplexen Logistikketten starten, um „Freedom“ und ihre Kollegen nach spätestens drei Transporttagen ohne hängende Köpfe in den Blumenläden des Nordens anbieten zu können. In Cayambe bringen Kühltransporter Gebinde von „Freedom“, noch mit geschlossenen Blüten und dicht an dicht verpackt in Kartons, von den Plantagen zum Flughafen in Quito. In den dortigen Kühlhäusern liefern auch die anderen rund 400 Rosenexporteure Ecuadors ihre Ernte täglich ab. Neben „Freedom“ stapeln sich „Dolce Vita“, „Esperance“, „Latin Lady“ oder „Black Magic“. In den Kühlhäusern werden die Blumen auf zwei Grad gekühlt, bevor sie am nächsten Morgen im Bauch von Linienflugzeugen und Frachtmaschinen in Richtung Miami, Amsterdam und Frankfurt abheben; ab dem Sommer richtet Emirates nach Angaben aus der Branche zudem die komplett neue Flugverbindung Quito–Bogota–Dubai ein. Mit rund 400 Millionen Dollar Umsatz ist Ecuador zum wichtigsten Blumenproduzenten des Südens geworden. 122.000 Tonnen führt das Andenland aus, nach Öl, Bananen und Shrimps sind Blumen das wichtigste Exportprodukt geworden. Rund 65.000 Menschen arbeiten heute in der Produktion, noch einmal so viele verdienen » indirekt ihren Lebensunterhalt mit Rosen. Daher boomen Städte wie Cayambe. Deren Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen fünf Jahren auf heute 80.000 Einwohner mehr als verdoppelt – in einer Region, die sonst unter Bevölkerungsabwanderung leidet. „Ohne die Blumen wären das hier alles Geisterdörfer“, sagt Mario Castro, Anwalt der Provinzregierung.

Heute gilt Ecuador neben Holland als das Anbauland für die teuersten Rosen weltweit, mit unschlagbarer Qualität; Vorreiter Kolumbien biete gehobene Massenqualität, aber wenig Variationen. Afrika – so die Daumenregel im Handel – beliefert dagegen in der EU die Supermärkte und Discounter: zehn Rosen für 3,99 Euro. Auch die Rosen, die später vornehmlich Inder und Pakistanis in Bars und Restaurants an Europas Nachtschwärmer verkaufen, stammen vom Schwarzen Kontinent, wo die Rosen unter der Äquatorsonne schnell wachsen und daher keine so großen Blüten treiben wie im Höhenklima der Anden. Dank der neuen Produzentenländer steigt das Angebot an Schnittblumen weltweit seit Jahren. Die Preise dagegen sind stabil oder sinken sogar leicht – trotz hoher Transportkosten wegen der hohen Ölpreise. Denn immer neue Anbieter aus der Dritten Welt drängen auf den Markt und versuchen, das Beispiel Ecuadors oder Kenias nachzuahmen. In Afrika ist Äthiopien stark im Kommen, weil die Exporte in die EU und nun auch in die USA wegen der Hilfsprogramme für den Kontinent zollfrei werden. „Afrika ist dort, wo Kolumbien vor 25 Jahren war“, sagt Christine Boldt, Vize-Präsidentin der Blumenimporteure von Florida, wo die meisten Blumen aus den Exportländern in den USA ankommen. Jeder macht jedem Konkurrenz, auch bei der Suche nach Absatzmärkten: Mitteleuropa gilt als gesättigt, deswegen versuchen europäische Anbieter im US-Markt Wurzeln zu schlagen. Der gilt als noch nicht ausgereizt, weil die Amerikaner nur zu Feiertagen wie jetzt dem Valentinstag oder an Geburtstagen Blumen verschenken, statt wie die Europäer auch mal zwischendurch. Werbekampagnen sollen daher die Nordamerikaner zum Blumenkaufen anspornen. Russland ist ein weiterer großer Rosenabsatzmarkt. Allerdings wächst dort auch eine starke Produktion heran. Der Anbau kostet im kalten Norden zwar weit mehr Energie als in der Hitze Afrikas, aber an Energie mangelt es im rohstoffreichen Russland nicht; zudem entfallen die Transportkosten – von Afrika nach Europa sind das pro Rosenstängel immerhin sechs bis sieben Cent. Insider berichten, dass russische Firmen, darunter auch eine Tochter des Energiekonzerns Gazprom, längst gebrauchte Gewächshäuser in den Niederlanden kaufen und im Osten wieder aufbauen.

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