Medienkonzern Dünne Luft bei Bertelsmann

Die Krise lässt das Geschäft bröckeln, Sparkommissare auf allen Fluren, Machtkämpfe an der Spitze – beim Medienriesen Bertelsmann steigt die Nervosität.

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Bertelsmann-Chef Hartmut Quelle: AP

Das nennt man Klatsche – mit 1:6 schlichen am letzten Spieltag Anfang Juni die Kicker des TuS Dornberg vom Platz, demontiert vom SC Paderborn II. Immerhin: Der letztjährige Aufsteiger in die sechsthöchste Spielklasse konnte die Liga halten. Bescheidenheit ist Trumpf bei der Mannschaft aus einem Bielefelder Vorort, es herrscht Mittelmaß – elf Siege, elf Unentschieden, zwölf Niederlagen. Jetzt wird die Mannschaft umgebaut, ein neuer Trainer installiert – alles unter den wachsamen Blicken des zweiten Vorsitzenden des TuS Dornberg. Der kennt sich aus mit Umbauten.

Denn Vereinsvize Hartmut Ostrowski ist im Haupterwerb Vorstandschef von Bertelsmann, Europas größtem Medienkonzern. Der Riese mit dem TV- und Radio-Konglomerat RTL Group, der weltgrößten Buchverlagsgruppe Random House und Europas größtem Zeitschriftenhaus Gruner+Jahr steckt mitten im Umbruch: Ostrowski hat ein Kostensenkungsprogramm ausgerufen, „wie Bertelsmann es in seiner langen Geschichte noch nicht gesehen hat“.

Es gärt an der Konzernspitze

„Mehrere Hundert Millionen Euro“ sollen die Sparkommissare in dem 1200 Einzelfirmen und Beteiligungen umfassenden Reich aufspüren. Das sorgt intern für Unruhe. Ostrowski will Bertelsmann heil durch die Krise bringen, fit machen für die Zeit danach und die Schuldenlast abbauen. Jedoch nimmt die Sorge zu, die Einschnitte könnten zu tief gehen und die künftigen Chancen etwa im TV-Geschäft schmälern. Allein aufs Sparen zu setzen birgt neue Risiken – der Anschluss an sich entwickelnde Wachstumsmärkte könnte verloren gehen.

Zugleich gärt es an der Konzernspitze: Das Verhältnis von Ostrowski zu seinem Finanzvorstand Thomas Rabe gilt als angespannt. Erst Anfang Mai dementierte der ehrgeizige Manager, zum Duisburger Handels- und Dienstleistungskonzern Haniel wechseln zu wollen. Bei Rabe bereits der zweite Fall von Wechselfieber innerhalb eines Jahres – 2008 war sich der als besonders fähig geltende Rechenkünstler ausgerechnet mit dem RTL-Konkurrenten ProSieben Sat.1 einig über einen Wechsel, ehe er offenbar von Bertelsmann-Miteigentümerin Liz Mohn gebremst wurde. Die Mitarbeiter beäugen seither argwöhnisch die Machtbalance an der Konzernspitze.

Kehrwende bei Ostrowski

Dabei hatte Ostrowski zu seinem Amtsantritt Anfang 2008 seine Top-Leute noch auf Wachstum eingeschworen: 30 Milliarden Euro Umsatz wolle er bis 2015 erreichen, gab er selbstbewusst als Losung aus. Bereits damals wurde manchem Manager der Hemdkragen arg eng. Denn ebenso unverhohlen kündigte der neue starke Mann die Trennung von Geschäftsfeldern an, die perspektivlos herumkrebsten: „Man kann kein Lamm in einen Löwen verwandeln.“

Diplomkaufmann Ostrowski hatte ausrechnen lassen: In 77 Prozent seiner Geschäftsfelder spielt Bertelsmann an der Spitze mit – der Rest jedoch, so die Botschaft, eben nicht. Ostrowski fackelte nicht lange in seinem ersten Jahr. Bei Random House in New York feuerte er den Amerikaner Peter Olson wegen zu niedriger Renditen und ersetzte ihn zur Verwunderung der ebenso feinsinnigen wie dünkelbehafteten US-Verlagsszene durch seinen Vertrauten Markus Dohle, wie Ostrowski selbst ein Mann aus der Maschinenraum-Sparte Arvato.

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Im Juli verkaufte er einen Teil des Buchclubgeschäfts. Im August trennte sich Bertelsmann von der einzigen verbliebenen Glamoursparte, dem Musikgeschäft. Folge des Ausverkaufs: Bertelsmann rutschte mit zuletzt 16,1 Milliarden Euro Jahresumsatz unter den weltgrößten Medienkonzernen vom sechsten auf den siebten Rang ab.

Einen Strich durch die Wachstumspläne macht Ostrowski jetzt die Wirtschaftskrise. Im ersten Quartal 2009 sank der Umsatz von 3,8 auf 3,5 Milliarden Euro, der Konzern musste einen Verlust ausweisen. Die Krise trifft vor allem die Cash-Cow RTL: Da die Werbeumsätze einbrechen, liefert RTL deutlich weniger Gewinn ab. Auch der zweite große Umsatztreiber, die Industriesparte Arvato mit Druckgeschäft und Dienstleistungen, spürt die Krise.

