Tourismus Kampf gegen die Enge

Weil die wachsende Zahl von Urlaubern immer mehr Reiseziele überfordert, ziehen immer mehr Orte die Notbremse gegen das Overtourism genannte Phänomen. Manche sperren Touristen gar den Zugang.

Amsterdam, NiederlandeKultururlauber, Studenten, Geschäftsreisende und reichlich Partytouristen – vor gut zwei Jahren wurde es den Bewohnern der Grachtenmetropole zu eng, zu laut und vor allem zu dreckig. Also begrenzte die Stadtverwaltung die Zahl der Touristenläden und der Vermietungen über Wohnungsportale wie Airbnb oder Booking.com, obwohl letztere ihre Weltzentrale an der Herengracht hat. Trotzdem wurde die Regierung abgewählt und die Nachfolger verboten nun im Zentrum neue Touri-Läden und Bierwagen komplett. Kurzzeitige Wohnungsvermietung begrenzte die grüne Administration erneut und stellten eine eigene Kontrolltruppe auf. Quelle: imago images
Barcelona, SpanienKataloniens Hauptstadt zeigte als erste die guten Seiten des Tourismus. Hier florierte die Wirtschaft, als im Rest Spaniens mit der Finanzkrise ab 2008 die Immobilienblase platzte. Doch die Stadt spürte auch als erste die Schattenseiten. Während die Bürger auf dem Hügel den Boom genossen, traf die Bewohner der Innenstadt und des strandnahen Arbeiterviertels Barceloneta die Schattenseiten in Form steigender Lebenshaltungskosten. Also wählten sie die radikale Ada Colau zur Bürgermeisterin und die begrenzte als erstes Stadtoberhaupt Europas die Wohnungsbörsen und Hotels. Nur gegen die Kreuzfahrtbranche ist sie machtlos. Denn der Hafen gehört der Zentralregierung. Und für die ist das Wohl der abtrünnigen Katalanen nicht so wichtig. Quelle: imago images
Boracay, Philippinen oder Maya Beach, Thailand Die Traumstände Ostasiens zogen schon immer Aussteiger an. Doch wie im vor Ort gedrehten Film The Beach mit Leonardo di Capri kippte die Idylle zuletzt ins alptraumhafte. Von Aussteigern aus dem Westen bis zu chinesischen Touristen bevölkerten immer mehr Urlauber die Strände und setzten der Natur mit Müll und Wasserverbrauch zu. So sehr, dass die Behörden nun mehrere Strände mit strengen Umweltauflagen regulierten. Als das nichts nützte, weil sich fast keiner an die Auflagen hielt, sperrten sie nun mehrere Strände komplett – erst einmal für ein halbes Jahr, damit sich die Natur von den Erholungsbedürftigen erholen kann. Quelle: imago images
Dubrovnik, KroatienDie Stadt an der Adria hat der Tourismus gleich zweimal gerettet. Einmal zum Ende des jugoslawischen Sozialismus, als es den Bewohnern besser ging als im Rest des Landes; dann erneut nach den Zerstörungen des Bürgerkriegs in den Neunzigerjahren. Dafür sorgten die mittelalterliche Altstadt und die mystisch-blutige Kultserie "Game of Thrones", die unter anderem hier gedreht wurde. Dann kam der Kreuzfahrtboom. Hier erlebte die Stadt zuerst die negativen Seiten, wenn mehrere Riesenpötte gleichzeitig ihre jeweils bis zu 5000 Passagiere abwarfen – und zeigte dann, wie Städte weltweit das Problem mildern können: Indem sie den Reedereien feste Zeiten vorgeben und gleichzeitig den Zugang zur Altstadt regulieren. Quelle: imago images
Kapstadt, SüdafrikaWasser war lange Zeit das große Plus der Hafenstadt am Tafelberg. Die schöne Küste und das – zumindest auf der Seite des indischen Ozeans – warme Meer, locken seit Jahren nicht zuletzt immer Pensionäre oder Wintermüde aus Deutschland an die Südspitze des afrikanischen Kontinents sowie in die naheliegenden Weinanbau-Gebiete. Nun ist Wasser eines der großen Probleme. Denn weil Bevölkerung und Tourismus wachsen, wird das Trinkwasser knapp und wird sowohl in Hotels als auch in Restaurants eingespart. Quelle: imago images
Machu Picchu, PeruDie abgelegene Inka-Stadt in Peru macht es Touristen nicht leicht. Wer sich keinen Helikopter leisten mag, kann sie nur durch eine längere Anreise inklusive einer strapaziösen Bahnfahrt erreichen. Der Besuch erfordert eine Übernachtung in einer landestypisch einfachen Unterkunft. Trotzdem zieht es jeden Tag bis zu 5000 Besucher in die dünne Luft, was das Ruinenplateau an seine Grenzen bringt. Also gibt es Tickets fast nur im Vorverkauf und im Schichtbetrieb. Wem das zu stressig ist, der kann alternativ auch ähnliche, wenn auch nicht ganz so erhabene Orte wie Choquequirao oder Ollantaytambo besuchen. Dort kann man in einer von den Inkas geplanten Stadt wohnen und in aller Ruhe noch intakte Häuser, Terrassen und Stadtmauern besichtigen. Quelle: imago images
