RWE bleibt auf Talfahrt. In den ersten neun Monaten 2015 sackte der betriebliche Gewinn der zweitgrößten deutsche Energiekonzerns um knapp neun Prozent auf 2,6 Milliarden Euro ab, wie RWE am Donnerstag in Essen mitteilte. Hauptgrund ist der Verfall der Strompreise im Großhandel. Deshalb verdienen die Großkraftwerke immer weniger.
Unter dem Strich stand bei RWE allerdings ein kräftiger Gewinnanstieg von 95 Prozent auf knapp zwei Milliarden Euro. Dabei macht sich der Sondergewinn aus dem milliardenschweren Verkauf der Öl- und Gasfördertochter Dea im ersten Quartal bemerkbar. An der Prognose hielt der Vorstand fest. RWE schränkte allerdings ein, dass die Vorgabe – ein Nettoergebnis von 1,1 bis 1,3 Milliarden Euro – eventuell nur knapp erreicht werde.
Konkurrent Eon hatte am Mittwoch einen Rekordverlust ausgewiesen. Unter dem Strich summierte sich der Verlust auf 5,7 Milliarden Euro. Eon hatte Wertberichtigungen von 8,3 Milliarden Euro vorgenommen. Um die Sondereffekte bereinigt lag der Überschuss zwar auch um 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau, aber immerhin noch mit 960 Millionen Euro im Plus. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sank um 18 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro.
Anders als Eon, verzichtete RWE auf weitere Abschreibungen auf seine Kraftwerke. Dabei kämpfen RWE und Eon mit dem selben Problem. Beiden Unternehmen brechen die Gewinne im bisherigen Kerngeschäft, dem Betrieb großer Kraftwerke im Rekordtempo weg. Die Kohle- und Gasanlagen werden zunehmend von Wind- und Solarenergie aus dem Markt gedrängt, die Vorrang im Netz genießen. Der Strompreis, den die Konzerne an der Börse erzielen können, ist dramatisch gesunken.
Aktuell kostet am Terminmarkt der Leipziger Strombörse EEX eine Megawattstunde, die im kommenden Jahr geliefert wird, nicht einmal mehr 29 Euro. Vor vier Jahren, bevor die Reaktorkatastrophe von Fukushima die Energiewelt veränderte, war es noch mehr als das Doppelte. Für die kommenden Jahre sind die Aussichten nicht besser. Deshalb hat Eon den Wert seiner Kraftwerke radikal abgewertet. In Branchenkreisen wird erwartet, das RWE das auch bevor steht.
Noch reagieren die Energieriesen mit unterschiedlichen Strategien auf die Krise. Eon-Chef Johannes Teyssen spaltet zum Jahreswechsel seinen Konzern auf. Eon wird sich dann auf das Geschäft mit der Energiewende kümmern, die Kraftwerke übernimmt die neue Gesellschaft Uniper. RWE-Chef Peter Terium hat zwar im Sommer auch eine neue Struktur beschlossen. Die Zentrale in Essen wird den Konzern ebenfalls stärker auf die neuen Geschäftsfelder ausgerichtet und die Kraftwerksgesellschaft RWE Generation wird weitgehend selbstständig arbeiten.
Terium hält sich eine spätere Trennung auch ausdrücklich vor. Noch schreckt er von dem Schritt aber zurück.
Gerangel mit Steag um Stilllegung eines Kraftwerks
RWE kämpft aber auch mit hausgemachten Problemen. Im Sommer überraschte RWE mit Schwierigkeiten in Großbritannien. Dort kämpft der Konzern mit Misswirtschaft im Vertrieb. Der Energieriese hat jetzt Berater beauftragt, bei der Lösung der Probleme zu helfen. Das dürfte aber noch bis 2017 dauern.
Deutschlands Energieriesen im Vergleich
Mit über 122 Milliarden Euro Umsatz und weltweiten Kapazitäten zur Stromerzeugung von 61 Gigawatt im Jahr 2013 ist Eon Deutschlands größter Energiekonzern. Doch den Düsseldorfern machen die Folgen der Energiewende zu schaffen. Das klassische Stromgeschäft wirft wegen des wachsenden Anteils von Sonnen- und Windenergie immer weniger Geld ab. Zudem häufte Eon durch seine Expansion einen Schuldenberg von 31 Milliarden Euro an. Ende 2013 hatte der Konzern 62.200 Mitarbeiter.
Die Gewinne des zweitgrößten deutschen Versorgers sind wegen des niedrigen Börsenstrompreises 2014 rapide geschrumpft. Das betriebliche Ergebnis sank auf 4 Milliarden Euro und lag 25 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der Außenumsatz des Konzerns ging von 52,4 auf 48,5 Milliarden Euro zurück. Die Nettoverschuldung von RWE bewegte sich 2014 mit 31 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau. Ende 2014 beschäftigten die Essener weltweit knapp 59.800 Mitarbeiter.
Die Nummer drei der Branche will zum Treiber der Energiewende werden. Ende 2013 erzeugte EnBW knapp 20 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien wie Wind, Wasser, Sonne und Biomasse. Bis 2020 soll der Anteil 40 Prozent betragen. Die Karlsruher haben rund 20.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von über 20 Milliarden Euro. Unrentable Kraftwerke und niedrige Strompreise sorgten unter dem Strich in den ersten neun Monaten 2014 für ein Minus von über 770 Millionen Euro.
Fallende Preise machten dem schwedischen Konzern 2014 zu schaffen. Der Umsatz sank auf 166 Milliarden Kronen (18 Milliarden Euro). Auch das bereinigte Betriebsergebnis von 2,6 Milliarden Euro fiel geringer aus - teils wegen Rücklagen für den deutschen Atomausstieg. 2015 will das Staatsunternehmen aus Stockholm mit 30.200 Mitarbeitern einen strikten Sparkurs fahren. In Deutschland erwägt Vattenfall einen Verkauf seiner Braunkohle-Sparte in Brandenburg und Sachsen.
Und in Deutschland ist RWE mit einem pikanten Rechtsstreit konfrontiert. Stromproduzent Steag hat sich beim Bundeskartellamt beklagt. Es geht um das gemeinsame Kraftwerk Voerde, das RWE gegen den Willen von Steag stilllegen will. „Wir haben in der Tat aktuell einen Rechtsstreit mit RWE um das Kraftwerk Voerde“, bestätigte eine Steag-Sprecherin entsprechende Informationen des Handelsblatts.
RWE hatte Steag Ende September ein „Stilllegungsverlangen“ geschickt. Dabei gehören die zwei betroffenen Blöcke A und B gar nicht RWE, sondern nur zu 25 Prozent. 75 Prozent sind im Eigentum von des Steag-Konzerns, der auch Betriebsführer ist. RWE beruft sich aber auf eine Klausel aus dem Jahr 1975, die dem Unternehmen das Kündigungsrecht einräumte.
„Seitdem hat sich die Energiewelt grundlegend verändert“, hielt die Steag-Sprecherin entgegen, „wir werden das so nicht hinnehmen – und haben uns deshalb an das Bundeskartellamt gewandt.“ Steag wirft in der Beschwerde RWE vor, den eigenen Kraftwerken durch die Stilllegung einen Vorteil verschaffen zu wollen.
RWE bestätigte, die Klausel fristgerecht gezogen zu haben. Eine Sprecherin betonte aber, dass der Konzern an einer „konstruktiven Lösung“ interessiert sei.