Fifa Und wieder ein Schweizer – was vom neuen Fußballchef erwartet wird

Gianni Infantino setzte sich bei der Wahl zum Präsidenten des Weltfußballs durch und muss jetzt den Skandalverband komplett reformieren.

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Er ist die neue Nummer Eins im Weltfußball: Der schweizer Rechtsanwalt Gianni Infantino. Quelle: AP

Beim DFB in Frankfurt werden sie gerade hoch zufrieden sein – mit dem Schweizer Gianni Infantino hat sich vor wenigen Minuten der Favorit der Europäer bei der Wahl zum neuen Präsidenten des Weltfußballverbandes Fifa durchgesetzt. Infantino, der Generalsekretär des europäischen Verbandes Uefa, war eigentlich nur als Platzhalter für den Franzosen Michel Platini ins Rennen gegangen. Doch nachdem der gemeinsam mit dem Dauer-Präsidenten Sepp Blatter vom Fifa-Ethikkomitee aus dem Verkehr gezogen worden und am Ende für sechs Jahre gesperrt worden war, war der Mann mit der markanten Glatze der Mann der Europäer.

An Infantino ist es nun, die FIFA aus der tiefsten Krise ihrer 112-jährigen Geschichte zu führen. Immerhin: Der neue ist gerade mal 45 Jahre alt, keiner der alten grauen Männer aus dem Fifa-Sumpf und soweit man das überblicken kann persönlich noch nicht in die Nähe eines der vielen Skandale innerhalb der „Fußballfamilie“ gerückt worden. Mit dem am Vormittag verabschiedeten Reformpaket verfügt er zudem nun auch über eine Strategie, die – wenn er sie denn im Sinne der Kritiker mit Leben füllt – tatsächlich für einen Neuanfang beim Skandalverband führen könnte.

Ob das gelingt? Zweifel sind hier sicher eher angebracht als verfrühte Begeisterung. Und dazu hat nicht zuletzt auch Infantino selbst gehörig beigetragen. In seiner Bewerbungsansprache, die er etwas peinlich auftrumpfend in sechs Sprachen hielt, klangen Töne an, die Kritiker aufhorchen ließen: „Das Geld der Ffia gehört Ihnen", hatte der Jurist den 207 Delegierten zugerufen – und klang dabei schon fast wieder wie sein Landsmann Blatter. Denn es war nicht zuletzt auch dessen langjährige Taktik, die Fifa-Milliarden für zum Teil völlig absurde Fußballförderprogramme in benachteiligten Ländern auszureichen, bei denen das Geld meistens in den Taschen von Funktionären und weniger bei denen ankam, für die es in den Sonntagsreden angeblich doch bestimmt war. Im Gegenzug bekam Blatter das, was nun auch Infantino an die Spitze des Verbands führte: die Stimmen des Wahlvolks. Ob sich Infantino nun abkoppelt von dieser unseligen Tradition? Man wird genau hinsehen müssen.

Denn auch mit einem weiteren Wahlversprechen reiht sich der Schweizer ein in die üblichen Spielchen: Zu seinen Versprechen gehörte es, die Zahl der Teilnehmer bei der Weltmeisterschaft von derzeit 32 noch einmal weiter aufzublähen. Acht weitere Nationen sollen ihre besten Kicker zum Turnier schicken dürfen, das dann mit 40 Verbänden sportlich entwertet werden dürfte. Denn auch wenn es ja angeblich „keine kleinen Gegner“ mehr gibt im Weltfußball: In Wahrheit sind die Leistungsunterschiede zwischen den unterschiedlichen Verbänden noch immer groß, krasse Ergebnisse in einem aufgeblasenen Spielplan dürften die Folge sein.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Wahl von Infantino für die Fifa am Ende immerhin ein kleineres Übel darstellen dürfte. Hätte sich am Ende Scheich Salman bin Ibrahim al Chalifa aus Bahrain durchgesetzt – der Weltverband wäre postwendend in der Kritik von Menschenorganisationen gestanden. Diese werfen der Familie des Scheichs vor, an der Niederschlagung der Anti-Regierungsproteste in Bahrain beteiligt gewesen zu sein. In der Kritik stand er auch, nachdem zuletzt eine Vereinbarung der asiatischen Konföderation mit dem afrikanischen CAF über eine strategische Partnerschaft für Wirbel gesorgt hatte. Vor allem jedoch die Rolle des Scheichs bei den Protesten hatte auch unter den Fifa-Sponsoren für Unruhe gesorgt – keines der beteiligten Unternehmen hätte es sich leisten können, in eine solche Debatte hineingezogen zu werden.

Mit dem Reformpaket im Rücken muss Infantino nun zeigen, dass er den Willen und die Fähigkeiten besitzt, aus der Fifa etwas anderes zu machen als den Skandalverein, der bei Fußball-Fans weltweit verhasst ist. Im Paket enthalten sind etwa eine Gewaltenteilung, mehr Transparenz und Integrität, sowie eine Frauenquote, die nun in den Fifa-Statuten verankert werden. So wird die Macht vom zuvor allmächtigen Exekutivkomitee, das in eine Art Aufsichtsrat mit dann 36 statt bisher 24 Mitgliedern umgewandelt wird, hin zum Generalsekretariat wandern. Dort wird künftig das operative Geschäft mit den Milliarden-Deals abgewickelt. Infantino wird weit weniger Spielraum haben als sein Vorgänger Blatter.

Allerdings: Eine entscheidende Weiche kann er noch immer stellen: Den neuen Generalsekretär, der mit weitaus mehr Befugnissen ausgestattet sein wird als bisher, schlägt Infantino selbst vor. Auch an dieser Personalie wird sich ablesen lassen, ob sich der nächste Schweizer an der Fifa-Spitze einreiht in die Reihe seiner direkten Vorgänger Havelange und Blatter.

Oder ob Gianni Infantino der erste oberste Fußball-Boss sein wird, der bei der Eröffnung einer Weltmeisterschaft nicht vom ganzen Stadion ausgepfiffen wird. Sein Spiel, jetzt ist es angepfiffen.

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