Fotomarkt Kodak müht sich um sein Zukunfts-Bild

Der amerikanische Konzern Kodak beherrschte Jahrzehnte den weltweiten Markt für Fotokameras und -filme. Dann kamen die Digitalkameras. Seitdem strauchelt der Konzern. Trotz einer radikalen Schrumpfkur steckt Kodak noch immer in den roten Zahlen. Wie Kodak-Chef Antonio Perez die Wende schaffen will.

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Kodak-Produkte in einem Quelle: dapd

In der vergangenen Woche gab Antonio Perez  wieder den Optimisten, wie eigentlich immer in den vergangenen Jahren: Ein gerüttelt Maß an Zuversicht zu verbreiten gehört zum Standardrepertoire des Chefs von Eastman Kodak.  Diesmal hatte der in Spanien aufgewachsene Amerikaner endlich einmal tendenziell bessere Nachrichten zu verkünden. Kodak schrieb im dritten Quartal geringere Verluste als erwartet.

Doch die von ihm immer wieder angekündigte neue Stärke  der einstigen Weltmarke ist das noch nicht. „Kodak wird die Spielregeln neu definieren“, tönte Perez vor etwas mehr als einem Jahr in einem Interview mit dem Handelsblatt. Doch davon ist der Konzern, dessen Fotofilme einst in jedem Winkel der Erde erhältlich waren, noch immer weit entfernt. Der Aktienkurs seines Unternehmens sei „lächerlich niedrig“, beschwerte sich Perez vor zwei Jahren in einem Interview mit der WirtschaftsWoche. Seither ist der Kodak-Aktienkurs von rund 12 auf 4,7 Dollar abgesackt.

Perez kämpft seit Jahren damit, Kodaks einst höchst lukratives Geschäftsmodell, den Verkauf von Filmen und Kameras, an das Zeitalter der Digitalfotografie anzupassen. Doch der Glanz des einstigen Riesen ist verblasst wie eine alte Fotografie, die zu lange im Sonnenlicht hing: Kodak hat wichtige Entwicklungen verschlafen und vor allem die Geschwindigkeit unterschätzt, mit der sein Stammgeschäft mit analogen Filmen und Fotoapperaten zusammengebrochen ist. Der Konzern tut sich schwer, verlorenes Terrain wieder gutzumachen - anders als sein Konkurrent Fujifilm, der die Umwälzungen in der Fotografie ziemlich geschickt bewältigt hat. Die Japaner setzten früh auf einstige Nischen wie die Medizintechnik oder die Dokumentenverwaltung, kauften  gezielt Firmen zu - und machten sich so vergleichsweise unabhängig vom beängstigend schnellen Niedergang der Analogfotografie.

Immerhin, im dritten Quartal 2010 konnte Kodak seinen Verlust auf 43 Millionen Dollar reduzieren. Im Vorjahreszeitraum stand noch ein Minus von 111 Millionen Dollar in den Büchern. Das Kerngeschäft, digitale Bilder, hat mit Umsätzen von 670 Millionen Dollar im dritten Quartal rund 25 Prozent mehr erlöst als noch im Jahr zuvor. Auch das  Lizenzgeschäft läuft etwas besser. Ein langfristiger Turnaround ist das aber noch nicht.

Radikale Schrumpfkur

Kodaks Geschichte in der letzten Dekade ist eine lange Abwärtsspirale.  Über 80.000 Mitarbeiter weltweit hatte der US-Konzern noch im Jahr 2000, heute sind es etwas über 20.000. Am Stammsitz des Unternehmens in Rochester im Bundesstaat New York.  arbeiteten einst 60.000 Menschen für Kodak. Heute sind es nur noch rund  10.000. Der Konzernumsatz hat sich in der letzten Dekade beinahe halbiert: 14 Milliarden Dollar setzte Kodak im Jahr 2000 um. Nur noch knapp acht Millliarden Dollar  waren es im Jahr 2009. Mehr als die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftete  Kodak damals noch mit Filmen, Fotoausarbeitung und sonstigen Dienstleistungen für Amateure. Noch rund zwei Milliarden Dollar hat Kodak im letzten Jahr mit traditionellen Filmen und deren Ausarbeitung umgesetzt – wobei in der letzten Bilanz auch die Profi-Bereiche Kinofilm und TV-Produktion in dieses Segment eingerechnet wurden. Seit dem Jahr 2004 hat der Konzern nur ein einziges Mal einen Jahresgewinn vorgelegt.

Um sich neu zu erfinden, gab Kodak vor vier Jahren sogar  sein prägnantes Logo hat auf.  Statt des prägnanten roten Ks auf gelbem Hintergrund, das bis weit in die 1990er-Jahre jeder Fotoamateur kannte, präsentiert sich Kodak heute mit einem roten Schriftzug.

