Paketflut im Weihnachtsgeschäft Wie das eigene Wachstum für Paketdienste zum Fluch wird

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Lieferungen werden immer aufwändiger

Doch der Boom bei den Lieferungen aus dem Internet stürzt die Branche ins Dilemma. Denn mit der Zahl der Pakete stieg auch die Zahl der Empfänger. Während ihre Boten früher fünf Stücke auf einmal bei einem Unternehmen abgeben konnten, müssen sie nun für fünf Pakete fünf Adressen anfahren. Und im Gegensatz zu Betrieben oder den Arztpraxen am Erkrather Marktplatz sind die Empfänger in den Mietwohnungen und Einfamilienhäusern auch oft nicht anzutreffen. Das treibt die Kosten pro Paket. „Vor allem die Lieferungen in den ländlichen Raum sind für die Paketdienste teuer“, sagt der Unternehmensberater Horst Manner-Romberg.

Zusteller Ulbrecht hat Glück: Seine Tour ist eine gute Mischung. Morgens beliefert er die Geschäfte in der Fußgängerzone und einige eng zusammenstehende Mietshäuser, mit Aufzügen. Erst am Nachmittag zieht sich der Tag hin, wenn er seinen Laster von Auffahrt zu Auffahrt der Einfamilienhäuser in den Wohnsiedlungen steuern muss. Bis 16 Uhr kann er heute fertig werden, schätzt Ulbrecht. Ein Achtstundentag.

Seit drei Jahren arbeitet der 29-Jährige mit den rotblonden kurzen Haaren und dem Dreitagebart bei der Deutschen Post DHL. Er wird pro Stunde bezahlt. Das Einstiegsgehalt liegt bei knapp 14 Euro, der Durchschnittslohn laut DHL bei etwa 18 Euro.

Mit seinem Gehalt ist Ulbrecht eine Ausnahme in der Branche. Manche Paketboten kommen auf maximal drei oder vier Euro die Stunde. Denn sie sind nicht direkt bei den Paketdiensten angestellt, sondern bei Subunternehmern: DPD und GLS, eine Tochter der britischen Post, beschäftigen gar keine eigenen Fahrer. Auch bei UPS sind rund 40 Prozent der Zusteller bei Subunternehmern beschäftigt, berichtet die Gewerkschaft Verdi. Und die geben den Preisdruck oft an ihre Mitarbeiter weiter.

Für den Marktführer Deutsche Post DHL ist das ein Problem. „Unsere Löhne sind etwa zwei bis zweieinhalb Mal so hoch wie die der Wettbewerber“, klagt Post-Chef Frank Appel. Sein Ziel ist es, diese Lücke zu schließen. Die Lohnkosten der Konkurrenz sollen hoch – und die der Post runter, durch verschärfte Arbeitsbedingungen und niedrigeres Lohnniveau für neue Mitarbeiter. Zumindest der erste Teil der Rechnung scheint sich zu erfüllen: Der Mindestlohn zwingt die Branche, ihren Paketboten vom nächsten Jahr an mehr zu zahlen.

Doch beim Lohnkostensparen im eigenen Haus stößt die Post auf heftigen Widerstand der Gewerkschaft Verdi. Zum Nikolaustag demonstrierte diese ihre Macht: Am Vorabend rief Verdi die Beschäftigten in den Paketzentren zu Betriebsversammlungen, um über die steigende Zahl befristeter Arbeitsverträge zu diskutieren. Drei Stunden dauerten die Zusammenkünfte mitten in der Hochbetriebszeit. Rund 200 000 Sendungen kamen laut Unternehmensangaben deshalb nicht rechtzeitig zum Nikolaustag zu den Kunden.

Für Paketbote Ulbrecht beginnt die Hochsaison schon im Herbst. Dann bekommt er seinen Weihnachtsbezirk – mit weniger Straßen, aber dafür mehr Lieferungen. Im Wochentakt passt die Post die Touren an, damit die Zusteller ihre Mengen schaffen können.

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Ulbrecht hievt einen Weinkarton und stöhnt. „Das sind bestimmt 25 Kilogramm“, schätzt er. Drei Kartons bringt er der Empfängerin, jeder mit 18 Flaschen. Die Kundin hat vielleicht für ihre Angehörigen mit bestellt. Rund 10 000 Mitarbeiter hat der Konzern vorübergehend angeheuert, um die Socken, Ohrringe oder Spielzeuge unter die deutschen Tannenbäume zu bringen. „Ich glaube, wir schaffen dieses Jahr wieder einen neuen Paketrekord“, sagt Ulbrecht.

Die Macht von Online-Händlern wie Amazon oder Zalando verschärft den Druck auf die Paketdienste. „Das sind systemrelevante Kunden“, sagt Berater Manner-Romberg. Mittlerweile versenden Amazon und Co. so viel, dass die Sortierzentren von DHL oder Hermes an ihre Grenzen kommen.

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