Exklusiv-Interview Thumann: „Wir haben das Zeug zur Spitzenstellung“

Jürgen Thumann, ab 1. Januar 2005 neuer Präsident des BDI, gibt exklusiv der WirtschaftsWoche sein erstes großes Interview.

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Herr Thumann, Sie gelten als Mann der leisen Töne. Werden Sie beim BDI den „Piano-Präsidenten“ spielen, wie eine Zeitung mutmaßt? Das wird man sehen. Wenn ich Klavier spiele, liebe ich durchaus die leisen, aber dennoch klaren Töne. Und meine Argumente muss ich ja nicht unbedingt laut vortragen, um verstanden zu werden. Ihr Amtsvorgänger Michael Rogowski liebt eher die lauten Töne. Auf der China-Reise des Bundeskanzlers hat er erklärt, er sei von CSU-Chef Edmund Stoiber „tief enttäuscht“, dagegen sei Gerhard Schröder bei der Wirtschaft „sehr beliebt“. Wie sehen Sie das? Natürlich hat der Bundeskanzler mit der Agenda 2010 einiges im Sinne der Wirtschaft getan, was wir alle begrüßen. Für mich sind das aber nur einige Schrittchen in die richtige Richtung, denen weitere und dann bitte größere Schritte folgen müssen. Übrigens: Das sehe ich genau so wie Herr Rogowski. SPD-Chef Franz Müntefering will nun das Reformtempo drosseln. Das wäre grundverkehrt. Für unsere Unternehmen wäre eine Reformpause bis zur Bundestagswahl 2006 ein herber Rückschlag. Viele Betriebe würden dadurch in die Pleite getrieben, das würde viele Tausend Arbeitsplätze kosten. Erfüllt denn die Opposition Ihre Reformerwartung, etwa beim Gesundheitskompromiss? Natürlich erwarte ich auch von der Opposition überzeugende Konzepte. Aber ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, die Regierung und deren Programme zu prüfen und sie zum Handeln anzutreiben. Was müsste die Bundesregierung denn jetzt anpacken? Was einen mittelständischen Unternehmer am meisten bedrückt und davon abhält, neue Mitarbeiter einzustellen, sind die hohen Lohnnebenkosten. Ich glaube, dass auch die Bevölkerung verstanden hat, dass wir allein schon auf Grund der demografischen Entwicklung unsere sozialen Sicherungssysteme reformieren müssen, um die erdrückenden Lohnnebenkosten zu senken. Jeder muss nach seinem persönlichen Ver-amögen und Können selbst Verantwortung übernehmen – in allen Lebenslagen. Was heißt das konkret? Zum Beispiel, dass das Niveau der gesetzlichen Rente auf Dauer wohl nur noch eine Grundversorgung bieten wird. Für die Sicherung eines höheren Lebensstandards im Alter muss dann jeder Einzelne auch selbst vorsorgen, außerhalb des staatlichen Solidarsystems. Das zweite Thema, das gerade dem Mittelstand wichtig ist, betrifft das Arbeitsrecht. Beim Kündigungsschutz ist die CDU mit ihrem Beschluss auf dem Parteitag Anfang Dezember einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Bei Neueinstellungen soll der Kündigungsschutz also erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 20 Beschäftigten gelten? Ja. Der dritte Punkt, den ich als BDI-Präsident in den Vordergrund rücken möchte, sind die ertragsabhängigen Steuern. Wir müssen in Deutschland dahin kommen, dass die Ertragssteuerbelastung auf 30 Prozent, besser noch 25 Prozent reduziert wird. Die Gewerbesteuer gehört ersetzt durch eine Integration in die Ertragsbesteuerung. Und bei der Erbschaftsteuer sollten wir das Modell aufgreifen, demzufolge dem Erben für jedes Jahr der Weiterführung des Betriebes nach der Übernahme zehn Prozent Erbschaftsteuer erlassen werden.

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