Stressgeplagte Bauherren, Bauunternehmen und Fachhändler müssen weiterhin mit Lieferengpässen, Auftragshindernissen und hohen Preisen klarkommen, lautet die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht? Gibt es derzeit nicht. Jedenfalls nicht so bald, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), im Gespräch mit der WirtschaftsWoche: „Die Materialknappheit hält mindestens bis Ende 2021 an.“ Erst fürs nächste Jahr gebe es Hoffnung auf eine Normalisierung bei der Versorgung mit Baumaterialien. Das aber hänge davon ab, wie die Hersteller ihre Kapazitäten ausbauen und ob die Transportengpässe beseitigt werden. Umgekehrt rechnet der HDB mit einer weiterhin hohen Nachfrage. Es gebe einen ungebremsten Bedarf an zusätzlichem Wohnraum und in der Infrastruktur.
Unter den hohen Materialpreisen leiden nicht nur die Häuslebauer und andere Auftraggeber, sondern auch die Bauunternehmen selbst. Von „einem Riesenproblem“ spricht Müller bei laufenden Verträgen mit Festpreisen, wo die steigenden Kosten „mächtig auf die Margen drücken“ und in einzelnen Fällen existenzgefährdend seien. Der Verbandsfunktionär appelliert daher vor allem an öffentliche Auftraggeber, wenigstens einen Teil der Preissteigerungen mit zu schultern. Wer hingegen jetzt einen Auftrag vergibt, muss derweil im Regelfall die zusätzlichen Materialkosten bezahlen und mit Preisanpassungsklauseln rechnen. Entsprechend stiegen die Preise für Bauleistungen Mitte dieses Jahres um gut sechs Prozent gegenüber 2020.
Besonders stark gestiegen sind laut HDB die Preise für Bauholz, das sich im ersten Halbjahr um gut 70 Prozent verteuerte. Daneben erhöhten sich die Kosten für Betonstahl um fast 50 Prozent, bei Dämmplatten und Bitumen ging es um ein Drittel nach oben. Selbst PVC-Rohre, bei denen es eigentlich nie Engpässe gab, sind inzwischen rar und verteuerten sich um 15 Prozent.
Betroffen ist nahezu das gesamte Bauhauptgewerbe. Nach einer DIHK-Umfrage sehen sich 94 Prozent der Unternehmen von Lieferschwierigkeiten oder deutlichen Preissteigerungen betroffen. Dabei geht es vor allem um Stahl, Holz und Kunststoffe, aber auch Aluminium, Kupfer und andere Vorprodukte. 91 Prozent der Unternehmen müssen höhere Einkaufspreise zahlen – wenn denn die Materialen überhaupt verfügbar sind. Fast zwei Drittel der Bauunternehmen melden längere Wartezeiten und 40 Prozent sprechen sogar von Umsatzausfällen. Umgekehrt wollen 73 Prozent der Unternehmen die Preiserhöhungen an ihre Kunden weitergeben, 61 Prozent bemühen sich um neue Bezugsquellen oder wollen für die Zukunft ihre Lagerhaltung ausweiten. Zurückgeführt wird die Knappheit insbesondere auf einen Mangel an Containern und Frachtkapazitäten auf Schiffen.
Trotz aller Schwierigkeiten boomt die Baubranche weiter. Die Auftragseingänge erhöhten sich im ersten Quartal um 2,6 Prozent und im zweiten Quartal sogar um 6,9 Prozent, auch wenn der Hauptgrund dabei gestiegene Preise sind. Laut HDB handelt es sich um den stärksten Preisanstieg seit dem Wiedervereinigungsboom Anfang der neunziger Jahre.
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