Kinderfahrzeughersteller Was Puky besser macht als die Konkurrenz

Die Zusammenarbeit mit Behindertenwerkstätten hilft dem Kinderfahrzeughersteller Puky, nur in Deutschland zu fertigen.

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Puky-Ballonroller von 1966. Erfolg mit luftgefüllten Reifen statt Vollgummi

Wer Kinder hat, kennt Puky. Zwangsläufig. Auf jedem Spielplatz rollert ein Junge auf einem rot-blauen Puky-Gefährt, schiebt ein Mädchen sein rosafarbenes Prinzessin-Lillifee-Dreirad durch den Sand oder üben Zweijährige auf dem Puky-Alu-Laufrad mit preisgekröntem Design. Eltern schätzen die Gefährte wegen der besonders kindgerechten Konstruktion. „Und man bekommt auf dem Flohmarkt später noch gutes Geld dafür“, lobt eine Mutter.

Kinderfahrzeuge laufen bei Puky auch in der Krise – trotz Preisen von zum Beispiel 300 Euro für das Kinderfahrrad Crusader 20-3 Alu oder 200 Euro für den Roller Challenger R 2002 L. „Wir gehen davon aus, dass wir nach jetzigem Stand auch 2009 Geld verdienen“, sagt Puky-Geschäftsführer Ralf Puslat. „Nach unserer Erfahrung wird auch in Krisen am Kind wenig gespart.“ Zugute komme Puky auch der ausschließliche Verkauf über den Fachhandel: „Die Käufer sind bei Spielwaren wegen der vielen Rückrufaktionen sensibler für Qualität und Langlebigkeit geworden, der Preis ist nicht allein das Entscheidende.“

Produktion ausschließlich in Deutschland

Daher müsse Puky – das Unternehmen aus dem rheinischen Wülfrath setzt mit mehr als 450.000 Fahrzeugen rund 28 Millionen Euro im Jahr um, die Exportquote liegt bei 20 Prozent – auch keine Stellen streichen. Das Erstaunliche dabei: Im Duell mit zahlreichen Wettbewerbern wie Kettler, Ferbedo, Schneider, Aurelia oder Sprint baut Puky seine Fahrzeuge ausschließlich im Hochlohnland Deutschland – seit der Gründung 1949.

Möglich ist das nur durch die Zusammenarbeit mit inzwischen zehn Behindertenwerkstätten in der Nachbarschaft, die seit mehr als 25 Jahren läuft. „Das ist der Hauptgrund, warum wir noch in Deutschland sind“, sagt Gründersohn Rolf Kuchenbecker, der sich erst vor Kurzem aus der Geschäftsführung zurückgezogen hat. Die eigenen Mitarbeiter bearbeiten und beschichten zwar das Metall, „für das Zusammenschrauben eines Fahrrads sind die Löhne in Deutschland aber zu hoch“, sagt Kuchenbecker.

Profitable Zusammenarbeit für Hersteller und Behindertenwerkstätten

Die Endmontage ist in den Werkstätten erheblich kostengünstiger. Das Unternehmen zahlt den (geringeren) Lohn, die Betreuer und Räumlichkeiten werden von der öffentlichen Hand finanziert, die Behinderte in das Erwerbsleben einbinden möchte.

Es habe allerdings Jahre gebraucht, die gesamte Organisation darauf einzustellen, erzählt Kuchenbecker. Vor allem die Logistik sei komplizierter. Qualitätsprobleme mit den fertigen Rädern gebe es keine: „Die Werkstätten sind nach der Qualitätsmanagement-Norm ISO 9000 zertifiziert.“ Heute montieren 450 Behinderte Fahrzeuge für Puky und sichern damit auch die Arbeitsplätze der 100 Mitarbeiter in der Zentrale. So kann das Unternehmen bei den Kunden weiter mit made in Germany punkten.

