Ladenschluss Rewe kämpft für lange Öffnungszeiten

Wann soll Schluss sein? Während die Parteien in Nordrhein-Westfalen uneingeschränkte Ladenöffnungszeiten diskutieren, versucht die Rewe-Gruppe Wirtschaftsminister Voigtsberger bei einem spätabendlichen Besuch im Supermarkt, die Vorteile von langen Öffnungszeiten schmackhaft zu machen.

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Harry Voigtsberger war noch nie zu dieser Uhrzeit in einem Supermarkt. Es ist 22.09 Uhr, als er den Rewe-Supermarkt am Hohenstaufenring in Köln betritt und sofort von einer Meute Journalisten und Rewe-Mitarbeitern umringt wird. Sie wollen wissen, was der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister (SPD) bei seinem ersten Besuch erfahren wird – und was er hinterher darüber denkt. Denn wer, wenn nicht der Wirtschaftsminister, sollte Einfluss auf die derzeit laufende Debatte über das Ladenschlussgesetz nehmen.

Nicht mehr bis 24 Uhr einkaufen, nicht mehr 400-Euro-Jobber nachts auf Stellen setzen, die sonst tagsüber ein Festangestellter erledigen würde - einfach mehr Regulierung fordern die Gegner langer Öffnungszeiten aus Gewerkschaft, Grüne, SPD und Linke. Sie haben das Thema nach einem Bericht der Landesregierung über die Auswirkungen der 2006 liberalisierten Ladenöffnungszeiten wieder auf die Agenda gesetzt. Seither wird diskutiert: Wann sollen in der Woche die Läden abends schließen, wann samstags und soll jeder Stadtteil selber entscheiden dürfen, welchen Sonntag er als verkaufsoffen erklärt? Alle möglichen Uhrzeiten werden in den Ring geworfen. Soll Montag bis Freitag um 22 Uhr oder um 20 Uhr Schluss sein, Samstag vielleicht sogar schon um 16 Uhr?

Die Freiheit selbst zu wählen

Für die Rewe-Gruppe und ihrem Vorstandschef Alan Caparros ist die Antwort klar. Zwar haben nur etwa hundert ihrer rund 3000 Supermärkte in Deutschland tatsächlich bis 24 Uhr offen, aber allein die Möglichkeit ist dem Unternehmen viel wert. Und sollte die Debatte in Nordrhein-Westfalen (NRW) auf kürzere Ladenöffnungszeiten hinauslaufen, könne das eine Signalwirkung auf andere Bundesländer haben, fürchtet Konzernchef Caparros. Damit es nicht soweit kommt, ist auch er zu später Stunde in den Supermarkt gekommen. Er führt Voigtsberger herum, lässt ihn mit Mitarbeitern und dem Betriebsrat sprechen.

Alles sei gut, keiner würde ausgebeutet, die Öffnungszeiten ermöglichten es sogar, die Freizeit flexibler einzuteilen. Auch die Kunden im Laden freuen sich über das Angebot, zu später Stunde noch einkaufen gehen zu können. Vor dem Kühlregal erwischt die Meute Katharina Görmann. Die große, blonde Frau kommt gerade vom Sport und ist etwas verschwitzt. Dennoch lächelt sie bereitwillig mit Caparros und Voigtsberger in die Kameras und erklärt: „Wegen mir könnten die Geschäfte sogar noch länger aufhaben, wie in Amerika.“ Auch ein bärtiger Mann mit Einkaufskorb bestätigt: „Es ist eine Erleichterung.“

Aktuelle Regeln beibehalten

Dass sie mit dieser Meinung nicht alleine sind, bestätigt auch eine aktuelle Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung. Laut ihrer Umfrage unter über Tausend Nordrhein-Westfalen sprechen sich 71 Prozent der Bevölkerung im Bundesland für die aktuell geltenden Öffnungszeiten ohne gesetzlichen Ladenschluss zwischen Montag und Samstag aus. Fast zwei Drittel der Befragten gingen auch nach 20 Uhr einkaufen, so die Forscher.

Eine weitere Studie des Instituts YouGov im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ergab ebenfalls, dass 60 Prozent der Befragten für die bisherige Regelung. Allerdings gaben dort auch 70 Prozent der Verbraucher an, noch nie nach 22 Uhr eingekauft zu haben.

Erste Trends der Abstimmung

Derweil bekommen auch die NRW-Grünen, die die Bevölkerung online über ihre Öffnungszeiten-Präferenzen zum Abstimmen aufgerufen hat, erste Rückmeldungen. Bislang haben sich auf der Internetseite knapp 8000 Menschen beteiligt. Zu den Ergebnissen will sich die Partei zwar erst einige Wochen nach Ende der Umfrage am 4. März äußern, ein erster Trend lässt sich jedoch aus den rege frequentierten Diskussionsforen auf der Parteihomepage ableiten. Dort reicht der Tenor der fast 700 Beiträge von Forderungen nach totaler Freigabe bis zu deutlichen Einschränkungen. Die meiste Zustimmung finden dabei jedoch die Kommentatoren, die sich für die Beibehaltung der aktuellen Regeln einsetzen.

Ob sich auch Wirtschaftsminister Voigtsberger auf die Seite der Freunde des langen Einkaufens schlagen wird, wird sich noch zeigen. Zunächst scheint er erst einmal überzeugt: „Für mich ist es wichtig, dass es so ein Angebot gibt“, sagt er. Doch so richtig will er sich noch nicht festlegen. Man müsse Diskussionen und die Auswertung der Anhörung von Interessensparteien vor dem Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie am 18. Januar. Dafür oder dagegen, da will er sich jetzt noch nicht festlegen.

Rewe-Vorstandschef Alain Caparros (links) und NRW-Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger (SPD) Quelle: dpa

Seine Situation wird sich ohnehin nicht ändern. Ein spätabendlicher Besuch im Supermarkt wird für ihn weiterhin Seltenheitswert haben. Und so mag er auch den Einkaufswagen nicht schieben, den ihm ein Kamerateam für Aufnahmen anbietet. Er gehe um diese Uhrzeit nicht einkaufen, winkt Voigtsberger ab.

Zum Thema: Die Abstimmung der Grünen läuft noch. Jeder kann teilnehmen, bundesweit und bis zum 4. März.

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