Digitalzeitalter zu spät erkannt

„Sie drücken den Knopf, wir machen den Rest“, versprach George Eastman , als er das Unternehmen 1888 gründete. Eastman verfolgte einen typisch amerikanischen Ansatz: Mit Hilfe einfach zu bedienender Kameras wollte er die Fotografie von der Spezialisten-Beschäftigung zum Massenhobby machen. Das gelang ihm mit Apparaten wie der Volkskamera „Brownie“, die Kodak 1900 um einen Dollar verkaufte, der Film dazu kostete 15 Cent. 1935 brachte Kodak seinen Kodachrome-Diafilm für Amateure auf den Markt – ein jahrzehntelanger Bestseller. Bei der ab 1963 verkauften Instamatic-Kamera mussten die Benutzer nur noch eine Filmkassette einlegen. Auf die Spitze trieb Kodak sein Gebot der Einfachheit aber mit der Wegwerfkamera in den 1980er-Jahren, die nur für einen Film gebraucht werden konnte. In seinen besten Jahren hielt Kodak einen Weltmarktanteil von 90 Prozent bei Fotofilmen, fuhr jedes Jahr Milliardengewinne ein und wurde wohl auch dadurch träge.

Anfang der 1980er- Jahre fing der Ärger an: Der japanische Fuji-Konzern begann, Marktanteile in Kodaks Heimatmarkt, den USA zu erobern. Doch so richtig bergab ging es mit Kodak erst, als Ende der 1990er-Jahre der Siegeszug der Digitalkameras begann. Und das, obwohl ein Kodak-Angestellter, der Ingenieur Steven Sasson, im Jahr 1975 als erster ein digitales Bild aufnahm – und auf Tonbandkassette abspeicherte. Doch Kodak wollte sich mit der Erfindung nicht das  eigene Geschäft gefährden, sagt ein Ex-Kodakmanager gegenüber wiwo.de. „Das wurde weiter entwickelt, aber nicht weiter gefördert.“

Heute stellt Kodak zwar Digitalkameras her und hält zahlreiche Patente, was die Verarbeitung von digitalen Fotos betrifft. Doch Konkurrenten wie Canon, Sony oder Panasonic haben den US-Riesen längst überholt. Vor fünf Jahren war Kodak noch weltweit der drittgrößte Hersteller von Digitalkameras mit einem Marktanteil von 14,1 Prozent, zeigen Zahlen des Marktforschungsunternehmens IDC. Im vergangenen Jahr fiel Kodak mit nur mehr knapp neun Prozent Marktanteil auf Platz fünf zurück. „Kodak gab in analogen Zeiten Millionen für Werbung aus. Bei digitalen Produkten glaubte der Konzern, dass die Marke von selbst zieht. Das war ein Fehler“, analysiert ein Branchenexperte.

Konkurrent Fujifilm setzte früh auf neue Bereiche

Das Geschäft mit den Digitalknipsen ist zwar wegen der hohen Konkurrenz margenschwach, hat aber eine wichtige Funktion: „Digitalkameras sind für das Image wichtig, weil wir sonst mit Consumer-Produkten nicht mehr so stark vertreten sind“, meint Petra Fujiwara, Deutschland-Pressesprecherin von Kodaks Erzkonkurrenten Fujifilm. Denn auch Fujifilm traf das Wegbrechen des Filmgeschäfts hart.  Bereits zu Anfang des Jahrtausends zeichnete sich ab, dass die Zukunft der Fotografie digital sein würde. Doch während Kodak weiterhin daran glaubte, dass sich der traditionelle Film noch ein paar Jahre halten würde, reagierten die Japaner deutlich schneller.  Anders als frühere Film-Größen wie Agfa oder Ilford hat Fujifilm die Umwälzungen gut überlebt. „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt, dass wir nicht nur von einem Bereich abhängig sein sollten“, sagt Fujiwara. „Wir sind heute viel breiter aufgestellt.“

Fujifilm definierte bereits Anfang dieses Jahrtausends sechs strategische Wachstumsbereiche, darunter Medizinische Systeme, grafische Systeme, optische Geräte und Funktionsmaterialien. Als die Erlöse aus dem Verkauf von Filmen noch sprudelten, begann Fujifilm gezielt Unternehmen zuzukaufen -  etwa im Medizintechnik-Bereich. Kodak hingegen hat seine Medizinsparte im Jahr 2007 für 2,35 Milliarden Dollar verkauft, um Schulden abzubauen.

Heute macht der Bereich Digitalkameras, Fotopapiere, Film und Chemikalien bei Fujifilm gerade noch 16 Prozent des Konzernumsatzes von insgesamt 16,7 Milliarden Euro aus. Rund 40 Prozent entfallen heute auf den Bereich Informationslösungen. Zu diesem Bereich zählen Systeme für digitale Röntgenaufnahmen ebenso wie der Bau von Linsen für Handy-Kameras, bei denen Fujifilm laut Eigenangaben 50 bis 60 Prozent der Weltnachfrage abdeckt. 43 Prozent seiner Umsätze macht der Konzern heute mit Bürogeräten wie Druckern und Scannern und den dazugehörigen Dienstleistungen.

