Bedarf nach neuen Fachkräften Der Steuerberatung geht der Nachwuchs aus

Steuerberater suchen händeringend nach Verstärkung. Kanzleien müssen bereits jetzt schon häufig Mandanten abweisen, weil Mitarbeiter fehlen.

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Im Wettbewerb gerade um junge Talente verstärken große Kanzleien die Präsenz auf Ausbildungsmessen oder an Hochschulen.

Düsseldorf Auftrag abgelehnt aus Personalmangel? Dass Steuerberater potenzielle Mandanten abweisen müssen, weil sie nicht genügend Mitarbeiter finden, weiß Matthias Meuter aus dem eigenen Arbeitsalltag. Als Geschäftsführer der Personalberatung Tax Personnel ist er auf die Branche spezialisiert. Zuletzt habe die Chefin einer Kanzlei bei einem lukrativen Lohnmandat mit 100 Gehaltsabrechnungen abwinken müssen. Für sie wirbt Meuter nun um Verstärkung.

Kein leichter Job. „Selbst die Nonplusultra-Steuerkanzleien mit dem besten Ruf suchen händeringend nach guten Leuten“, beobachtet Meuter. Eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens S. W. I. Finance beim Wettbewerb „Top-Steuerberater“ zeigt: 84,5 Prozent der Steuerberater messen der Rekrutierung geeigneter Mitarbeiter größte Bedeutung für die künftige Entwicklung ihres Geschäfts bei.

„Aktuell ist fachlich qualifiziertes Personal für Steuerberaterkanzleien schwer zu finden“, bestätigt Dominik Scheuerer, Hauptgeschäftsführer des Steuerberater-Verbandes Köln. „Dies betrifft sowohl den Bereich der Mitarbeiter als auch zunehmend den Bereich der Berufsangehörigen.“

Im Wettbewerb gerade um junge Talente verstärken große Kanzleien die Präsenz auf Ausbildungsmessen oder an Hochschulen, stellt Scheuerer fest. „Dieser Gedanke muss auch für mittlere und kleine Kanzleien ausgebaut werden, damit der Berufsstand in der Lage ist, den Nachwuchs zu gewinnen, der zur Bewältigung der zukünftigen Aufgaben notwendig ist.“ Doch die Ansprüche an die Arbeitgeber sind gestiegen: „Junge Mitarbeiter achten immer mehr auf Entwicklungsmöglichkeiten in der Kanzlei. Gleichzeitig wird eine Flexibilisierung der Arbeitszeit erwartet.“

Freizeit für die Prüfung

„Für Absolventen kann der direkte Einstieg in einer größeren Beratungsgesellschaft attraktiv sein, wenn diese anschließend für die Steuerberaterprüfung Freizeit oder finanzielle Unterstützung gewährt“, sagt Anja Weber, Mitinhaberin der Personalberatung Weber Jakobus. Das Kalkül der Arbeitgeber: „Dieses Entgegenkommen soll den fertigen Steuerberater dann für eine gewisse Zeit binden.“ Auch sie sieht den Auftritt an Hochschulen oder Bewerbermessen als probates Mittel, um schon während des Studiums Kontakt zu angehenden Betriebswirten aufzubauen.

Kleinere Kanzleien sind laut Weber oft im Nachteil, weil ihnen finanzielle Mittel für solche Angebote fehlen. Ihr Vorteil im Wettlauf um vielversprechende Kräfte: „Sie sind regelmäßig hierarchisch flacher organisiert und haben eher die Möglichkeit, die Mitarbeiter in unternehmerische und strategische Entscheidungen einzubinden“, erläutert sie. „Direkt Verantwortung zu übernehmen ist für Kandidaten durchaus ein Anreiz.“

Kleinere und mittelgroße Kanzleien bieten laut Dominik Scheuerer vom Steuerberater-Verband die Möglichkeit, Gebiete zu bearbeiten, die in Großkanzleien nicht angeboten werden – zum Beispiel die Beratung von kleinen und mittleren Handwerksunternehmen und Arztpraxen. Zusätzlicher Pluspunkt sowohl bei Einsteigern als auch bei etablierten Kräften: „Der persönliche Kontakt zur Kanzleileitung wie auch zu den zu betreuenden Unternehmen ist enger.“

„Durch Emotionalität punkten und auf die menschliche Ebene gehen“ – das zählt laut Anouk Wollschläger, die Steuerberater bei Kanzleimarketing und Personalentwicklung unterstützt. Eine Frage der Führungskultur: „Viele Kanzleichefs verzichten noch auf klassische Instrumente wie Jahresgespräche oder Zielvereinbarungen und geben auch kein umfassendes Feedback. Dabei sind das die Motivationsfaktoren Nummer eins.“ Denn es beweise Wertschätzung und zeige, dass die Kanzlei ihre Beschäftigten weiterentwickeln will.

Weiterbildung ist gerade im Zuge der Digitalisierung nötig. „Da ändert sich enorm viel. Für Steuerfachangestellte etwa ist unklar, inwieweit sich ihr Aufgabengebiet in Zukunft verändern wird“, sagt Wollschläger. Kanzleien sollten Mitarbeiter deshalb verstärkt in die Mandantenberatung einbeziehen. „Man muss als Arbeitgeber signalisieren, dass man gemeinsam nach vorn schaut und auch in Zukunft genügend Aufgaben für den Mitarbeiter hat. Auf diese Weise Sicherheit zu garantieren ist ein starkes Bindungsinstrument.“

Im Bewerbungsprozess zähle besonders bei Topkräften die individuelle Ansprache, sagt Personalberaterin Weber. „Die Kandidaten wollen sehen, dass die Entscheider genau sie wollen.“ Vorgesetzte sollten sich im Vorfeld über Bewerber informieren – etwa über deren Schwerpunkte. Und sie sollten wissen, warum ein Kandidat genau in ihre Kanzlei passe.

Gespräche auf Augenhöhe

Zudem müsse der Prozess schnell und dabei auch reibungslos laufen. „Angesichts der guten Arbeitsmarktlage sind Bewerber nicht bereit, lange auf eine Rückmeldung zu warten“, so Weber. Wichtig sei auch, Bewerbungsgespräche auf Augenhöhe zu führen, das sei oft den erfahrenen Kanzlei-Inhabern noch nicht bewusst: „Die heutigen Bewerber haben eine ganz klare Vorstellung davon, wo sie hinwollen und was sie erwarten können“, sagt Weber.

Nicht nur innerhalb der Branche verschärft sich die Konkurrenz. „Steuerberater entscheiden sich häufig für einen Wechsel auf die Unternehmensseite“, sagt Erich Schwinghammer, Experte der Personalberatung Hays. „Die Kanzleien stehen bei der Rekrutierung also im Wettbewerb mit ihren eigenen Mandanten.“

Im Werben um qualifizierte Steuerfachangestellte und Lohnbuchhalter sieht Personalberater Meuter vielerorts noch Potenzial: „Auch vermeintlich kleine Dinge können den Unterschied machen, etwa ein Parkplatz direkt vor der Tür, kostenlose Getränke oder eine Direktversicherung“, sagt er.

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