Handelsblatt Online: Herr Köckler, im vergangenen Jahr hatten sie grüne Technologien als Motto für die Hannover Messe gewählt. Seitdem gingen etliche Solarfirmen pleite. Dieses Jahr dreht es sich mehr um den Maschinenbau – müssen wir um die Branche bangen?
Jochen Köckler: Keineswegs. Das Leitthema bezieht sich immer auf den gesamten industriellen Sektor. Damals ging es um Nachhaltigkeit und Umwelttechnologien. Themen, die auch heute höchst relevant sind. Dieses Jahr steht die Messe jedoch unter dem Motto „Integrated Industry“, damit beschäftigt sich der ganze Fertigungssektor.
Was verstehen Sie unter dem Begriff?
Damit ist die so genannte vierte industrielle Revolution gemeint, der Datenaustausch zwischen Werkstücken und Maschinen in der Produktion. Künftig wird zum Beispiel eine Karosserie dem Roboter mitteilen können, wo die Schweißpunkte zu setzen sind oder welche Lackfarbe zum Einsatz kommen soll.
Infos zur Hannover Messe
Die Hannover Messe gilt als weltgrößte Industrieschau. Rund 6500 Aussteller aus 62 Ländern kommen in die niedersächsische Landeshauptstadt, knapp drei Prozent mehr als bei der letzten vergleichbaren Auflage vor zwei Jahren (6333 Aussteller). Größter Teilbereich ist in diesem Jahr die klassische Industrieautomation. Energietechnik, IT-Lösungen in der Fertigung, Elektromobilität sowie spezielle Anwendungen für Zulieferer und Leichtbau stehen ebenfalls auf dem Programm.
Im vergangenen Jahr war die aufstrebende Industriemacht China Partnerland, in diesem Jahr ist es Russland. 160 Unternehmen aus dem Riesenreich kommen nach Hannover – das ist die bislang größte russische Beteiligung an einer internationalen Industriemesse. Die Veranstalter erhoffen sich Impulse für die Wirtschaftsbeziehungen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin eröffnen die Messe am Sonntag. Das Verhältnis der beiden ist gespannt: Die Kanzlerin hatte dem Präsidenten erst im November auf offener Bühne in Moskau Defizite bei Demokratie und Menschenrechten unter die Nase gerieben. Nun kritisiert sie die kürzlichen Razzien russischer Behörden bei Nichtregierungsorganisationen, der deutschen CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Vermutlich wird Putin die Kanzlerin in Hannover aber ähnlich abblitzen lassen wie im November.
Der Anteil ausländischer Aussteller liegt in diesem Jahr erstmals über 50 Prozent. Unter ihnen stellt China mit mehr als 730 Ausstellern das größte Firmen-Kontingent, gefolgt von Italien, der Türkei, dem Partnerland Russland sowie Frankreich.
Die Messegesellschaft hat die integrierte Industrie zum Leitthema erkoren. Es geht darum, wie die industrielle Produktion mithilfe der Informationstechnik effizienter ablaufen kann – etwa, indem sich Fertigungsanlagen selbst korrigieren. Aber auch intelligente Stromnetze zählen dazu.
Ein anderer Schwerpunkt steht unter dem Thema „Metropolitan Solutions“ – es geht um Lösungen für die Stadt der Zukunft, etwa energieeffiziente Gebäude oder Mobilität. Anhand von Beispielen aus Städten wie Moskau, Seoul, Johannesburg oder Barcelona soll gezeigt werden, welche technischen Lösungen öffentliche Verwaltungen als Antwort auf den urbanen Siedlungsdruck vorhalten.
Die Messe richtet sich vornehmlich an Entscheider aus der Industrie, aber auch Studenten und Absolventen technischer Fächer. Ein Tagesticket kostet im Vorverkauf 28 Euro, an der Tageskasse 35 Euro. Fürs Dauerticket werden 64 bzw. 76 Euro fällig. Ermäßigte Eintrittskarten kostet 15 Euro. Mehr Informationen unter www.hannovermesse.de/tickets. Die Messe ist vom 8. bis einschließlich 12. April jeweils von 9 bis 18 Uhr geöffnet.
Welche Vorteile hat das?
Kurz gesagt: Mehr Flexibilität, weniger Ausschuss. So können in einer Fertigungsstraße unterschiedliche Produkte gleichzeitig hergestellt werden. Außerdem können Arbeitsschritte ohne Eingriffe von außen korrigiert werden, wenn zum Beispiel ein Roboter selbstlernend feststellt, dass er einen Außenspiegel nicht mehr perfekt montiert und dann eigenständig nachjustiert. Das ist ein riesiges Feld auch mit großen Chancen für den Mittelstand.
Aber auch eine Gefahr. Stichwort: Hacker-Angriffe auf vernetzte Maschinen. Wir erinnern uns an den Computerwurm Stuxnet, der wohl iranische Atomanlagen angreifen sollte.
Die Sicherheit ist natürlich ein wichtiges Thema, das auf der Messe in verschiedenen Foren diskutiert wird. Auf der Hannover Messe geht es aber vor allem um die Chancen, die eine vernetzte Produktion bietet. Die Möglichkeiten des verstärkten Datenaustauschs sind immens und schaffen erhebliche Wettbewerbsvorteile.
„Die Weltmarktführer zeigen Flagge“
Auch der 3D-Druck gilt als Treiber einer industriellen Revolution. Aber im großen Maßstab ist nichts davon zu sehen. Vielleicht ist nicht alles wirklich toll, was auch technisch möglich ist.
Die vernetzten Maschinen sind kein Hype, sondern ein unaufhaltbarer Trend. Der IT-gestützte Datenaustausch in der Produktion wird bereits seit vielen Jahren vorangetrieben. Das Spannende bei Integrated Industry ist die umgekehrte Fertigungslogik, von der zentralen zur dezentralen Fertigung, und die Vorteile die daraus entstehen.
Sie sagen, die gesamte fertigende Industrie beschäftigt sich damit. Doch wichtige Maschinenbauer wie Trumpf oder Gildemeister finden sich nicht in ihrem Ausstellerverzeichnis.
Die Hannover Messe ist die größte Industriemesse der Welt und deckt fünf zentrale Themen ab: Industrieautomation und IT, Energie- und Umwelttechnik, Antriebstechnik, industrielle Zulieferung und Produktionstechnik. Alle Weltmarktführer aus diesen Bereichen zeigen Flagge in Hannover. Die von Ihnen genannten Firmen sind Hersteller von Werkzeugmaschinen und bespielen entsprechende Messen.