




So ganz passt er hier nicht hin. Erich Poths hat sich morgens eine Krawatte umgebunden und die Lederslipper gewienert. Jetzt lehnt er an einem Stehtisch und schaut zu den gegenüberliegenden Ständen. Dort klopft ein Mann auf die Dose mit Proteinpulver, die Oberarme dick wie zwei Eichenstämme, unter seinem Shirt zeichnen sich die Bauchmuskeln ab. Nur wenige Pavillons entfernt verteilen Promoter Fitnessgetränke, in der Messehalle hat sich zwischen den Pavillons ein süßlich-chemischer Kirschgeruch verbreitet.
Die Firma, für die Poths als Innendienstleiter arbeitet, hat einen Stand auf der Fitness- und Wellness- Messe Fibo in Köln, jährliches Mekka für Hantelheber, Proteinshaketrinker und Solariumgebräunte. Im Gegensatz zu den rund 700 anderen Ausstellern preist er aber keine Gewichten, Trainingsbänken & Co. an. Stattdessen treibt die Firma WHI Inkasso, für die er arbeitet, ausstehende Gebühren bei den Kunden von Fitnessstudios ein.
Die deutsche Fitnesswirtschaft auf einen Blick
Insgesamt nutzen 9,08 Millionen Deutsche das Angebot von Fitness- und Gesundheitsanlagen. Daraus ergibt sich eine Reaktionsquote von 11,2 Prozent.
Quelle: Deloitte-Studie im Auftrag des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen
90,1 Prozent der Anlagen sind für Frauen und Männer. 9,9 Prozent sind speziell für Frauen konzipiert.
Die Anlagengröße beträgt im Durchschnitt 1453 Quadratmeter.
In Deutschland gibt es insgesamt 8026 Fitness-Anlagen. 6411 sind über 200 Quadratmeter groß, 1615 sind kleiner.
Das Durchschnittsalter der Mitglieder beträgt 41,9 Jahre.
Bei Einzelbetrieben liegt der durchschnittliche Monatsbeitrag bei 53,20 Euro brutto.
In Deutschland sind 211.384 Arbeitnehmer in Fitness-Anlagen beschäftigt. Pro Anlage sind das im Durchschnitt 26 Personen.
Insgesamt 203.000 Euro hat die deutsche Fitnesswirtschaft durchschnittlich pro Anlage investiert.
Im vergangenen Jahr schätzten 76 Prozent der Fitness-Betriebe die wirtschaftliche Gesamtsituation als gut beziehungsweise eher gut ein. Für 2015 prognostizieren sogar 83 Prozent, dass sich diese im Jahr 2015 wahrscheinlich noch verbessern wird.
Der Gesamtumsatz der Betriebe summiert sich auf 4,70 Milliarden Euro. 4,18 Milliarden Euro, rund 89 Prozent der Einnahmen, ergeben sich alleine aus den Mitgliedsbeiträgen. Weitere 0,52 Milliarden Euro bringen Zusatzeinnahmen ein.
Der Bedarf ist da: Ob wegen plötzlicher Arbeitslosigkeit, Unzufriedenheit mit dem Studio oder schlicht Vergesslichkeit, es gibt viele Mitglieder, die die Studio-Gebühren nicht zahlen. Und so lockt das Geschäft mit der Fitness auch viele Inkasso-Unternehmen an. Erich Poths schätzt, dass es zwischen zwölf und 15 Inkasso-Unternehmen gibt, die sich auf diese Nische spezialisiert haben. Neben dem Onlinehandel hat vor allem die Fitnessbranche Schwierigkeiten mit Kunden, die nicht zahlen wollen, teilt der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen mit.
Fitness-Inkasso lohnt sich
Einen Steinwurf von der Konkurrenz entfernt, vorbei an einem Aussteller, der einen schöneren Hintern durch Stromschläge verspricht, hat Claudius Wölcken seinen Stand aufgebaut. Anzug und Krawatte hat er heute im Schrank gelassen. Stattdessen trägt der Geschäftsführer der Inkassofirma CashControl ein lockeres T-Shirt und Jeans. „Man muss seinen Kunden hier schließlich auf Augenhöhe begegnen“, sagt er mit leicht bayrischem Einschlag und entschuldigt sich kurz. Ein Großkunde, Besitzer einer Fitnesskette, will smalltalken, freundschaftliches Schulterklopfen, Augenhöhe. Wie viele Schuldner Wölcken im Monat betreut, will er nicht verraten, „so ein mittlerer vierstelliger Bereich“. 15 Mitarbeiter hat er angestellt, die die Forderungen eintreiben sollen.
