Escadas Positionierungs-Problem zeigt sich beispielhaft in Düsseldorf in der Nähe der Einkaufsmeile Königsallee, der „Kö“. Das Mode-Unternehmen hat hier vor kurzem eine neue Boutique eröffnet: Im Erdgeschoss gibt es einen eher kleinen Verkaufsraum, ein Aufzug bringt die Kunden in den ersten Stock zu drei Salons. Das Geschäft soll Wohnzimmer-Atmosphäre ausstrahlen, Bescheidenheit. Nur will das Luxuslabel das Konzept gar nicht in all seinen Läden einführen. Das Problem dieser Vorgehensweise ist: „Wie soll der Kunde erkennen, wofür die Marke steht, wenn sich Escada mal familiär gibt wie in Düsseldorf und anderswo immer noch sehr edle Läden unterhält?“, sagt Wieselhuber-Berater Prechtl.
Escada irritiert seine Kunden
Die fehlende Positionierung wird zum anderen an der neuen Kollektion deutlich. Der Konzern offeriert da etwa ein knallrotes Oberteil mit angeschnittenen Ärmeln, das 280 Euro kostet, einen schwarzen Mantel aus Schurwolle für 1.200 Euro, einen hellbraunen Stehkragenpullover, der mit 340 Euro zu Buche schlägt, und ein Shirt mit aufgedrucktem Blütenmuster, Kosten: 380 Euro. Das Problem bei all diesen Kleidungsstücken ist: Es ist überhaupt nicht erkennbar, dass sie von Escada stammen. Mantel und Oberteil, Shirt und Pullover, sie könnten auch Teil einer Kollektion eines anderen Labels sein. „Escada darf aber nicht nur ohnehin schon bestehende Trends nachzeichnen“, sagt Wieselhuber-Mann Prechtl.
Top 10 Einkaufsstätten für Bekleidung 2015
New Yorker: 12,9 Prozent.
Esprit: 15,6 Prozent.
Karstadt: 15,7 Prozent.
Kik: 16,3 Prozent.
S.Oliver: 16,6 Prozent.
Ernsting's Family: 17 Prozent.
Peek & Cloppenburg: 18,4 Prozent.
Galeria Kaufhof: 21,7 Prozent.
Hennes & Mauritz (H&M): 25 Prozent.
C&A: 43,9 Prozent.
Auswechselbar zu sein, das ist der Kapitalfehler für Unternehmen wie Escada, das den Anspruch hat, Luxusmarke zu sein und dementsprechend hohe Preise aufruft – die die Kunden nur zahlen, wenn sie das Gefühl haben, einen besonderen Stil kaufen zu können, wenn sie dadurch zur modischen Avantgarde avancieren.
Andere Luxusmarken sind in puncto Positionierung weiter als Escada, etwa Burberry. Die Briten sind durch ihr charakteristisches beige-rot-schwarzes Karomuster bekannt geworden. Das nutzen sie in Schals, Taschen, Oberteile – und grenzen sich so direkt auf den ersten Blick von anderen Labels ab. „Escada dagegen irritiert die noch bestehende Käuferschaft immer wieder und überzeugt kaum neue Kundinnen“, sagt Strategieexperte Franz Schmid-Preissler.
Dazu zieht das Unternehmen kaum neue junge Modebegeisterte an. Viele der Stammkäuferinnen sind älter – und Escada droht gemeinsam mit seinen Kunden allmählich auszusterben, wenn sich nicht bald etwas ändert. Neu-Chefin Iris Epple-Righi muss die Marke also gezielt auf Jüngere ausrichten – und dabei gut achtgeben: Modernisiert sie Escada zu sehr, gehen ihr die Älteren von der Stange, weil die sich nicht mehr ernst genommen fühlen. Dann fehlen in Escadas Kasse die Einnahmen, die das Unternehmen dringend für die Sanierung braucht. Modernisiert Epple-Righi das Label zu wenig, bleiben die Jüngeren weiterhin weg. Es ist ein Drahtseilakt.
Wäre die Geschichte von Escada tatsächlich ein Bollywood-Film, dann begännen gerade die letzten zwanzig, dreißig Minuten dieses Streifens, dann käme jetzt der letzte Cliffhanger, um die Spannung noch einmal in die Höhe zu treiben. Der Held des Films geriete noch einmal in scheinbar unlösbare Schwierigkeiten – und am Ende würde, na klar, doch alles gut gehen. Doch bei Escada gibt es keinen Drehbuchautor, der das Happy End garantiert.