Milford Track, NeuseelandWer wirklich mal aus allem raus will und sich wirklich frischer Luft und nicht wie Skandinavien den Stechmücken aussetzen will, der wandert in Neuseeland auf einem der neun Great Walks genannten Wanderwege. Weil das leider viel zu viele gestresste Großstädter wollen, sind die Wege bereits seit Jahren an schwer strapaziert. Darum wurde der wohl schönste Weg namens Milford Track beschränkt auf 90 Wanderer pro Tag im vom Wetter her einigermaßen stabilen europäischen Winter. Gleichzeitig wurden zuletzt auf sechs anderen der Great Walks die Preise angehoben. Für die gut 50 Kilometer lange Tour durch Berge, Sümpfe und Regenwälder im Stil vom Epos Herr der Ringe zahlen Ausländer nun umgerechnet 80 Euro. Quelle: imago images
Santorin, GriechenlandDas nach der heiligen Irene benannte Archipel in der Ägäis lockt mit seinen weißen Häusern und den spektakulären Sonnenuntergängen jedes Jahr mehr als zwei Millionen Besucher auf seine hohen Felsen. Für das größte Wachstum sorgen auch hier Besucher aus China, die den Drehort des Films Beijing Love Story und einen Ritt auf den Taxi-Eseln gern im Original erleben wollen. Doch obwohl die Insel fast ausschließlich vom Tourismus lebt, waren für Bürgermeister Nikos Zorzos am Ende die Probleme mit zu viel Müll und zu wenig Wasser zu drückend. Also hat er als ersten Schritt die Zahl der Kreuzfahrt-Urlauber beschränkt. Statt zuletzt bis zu 18.000 pro Tag sollen es künftig nur noch 8000 sein. Quelle: imago images
Agra/Taj Mahal, IndienDas große Grabmal, das Großmogul Shah Jahan zum Gedenken an seine im Jahre 1631 verstorbene große Liebe Mumtaz Mahal in nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh bauen ließ, zieht jährlich 6 Millionen Besucher aus aller Welt an – besonders in der Morgendämmerung. Zuviel, fand die lokale Regierung, und limitierte die Zahl der Besucher für das Prunkstück indo-islamischer Baukunst. So dürfen nun pro Tag nur noch 40.000 Einheimische die üppige Parkanlage um den rund einen Hektar großen Marmorbau besuchen. Für die devisenbringenden Touristen gibt es eine Grenze, aber sie zahlen inzwischen auch ein zigfaches des Eintrittspreises. Quelle: imago images
Venedig, ItalienWenn das Phänomen Overtourism in Barcelona für mehr Schlagzeilen sorgt als in Venedig, dann liegt das wahrscheinlich daran, dass die norditalienische Lagunen schon immer voll war – und seit 1970 bereits gut 100.000 der damals 370.000 Bewohner still weggezogen sind. Doch dafür sind inzwischen die Maßnahmen gegen die Flut der Reisen nun sichtbarer als anderswo. Vor wichtigen Sehenswürdigkeiten wie der Rialto-Brücke gibt es Drehkreuze mit Sonderrechten für Einwohner und Besucher, die länger bleiben wollen. Zudem dürfen sich der Stadt nur noch weniger und vor allem kleinere Kreuzfahrtschiffe nähern. Der Rest muss vor dem Festland ankern. Quelle: imago images
US-NationalparksMit drei Viertel der Grundfläche Deutschlands sollten die 417 Nationalparks der Vereinigten Staaten viele Besucher aushalten können. Doch tatsächlich steigt die Zahl der Besucher auf wahrscheinlich 350 Millionen in diesem Jahr. Und die verbringen jeweils laut offiziellen Statistiken immer mehr Zeit in den Parks. Dazu will bei allen Sehenswürdigkeiten die überwiegende Mehrheit vor allem rund ein Dutzend sehen, wie den Great Smoky Mountains National Park in North Carolina und Tennessee oder die steilen roten Felsen in Zion, Utah. Doch selbst um kleinere Attraktionen wie den Felsenpool Devils Bathtub in South Dakota stauen sich die Besucher. Darum haben Verwaltungen die Preise teilweise verdoppelt auf bis zu 30 Dollar für den Mehrtages-Pass. Quelle: imago images
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