Die gleichen Schachteln reihen sich auch in einer Vitrine in der Eingangshalle der Unternehmenszentrale von Queisser Pharma in Flensburg, die die Mittel produziert. Das Unternehmen gehört der Familie Dethleffsen, ein Name im Norden, auch die Biermarke Flensburger gehört zum Reich. Jan Kuskowski und Gert Bendixen führen die Geschäfte. Mediziner ist keiner von beiden, sie sind Kaufmänner und Marketingexperten, beide seit Jahren im Konzern. Ihr Motto: „Für uns ist es wichtig, die Bedürfnisse der Verbraucher im Auge zu haben.“
Pflanzliche Nährstoffquellen
Kalzium ist im Körper als Kalzium-Phosphat in den Zähnen und Kochen gespeichert. Vitamin D verbessert die Einlagerung des Nährstoffs aus der Nahrung in den Körper. Gute vegane Kalizum-Lieferanten sind stilles Mineralwasser (auf die Mineralstoff-Analyse achten), Bohnen, Feigen, grünes Blattgemüse, Tofu, Sojadrinks (auf die Inhaltsangabe achten, häufig ist Kalzium zugesetzt), Haselnüsse und Mandeln.
Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse und Vollkorngetreide tragen dazu bei, dass der Körper mit Eisen versorgt wird. Durch die Aufnahme von Vitamin C und organischen Säuren, wie sie in Obst vorkommen, wird die Eisenaufnahme erhöht.
Pflanzliche Quellen für die ungesättigten Fettsäuren Omega 6 und Omega 3 sind Lein-, Hanf-, Raps- und Diestel-Öl sowie Nüsse.
Gute Proteinquellen sind Tofu und Sojaprodukte, Nüsse und Samen, Hülsenfrüchte, Seitan, Lupinen und Vollkorngetreide.
Bei Vitamin B2 handelt es sich um ein wasserlösliches Vitamin. Lieferanten sind sind Kürbiskerne, Pilze, Sojafleisch, Hafer, Nüsse, Ölsamen, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Keimlinge, eingeweichte Keime.
Vitamin D ist fettlöslich. Es ist wichtig für die Kalziumaufnahme. Quellen sind Pilze und pflanzliche Drinks. Ein 30-minütiger Aufenthalt im Freien regt die Eigenproduktion des Körpers an - allerdings ist die Sonneneinstrahlung in den Wintermonaten zu gering, weshalb hier besonders auf die Vitamin-D-Zufuhr zu achten ist.
Zink-Lieferanten sind Kürbiskerne, Vollkornprodukte, Ölsamen, Nüsse, Soja und Hülsenfrüchte. Durch Zitronensäure wird die Aufnahme erhöht – schwarzer Tee und Kaffee mindern sie.
Nur sind die Verbraucher oft nicht gut informiert über die Pillen, die sie schlucken. Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel gelten nicht als Medikamente, sie fallen deshalb nur unter das Lebensmittelrecht, weil ihre Inhaltsstoffe in der Regel nicht schädlich sind. Hersteller werden deshalb kaum kontrolliert. Sie dürfen zwar keine falschen Aussagen über die Wirkung ihrer Inhaltsstoffe machen. Aber sonst sind ihnen kaum Grenzen gesetzt, auch nicht bei der Dosierung der Inhaltsstoffe. Das führt dazu, dass sich die Anbieter gegenseitig übertrumpfen. Bietet der eine ein Präparat mit 300 Milligramm eines Inhaltsstoffes an, kommt der nächste mit 400 auf den Markt, der übernächste gleich mit 600 Milligramm.