Wegen der Wirtschaftskrise und Restrukturierungskosten  schrieb Fujifilm zwar im vergangenen Geschäftsjahr, das am 31.März endete, einen Verlust von 302 Millionen Euro. Doch das war der erste Nettoverlust seit Jahren. Während Kodak seine Mitarbeiterzahl drastisch reduzierte, verdoppelte Fuji die Zahl seiner Angestellten in den letzten zehn Jahren auf nunmehr rund 80.000. „Wir haben es geschafft, zu diversifizieren. Deshalb stehen wir heute viel gesünder da“, sagt Fujifilm-Sprecherin Fujiwara. „Wir können Kodak nur raten, langfristiger zu denken und zu investieren.“

Neue Hoffnung mit Fotodruckern

Kodak-Fotokiosk: Mehr als Quelle: dapd

Kodak-Chef Perez kennt die  Schwächen seines Konzerns und versucht deshalb in Bereiche einzudringen, in  denen sich die Amerikaner zumindest mittelfristig Wachstum versprechen. Bei den Konsumenten versucht Kodak seit einiger Zeit mit neuen Easyshare-Fotodruckern zu punkten – ein Lieblingsprojekt von  Perez, der 25 Jahre lang bei dem Druckerhersteller Hewlett-Packard arbeitete. Die Kodak-Drucker sind zwar teurer als vergleichbare Produkte von HP & Co, die Tintenkosten liegen aber bei der Hälfte der Konkurrenz, verspricht Kodak. Langsam kommt das Geschäft auf Touren: Im dritten Quartal dieses Jahres stiegen die Umsätze mit Druckern und Tinten um 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Ansatzpunkt mit der billigeren Tinte sei gut, analysiert ein Experte gegenüber wiwo.de. Doch dem Verbraucher sei  es schwerer zu erklären, warum er am Anfang mehr Geld ausgeben solle, um über eine Zeitspanne von mehreren Jahren Geld zu sparen.

Mit einer neuen Werbekampagne, die in den USA auf Hip-Hop-Stars setzt, versucht sich Kodak nun als jünger und trendy zu positionieren. Traditionell zielen Kodaks Werbungen auf junge Mütter, die mit den Kodak-Kameras die schönsten Momente ihrer Kinder festhalten sollen. Doch ob der Konzern dabei einen langen Atem beweist, muss sich noch zeigen. „In der Vergangenheit hatte Kodak viele gute Ideen, aber nicht den langen Atem, das im Markt durchzuziehen“, meint ein Branchenkenner. Unterhaltungselektronik-Konzerne wie Panasonic oder Sony hätten viel Geld in Werbung investiert und sich so durchgesetzt. Bei Kodak fehlte in den letzten Jahren das Geld dafür.

Geld scheffeln mit Patentrechten

Im Reich von Kodak gibt es noch einige Bereiche, die gut laufen: Die Fotokioske zum Ausdrucken digitaler Bilder etwa, die heute in Supermärkten, Drogerien und Kaufhäusern stehen, bescheren dem Konzern solide Umsätze. Bei Filmmaterial für Kinofilme ist Kodak weiterhin führend. Allerdings setzt auch die Filmindustrie immer stärker auf die Digitalisierung und stattet Kinos mit digitalen Projektoren aus.

Nach seinem jahrelangen Schrumpfungs- und Selbstfindungsprozess konzentriert sich der Konzern nun auf drei Kernbereiche: Digitale Fotografie und Dienstleistungen für Privatkunden, Druckmaschinen für Firmen, und Filme und Ausrüstung für industrielle Kunden wie Filmstudios. Rund siebzig Prozent der Konzernumsätze stammen nun von digitalen Anwendungen – vor fünf Jahren war es vor allem analoger Film, sagte Perez Anfang des Jahres. Seine Patente rund um das Handling von digitalen Inhalten schlachtet Kodak nun aggressiv und gezielt aus: Der US-Konzern hat Sony Ericsson, Apple und Blackberry wegen Patentverletzungen bei Bild-Vorschauen und Bildverarbeitungsvorgängen verklagt. Gegen Samsung und LG hat Kodak Rechtsstreitigkeiten gewonnen – und von ihnen seit 2009 insgesamt 950 Millionen Dollar kassiert.

Das Ausschlachten der Patente mag eine gute Brückenstrategie sein, um das Unternehmen  mit Liquidität zu versorgen. Doch nachaltiges Wachsumt lässt sich so nicht erzielen.

Noch immer sei der Konzern zu wenig diversifiziert, mäkeln Branchenkenner. Und ob sich ausgerechnet im hart umkämpften Druckermarkt schnelles Wachstum erzielen lässt, bezweifeln sie ebenfalls. Für Kodak-Chef Perez bleiben die Zeiten hart.

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