




Für den schwäbischen mittelständischen Schokoladenproduzenten Ritter gibt es gleich zwei gute Nachrichten: Zum einen steht Weihnachten vor der Tür, und an Weihnachten wird am meisten Schokolade gegessen. Zum anderen, und das dürfte noch etwas wichtiger sein: Ritter Sport ist wieder die beliebteste Schokoladen-Marke in Deutschland. Das zeigt der YouGov-Markenmonitor BrandIndex.
Eigentlich war das auch im Jahr 2013 schon so – bis die Stiftung Warentest der Marke Ritter Sport bescheinigte, die Inhaltsstoffe nicht korrekt zu deklarieren. Es ging um die Frage, ob das zugesetzte Piperonal ein natürlicher Aromastoff ist oder nicht. Stiftung Warentest stufte es als künstlich ein und bewertete die Ritter-Sport-Nuss-Schokolade deshalb mit „mangelhaft“.
Ritter Sport: Aroma oder natürliches Aroma?
Meist sind es Aroma, natürliches Aroma oder Extrakt, die den Geschmack ausmachen. Für den Verbraucher ist es schwer, sich in diesem Begriffs-Dschungel auf der Verpackung zurechtzufinden. Der Rechtsstreit um ein angebliches chemisches Vanillearoma in der Voll-Nuss-Schokolade von Ritter Sport zeigt, dass Verbraucherschützer peinlich genau auf die richtige Kennzeichnung achten. Unterschieden wird vor allem zwischen „Aromen“ und „natürlichen Aromen“.
Steht allein „Aroma“ oder „Aromastoff“ auf der Verpackung, wurde dem Lebensmittel eine im Labor chemisch hergestellte Substanz zugefügt. Die früher in Deutschland geltende Unterscheidung in „künstlich“ und „naturidentisch“ gibt es nicht mehr. „Künstlich“ war ein chemisch hergestelltes Aroma. Als „naturidentisch“ durfte ein Aroma bezeichnet werden, wenn eine in der Natur vorkommende Substanz lebensmittelchemisch hergestellt wird. Der Begriff „naturidentisch“ war von Verbraucherschützern als Täuschung kritisiert worden.
Eine weitere Variante zur Aromengewinnung ist die Extraktion eines Stoffes, etwa mithilfe von Wasser oder Alkohol. Vanilleextrakt zum Bespiel wird mithilfe von Alkohol aus der Vanilleschote herausgezogen.
Die Stiftung Warentest hat die Ritter-Sport-Schokolade Voll-Nuss als mangelhaft bewertet. Sie bemängelte unter anderem, dass ein chemisch hergestellter Stoff als „natürliches Aroma“ deklariert worden sei und nicht als „Aroma“. Es handelt sich um den Stoff Piperonal mit Vanille- und Mandelgeruch, der natürlich unter anderem in Blütenölen und in Pflanzen wie Pfeffer und Dill vorkommt.
Ritter Sport erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Behauptung der Stiftung Warentest, dagegen legten die Verbraucherschützer Widerspruch ein. Dem Unternehmen zufolge wurde der Stoff von einem Aromahersteller in einem physikalischen Verfahren aus Pflanzen gewonnen und kann daher als „natürliches Aroma“ deklariert werden.
Aromastoffe dürfen nicht gesundheitsgefährdend sein und den Verbraucher nicht irreführen. In der EU prüft seit 2008 die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach strengen Kriterien, ob bei einem Aroma eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann.
Seit April 2013 gilt eine EU-weit gültige Positivliste, die jährlich aktualisiert werden soll. Auf ihr sind alle zugelassenen synthetisch gewonnenen sowie durch chemische Verfahren isolierte Aromastoffe und natürliche Aromastoffe aufgeführt. Für die EU-Positivliste wurden rund 3000 Aromen auf ihre Sicherheit untersucht, übrig blieben zunächst 2100 zulässige Aromastoffe, 400 weitere werden noch getestet.
