Die führenden deutschen Brauereien werden ab dem Frühjahr auf deutlich steigende Kosten reagieren und die Preise für viele Marken erhöhen. Deutschlands größte Brauereigruppe Radeberger, die zum Oetker-Konzern in Bielefeld gehört, begründete den Schritt mit „massiven Umsatz- und Ertragsverlusten in den 18 Monaten der Pandemie“ und „massiven Kostensteigerungen für Energie, Logistik, Leergut sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen“. Diese Kostenerhöhungen ließen sich nicht mehr über reine Effizienzsteigerungen ausgleichen. Daher müssten die Abgabepreise erhöht werden.
Mehrere Preiswellen
Radeberger preschte vor einigen Wochen vor und dreht als erster großer Brauer an der Preisschraube. Andere zogen rasch nach. Radeberger will erst im Februar mit den Preisanhebungen beginnen. Die Preise für den Einzelhandel sollen sogar erst im Mai steigen. Auch ein Veltins-Sprecher verwies darauf, dass allein im Energiebereich die Kosten in den vergangenen drei Jahren um über 150 Prozent gestiegen seien. Das sei nicht mehr aufzufangen. Die geplante Preiserhöhung gelte deshalb für die Gastronomie ebenso wie für den Einzelhandel. Krombacher wiederum verwies darauf, dass die letzte große Preisanpassung immerhin drei Jahre zurückliege. Krombacher und Veltins wollen Anfang April mit den Preiserhöhungen beginnen.
Zuletzt kündigte auch die Bitburger-Gruppe Preissteigerungen an. Die Brauer aus der Eifel wollen jedoch erst im Mai die Preise anheben. Vor allem betroffen sein sollen die Fass- und Flaschenbierpreise der Hauptmarke Bitburger, die um rund sechs bis sieben Prozent steigen sollen. Weitere zum Konzern gehörende Marken wie König Pilsener, Licher und Benediktiner Weißbier sollen zunächst von den Preiserhöhungen verschont bleiben. Während Benediktiner Weißbier schon jetzt zu den teuersten Marken der Sorte gehört, dürfte bei Licher und König der Grund eher in der schwachen Marktposition liegen. Verbraucher könnten angesichts höherer Preise die Marken schlichtweg stehen lassen. Ähnliches vermuten Insider auch bei der Marke Warsteiner.
Warsteiner hält die Füße still
Denn als einzige namhafte Braugruppe halten sich die Sauerländer bisher bedeckt. Im Exklusiv-Interview mit der WirtschaftsWoche sagte Warsteiner-Chef Helmut Hörz vor zwei Wochen, er werde sich zu Preiserhöhungen nicht äußern, nicht mal eine Tendenz geben. „Dass könnte in der heutigen Zeit schon von aufmerksamen Kartellwächtern als abgesprochenes Preisverhalten mittels Medien ausgelegt werden. Die Bierbranche ist ein gebranntes Kind“, sagte Hörz.
Dennoch ist auch Warsteiner von den steigenden Kosten betroffen. „Wir arbeiten zwar an Gegenmaßnahmen, aber die Auswüchse bei den Strom- und Gaskosten können wir schlicht nicht mehr auffangen“, so Hörz. Hinzu kämen die Preise für Holzpaletten, die astronomisch in die Höhe gegangen seien, und die Kosten für Container nach Übersee, die um das Acht- bis Zehnfache gestiegen seien. „Mal ganz zu schweigen von ebenfalls steigenden Preisen für Malz, Hopfen, Kästen und Verpackungsmaterial. Ich bin sicher, dass die Preise bei den Lebensmittelherstellern im kommenden Jahr dramatisch steigen werden. Da wird sich auch der Lebensmittelhandel nicht aus der Verantwortung stehlen können.“
Bis zu 50 Cent mehr für das Glas Bier
Nach Schätzungen des Branchendienstes „GetränkeNews“ dürften die angekündigten Preiserhöhungen das Glas Bier in der Kneipe zwischen 30 und 50 Cent verteuern. Der Preis für Kastenware werde im Handel voraussichtlich um einen Euro steigen. Erfahrungen aus früheren Preisrunden zeigen, dass nach den großen, bundesweit agierenden Konzernen sich auch die regionalen Hersteller von Kölsch, Weißbier und Hellem aus der Deckung trauen und auf breiter Front nachziehen. Daher dürfte Bier spätestens im Sommer kommenden Jahres flächendeckend teurer werden.
Neben den ausufernden Strom- und Rohstoffkosten, gibt es für die Brauer weitere Gründe für die Preiserhöhungen. So sei seit Beginn der Corona-Pandemie auf dem Markt ein deutlicher Preisverfall eingetreten. Denn die Händler hätten Rotstift-Angebote für Bier genutzt, um die Kunden auch in der Pandemie in die Läden zu locken. Der Aktionspreis für den Kasten Premium-Pils befindet sich längst wieder an der 10-Euro-Schwelle. Damit kostet Bier heute kaum mehr als zu D-Mark-Zeiten, als der Kasten im Sonderangebot für 19,99 Mark verramscht wurde.
Hinzu kommt: In Deutschland tranken die Menschen in der Corona-Krise so wenig Bier wie noch nie seit der Wiedervereinigung. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres sank der Absatz im Inland um fast fünf Prozent auf den Tiefstwert von 3,3 Milliarden Liter gefallen, berichtete das Statistische Bundesamt im Sommer. Der Brauwirtschaft fehlte vor allem das Geschäft in der Gastronomie und auf den vielen Großveranstaltungen. Einziger Lichtblick war der Verkauf von Flaschenbier im Einzelhandel, von dem aber nur wenige große Brauereien profitierten.
Mehr zum Thema: Warsteiner war in den Neunzigerjahren die größte Biermarke Deutschlands. Danach folgte ein beispielloser Abstieg. Inhaberin Catharina Cramer hat nun den Sanierungsexperten Helmut Hörz ins Unternehmen geholt. Der neue Chef will die Brauerei neu ausrichten – und in China groß rauskommen.