Leistungsumfang der Fitnessketten
Diese Art von Training bieten 97,9 Prozent der Fitnessketten an.
In 80,2 Prozent der Kettenbetriebe können die Kunden gerätegesteuertes Herz-Kreislauf-Training absolvieren.
Gruppentraining wird von 77,1 Prozent der Betriebe angeboten.
Functionail Training fordert den ganzen Körper. 72,4 Prozent der Fitnessketten bieten ihren Kunden diese Trainingsform.
Zirkeltraining ist im Programm von 60,5 Prozent der Fitnessketten.
Das Elektrostimulationstraining offerieren 24,9 Prozent der Fitnessketten.
Ein personalisiertes Training haben 58,8 Prozent der Fitnessbetriebe im Angebot.
Ein Vibrationstraining bieten 69,3 Prozent der Kettenbetriebe an.
33,6 Prozent der Fitnessketten haben Wellness-Angebote.
Nur 2,6 Prozent der Fitnessketten haben Racket als Zusatzleistung im Angebot.
Ein Schwimmbad als Zusatzangebot bieten nur 5 Prozent der Kettenbetriebe.
Zusätzliche Gastronomieangebote haben 44,9 Prozent der Kettenbetriebe.
Wie hoch die Gesamtforderungen sind, die die Fitnessbranche eintreiben lässt, weiß selbst der Inkasso- Verband nicht so genau. Doch es muss ein durchaus lohnendes Geschäft sein: Mehr als neun Millionen Menschen trainieren in deutschen Fitnessstudios. 2010 waren es noch zwei Millionen weniger. Ein boomender Markt, wenn man durch einschlägige Studien blättert, und es sollen künftig noch mehr Menschen werden, die in den Muckibuden das perfekte Sixpack trainieren. Eine gute Voraussetzung für das Geschäft der Inkassobüros also: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne.
Erich Poths von WHI Inkasso schätzt, dass ein säumiger Kunde seinem Studio durchschnittlich zwischen 400 und 800 Euro schuldet: Die Studios fordern nämlich meist nicht nur ausstehende Monatsgebühren sondern die Gebühren für die gesamte Vertragslaufzeit ein. Bei 1400 neuen Schuldner im Monat, die Poths und sein Team betreuen, kommen schon mal sechsstellige Forderungshöhen zusammen. Zwei Drittel der Schuldner zahlen in der Regel meist sofort, nachdem sie schriftlich oder per Telefon abgemahnt worden sind. Für die Inkassobüros springt dabei je nach Geschäftsmodell eine Gebühr heraus oder ein Erfolgshonorar. Das kann teuer für die Kunden werden, denn zusätzlich zu den Schulden müssen sie die Inkassogebühren zahlen.
Claudius Wölcken hat sich früh auf die Fitnessbranche spezialisiert, bereits 2001. „Damals ist der totale Fitnesshype ausgebrochen“, erzählt Wölcken, selbst ehemaliger Leistungssportler im Zehnkampf. Viele Inkassounternehmen witterten das große Geschäft, vor allem seit fünf Jahren merke er, wie immer mehr Inkassobüros auf den Markt drängen und ihm Konkurrenz machen. Sie seien sicher mit Schuld am schlechten Ruf der Zunft der Geldeintreiber. „Überhöhte Gebühren, Einschüchterungsversuche bei den Schuldnern: Die haben auch viel verbrannte Erde hinterlassen“, behauptet er.
Er sei da ganz anders und deutet auf einen Banner, den er über seinen Stand gespannt hat. „Motivationsinkasso“ steht dort in dicken Lettern. Was das bedeute? „Na, nicht jeder, der nicht zahlt, ist gleich ein Betrüger“, erklärt Wölcken. „Und sehen Sie, die Studios wollen diese Kunden doch nicht verlieren. Schließlich ist die Neuakquise viel aufwändiger als den Kunden zu halten.“ Und so sind die Mitarbeiter von Wölcken darauf getrimmt, erst einmal nachzuhorchen, warum ein Schuldner nicht zahlt, die Schuldner freundlich bitten zu zahlen, vielleicht auch mal die ein oder andere Träne zu trocknen, motivieren eben. Denn auch der härteste Muskelprotz will am Ende doch nur sanft behandelt werden.