Nach der EU-Verordnung für Biolebensmittel dürfen für Bioprodukte nur „natürliche Aromastoffe“ oder „Aromaextrakte“ eingesetzt werden. Manche Biohersteller verzichten auch auf natürliche Aromen und verwenden lediglich Aromaextrakte.
Die obersten Produkttester und Qualitätshüter Deutschlands genießen seit jeher eine hohe Glaubwürdigkeit – und so verlor Ritter Sport durch ihr Urteil sofort an Beliebtheit: In der Gesamtbewertung im BrandIndex lag die Marke am 21. November 2013 bei +49 Punkten (auf einer Skala von -100 bis +100 Punkten). Einen Monat später waren es nur noch +39. Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit waren Milka und Lindt jetzt beliebter als die quadratischen Schokotafeln. Und das sollte bis Ende Februar 2014 auch so bleiben.
Mehr Milka und Lindt
Der Firmenchef Alfred Ritter ging im vergangenen Juni davon aus, „dass wir ohne diesen Test mehr verkauft hätten“. Das zeigen auch die Brandindex-Daten- Vor dem Test gab jeder achte Deutsche an, in der Kategorie Süßwaren am ehesten die Marke Ritter Sport zu wählen. Nach dem Testurteil war es nur noch jeder elfte.
Und auch die damals ehemaligen und aktuellen Käufer von Ritter-Sport-Schokolade – die stets sehr zufrieden waren mit dem Produkt – verloren nach der Veröffentlichung der Stiftung Warentest die Lust, Ritter Sport wieder bzw. weiter zu kaufen. Im vergangenen Jahr haben sie deshalb eher Milka- und Lindt-Schokolade unter den Weihnachtsbaum gelegt.
Urteil zeigte schnell Wirkung
Inzwischen ist die Situation eine andere – man könnte auch sagen: die alte. Den Streit um die Deklaration des Aromastoffs haben Ritter Sport und Stiftung Warentest vor Gericht ausgetragen. Ritter Sport hat gewonnen, das Urteil der Tester darf nun nicht mehr kommuniziert werden. Stiftungs-Chef Hubertus Primus hat inzwischen sogar zugegeben: „Die Formulierung ist sicherlich etwas unglücklich“. Gegenüber der Tageszeitung „taz“ sagte er: Es handele sich um eine „sprachliche Ungenauigkeit“.
Das Gerichtsurteil zeigte schnell Wirkung, allerdings brauchte es ein paar Monate, bis Ritter Sport die alte Beliebtheit zurückerlangt hat. So ist die Marke kurz nach Weihnachten 2013 wieder konstant positiv im öffentlichen Gespräch - und seit einem Monat sogar wieder positiver als die wichtigsten Mitbewerber Lindt und Milka. Auch bescheinigen ihr die Kunden seitdem wieder das beste Preis-Leistungs-Verhältnis in der Kategorie Süßwaren. Mit +49 Punkten in der Gesamtwertung hat Ritter Sport zudem einen ordentlichen Vorsprung auf Lindt und Milka, die mit mehr als +40 Punkten aber ebenfalls ein beachtlich hohes Ansehen genießen. Auch die Qualitätswahrnehmung von Ritter Sport hat das alte Niveau erreicht - der Verlust von 14 Punkten nach dem Testurteil ist fast wieder ausgeglichen.
So oder so dürfte sich die Alfred Ritter GmbH über das diesjährige Weihnachtsgeschäft freuen. Das zeigt auch die Kundenstatistik. Bei Schokoladen verläuft die Entwicklung normalerweise so: Weniger Kunden im Sommer, leichter Anstieg bis Oktober, starker Anstieg ab November, Kundenrückgang, erneuter starker Anstieg zu Ostern. Der letzte Anstieg zu Weihnachten hat bei Ritter Sport jedoch komplett gefehlt. Jetzt ist er wieder da. Und mit 27 Prozent der Deutschen, die angeben, in den vergangenen 30 Tagen ein Produkt von Ritter Sport gekauft zu haben, führt die Marke die Schokoladen-Statistik sogar wieder an.