Viel hilft eher wenig
„Der Verbraucher kauft im Zweifelsfall die höhere Dosierung“, sagt Jan Kuskowski von Queisser Pharma. „Wir setzen uns Grenzen, wenn die Wettbewerber in der Dosierung noch höher gehen. Wir fragen uns immer, welche Werte sicher und sinnvoll sind“, ergänzt Kollege Bendixen. Dabei ist auch bei Queisser Pharma das meistverkaufte Magnesiumpräparat eines mit 400 Milligramm. Die von der BGE empfohlene Tagesdosis liegt bei 300 Milligramm für Frauen und 350 Milligramm für Männer. Doch die Empfehlung sei „sehr konservativ und relativ niedrig“, sagt Kuskowski, im Ausland seien die Empfehlungen oft höher. Und einige Wettbewerber bieten auch die vielfache Dosis an.
Doch viel hilft nicht immer viel: Magnesium wirkt abführend und kann bei dauerhafter Überdosierung auch zu Organschäden führen. Einer Untersuchung der Verbraucherzentrale zufolge überschreiten 64 Prozent der auf dem Markt erhältlichen Magnesiumprodukte trotzdem die empfohlene Dosis, bei anderen Präparaten ist das nicht viel anders. Die Verbraucherzentrale fordert offizielle Höchstgrenzen. Die EU wollte die längst einführen, doch die Mitgliedsländer konnten sich nicht auf Grenzen einigen. Schließlich brauchen einige Kranke auch höher dosierte Mittel.
Und so schlucken die Deutschen weiter, auch auf Empfehlung von Bekannten, Apothekern und Ärzten. Besonders junge, leistungsbereite Frauen greifen gerne zu den Nahrungsergänzungsmitteln: Die ehrgeizige Studentin, die durch die Klausurenphase kommen will. Oder Familienmütter, die erschöpft von Job und Kindern sind und sich durch die Vitamine einen extra Schub Energie erhoffen. Sie wollen Leistungsfähigkeit, Gesundheit, Schönheit. Die Vitaminpräparate versprechen oft alles auf einmal.
Ältere Zielgruppen sprechen die Vitaminverkäufer oft über Anzeigen in Zeitschriften an. Grau melierte Ärzte werben darin als Maskottchen für die Vitaminkuren und Co. Vor allem Klatsch- und Frauenmagazine sind beliebt. „Die Gebissträgerzeitungen“, sagt einer, der für das Marketing solcher Mittel zuständig ist. Seinen Namen will er später nicht gedruckt lesen.
Die sieben Erfolgsfaktoren gesunder Ernährung
“Buy fresh, eat fresh”: Frisches kaufen, Frisches essen”
Zucker vermeiden
Weizenmehl vermeiden
“Frankenfoods” (Frankenstein Food), also Nahrungsmittel aus genetisch veränderten Pflanzen oder Tieren vermeiden
Gute Proteine wie (Hühner-)Fleisch, Nüsse und Körner essen
Gute Fette verwenden; sie machen nicht fett, denn die Übeltäter sind Zucker und Weißmehl
Phytonutrients, also Phytonährstoffe, sind Nährstoffe in pflanzlichen Lebensmitteln. Sie sind, anders als Vitamine, nicht lebensnotwendig. Aber sie halten gesund und fit und sollen die Lebenserwartung verlängern.
Denn nicht selten übertreiben diese Anzeigen maßlos. „Neuesten Forschungen zufolge, erhöht ein Mangel langfristig gesehen auch die Wahrscheinlichkeit für chronische Erkrankungen wie Diabetes, Krebs oder Alzheimer“, warnte das niedersächsische Unternehmen Dr. Loges in einer „Gebissträgerzeitung“. Die Wettbewerbszentrale klagte dagegen, das Unternehmen gab eine Unterlassungserklärung ab. Die wissenschaftlichen Aussagen hätten einer Prüfung vor Gericht wohl nicht standgehalten.
Queisser Pharma will sich nun eine weitere Werbequelle erschließen: Ärzte. Das Unternehmen baut ein Team von Außendienstmitarbeitern auf, das gezielt Arztpraxen abklappern und dort über die Produkte aus dem Haus informieren soll. Vor einigen Jahren hat Doppelherz so schon den Weg in die Apotheken gefunden. „Die Empfehlung, auf die der Patient am meisten Wert legt, ist die des Arztes“, ist sich Jan Kuskowski sicher.