Erfolg mit Kinder-Rollern

Pukys Wurzeln liegen am Rhein. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Fahrradmontage des Auto- und Zweiradherstellers NSU im schwäbischen Neckarsulm zerstört. Der NSU-Generalvertreter Hermann Schlessmann organisiert eine kleine Produktion von Fahrrädern in Düsseldorf. „Dort konnte man relativ früh wieder Stahl kaufen“, erzählt Rolf Kuchenbecker. Als die Fahrradmontage in das wiederaufgebaute Werk nach Neckarsulm zurückkehrt, bleibt 1949 eine funktionsfähige Rohrverarbeitungsfertigung mit Lackiererei zurück.

Schlessmann hat durch Stahleinkäufe für NSU – die 1969 mit der Auto Union zur späteren Audi AG fusioniert – Kontakt zu Heinz Kuchenbecker, der bei einem Stahlhändler arbeitet. Das Gespräch kommt auf die brachliegende Fabrik, und Kuchenbecker schlägt vor, sie für Kinderroller zu nutzen. „Bei Fahrrädern für Erwachsene gab es schon viel Wettbewerb“, erläutert sein Sohn, „bei Kinderfahrzeugen aber nur kleine, regionale Anbieter. Und nach dem Krieg war Spielzeug rar.“

Kaufmann Kuchenbecker und Vertriebler Schlessmann gründen mit weiteren Partnern die Puck Kinderfahrzeuge. 1950 stellt Puck – der Name wird 1956 wegen der Ähnlichkeit zur österreichischen Fahrradmarke Puch in Puky umbenannt – auf der Spielwarenmesse in Nürnberg einen selbst entwickelten Ballonroller vor. Neu sind die luftgefüllten Reifen anstelle des bisher üblichen Vollgummis. „Der Kinderroller mit schwebend leichtem Lauf“, wirbt Puky. Ein Exemplar kostet 59,85 Mark – das entsprach damals fast dem Brutto-Wochenlohn eines Industriearbeiters.

Kuchenbecker junior erlebt die Gründerzeit von klein auf mit. „Wir haben Tag und Nacht mit Puky gelebt, mein Vater kannte keinen Feierabend. Er hat jedem Kunden gesagt, bei Problemen könne er auch nachts anrufen. Das haben die dann auch gemacht.“ Am aufwendigsten ist der Aufbau des Markennamens: „Das war viel Klinkenputzen. Wir sind sogar mit Puky-Rollern im Karneval mitgefahren, man musste ja bekannt werden.“ Die Puky-Truppe packt Roller in den Kofferraum eines VW-Käfers, klappert die Spielwarenläden ab und lädt Händler zum Probefahren ein.

Im ersten Jahr verlassen rund 3.600 Roller das Werk. Gefertigt wird noch lange – auch nachdem Puky 1960 aus Platzgründen nach Wülfrath umzieht – mit stark handwerklichen Methoden, „eher halbindustriell“, wie der Gründersohn erzählt. Der studierte Maschinenbauingenieur steigt 1974 ins Unternehmen ein und stellt Puky auf echte Industrieproduktion um.

Reibungsloser Übergang

Wirtschaftskrisen hat Puky gemeistert, indem „wir schon früh unsere Produktion beweglich steuern konnten“, sagt Rolf Kuchenbecker. „Wir haben sehr flexible Arbeitszeiten und können bei Bedarf auch mal samstags Sonderschichten einlegen.“ Für kurzfristige Spitzen nutzt Puky Aushilfen und Zeitarbeiter. Zudem seien die Mitarbeiter für verschiedene Arbeitsplätze ausgebildet und damit variabler einsetzbar. Ausgezahlt habe sich auch der pflegliche Umgang mit den Lieferanten: „Wir gehen mit denen immer fair um, dann sind sie auch in der Krise fair, zahlen pünktlich und ordern vorausschauend.“

Der 60-jährige Kuchenbecker hat sich im Februar 2009 aus dem Unternehmen zurückgezogen und externe Nachfolger für die kaufmännische und technische Geschäftsführung gefunden: „Die beiden beteiligen sich auch am Unternehmen.“ Auf den reibungslosen Übergang ist er „irrsinnig stolz“. Er kann den Lenker jetzt loslassen und tut das auch: Nach „35 Jahren sehr harter Arbeit“ verbringt er nun viel Zeit in seinem selbst renovierten Bauernhaus in Italien und will dort Oliven anbauen.

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