Einerseits will Arvato-Chef Rolf Buch von sparwilligen Firmen profitieren, die Dienstleistungen auslagern. Arvato rechnet für den Internet-Riesen Google einen Großteil von dessen Umsätzen in Europa ab, ist Deutschlands größter Betreiber von Callcentern und organisiert für die Lufthansa das Vielfliegerprogramm Miles&More. Andererseits leidet Arvato unter Unternehmenspleiten – geht Woolworth in England in die Insolvenz, braucht der Billigkrämer Arvato nicht mehr als Vertriebspartner. Und wird ein Magazin wie „Vanity Fair“ eingestellt, fallen Druckaufträge weg.

Wachstum erst ab 2011

Frühestens 2011 rechnet Bertelsmann wieder mit Wachstum, dann sollen es vier Prozent sein. Ostrowskis Strategie auf dem Weg dahin besteht allenfalls aus kleinen Schritten. Angesichts der Schuldenlast von 6,7 Milliarden Euro ist mehr nicht drin. Immerhin stehen jedes Jahr noch eine gute Milliarde Euro für Investitionen bereit. Im Raum steht auch, dass Bertelsmann sich von einem Teil seiner 90-Prozent-Beteiligung an RTL trennen könnte, um den Erlös für Zukäufe zu nutzen.

Doch davon will Ostrowski derzeit nichts wissen – auch weil RTL-Anteile derzeit deutlich weniger einbrächten als vor Jahresfrist. Eher könne er sich eine Fusion oder Joint Ventures mit anderen Unternehmen vorstellen. In welche Richtung sich der Konzern wendet, welche neuen Felder er angehen will, ist derzeit nicht zu erkennen, bemängeln Kritiker.

Sparkurs birgt auch Risiken

Stattdessen ist Sparen angesagt, um den Ertrag zu steigern. So verzichtet der Vorstand auf die Boni und damit auf die Hälfte seiner Bezüge von zuletzt zusammen 22 Millionen Euro. Auch die 56 Abteilungsleiter müssen 2009 auf 8,4 Prozent des Gehalts verzichten. Selbst die Jubilare vom Druckhaus Mohn Media bekommen die traditionelle, nach Zugehörigkeit gestaffelte Sonderzahlung nicht – einer von 1500 Posten allein auf der Sparliste von Arvato-Chef Buch, die dieser möglichst früh noch 2009 abgearbeitet haben will.

Doch der Sparkurs birgt Risiken, die über Verstimmungen bei den Mitarbeitern hinausgehen. So wird die RTL Group vor allem beim Programm sparen. Zwar fallen auch Stellen weg: In Großbritannien beim Sender Five 90 von 350, in den Niederlanden sank die Zahl der Festangestellten um ein Viertel auf 450. Und in Deutschland streicht RTL, das hier 2500 Mitarbeiter hat, wohl drei Dutzend Technikerstellen und 20 Stellen bei den Eigenproduktionen.

Lesen Sie auf Seite drei mehr über die Machtspiele im Bertelsmann-Vorstand

Eigentümerpaar Reinhard und Quelle: dpa

Doch Privatsender fahren eh mit deutlich geringerem Personalbestand als die öffentlich-rechtliche Konkurrenz. Im Fokus stehen daher die Programmkosten. „Und das wird auf Sicht zulasten der Qualität gehen“, sagt Medienexperte Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut.Sendungen, die nun nicht produziert werden, „fehlen zudem in den Folgejahren, wo man sie kostengünstig als Wiederholung hätte laufen lassen können“, sagt Röper.

Gleichzeitig greift Konkurrent Sat.1 mit prominenten Neuzugängen wie Johannes B. Kerner und Oliver Pocher an. Ob überforderte Teenager, die Babys hüten, und der ewig laute Dieter Bohlen RTL reichen, um den Vorsprung zu halten? Zudem schauen auch Sender in anderen Ländern aufs Geld. Das, so Röper, bekomme RTLs Produktionszweig Fremantle Media zu spüren: „Die Verkäufe ins Ausland dürften angesichts der internationalen Medienkrise sinken.“

"Da läuft ein Machtspiel"

Zur Nervosität trägt bei, dass im Vorstand weiter Unruhe herrscht. Ob ungewollt oder gezielt – als vor wenigen Tagen die eilig dementierte Zahl von 10.000 Stellen kursierte, die bei Bertelsmann gestrichen werden sollten („falsch und pure Spekulation“), wurde die von Branchenkennern schnell in Verbindung gesetzt mit einem Interview, das Finanzchef Rabe Mitte Mai im Bertelsmann-Intranet gegeben hatte.

Darin erklärte Rabe, wie McKinsey-Berater zurzeit in Gütersloh die Konzernzentrale und die Stabsstellen der Sparten nach Sparpotenzialen durchforsten. Das gehört zu Rabes Beritt, der wie die übrigen Spartenchefs nach Einsparungen sucht. Aus dem laut Bertelsmann nur auf die Zentralbereiche gerichteten Projekt wurde in der Medienöffentlichkeit prompt das große Bertelsmann-Sparprogramm und aus Rabe der oberste Spar-Star. Sauer stieß manchem Bertelsmann auch auf, dass Rabe überhaupt externe Berater hinzuzog.

„Da läuft ein Machtspiel“, sagt ein langjähriger Kenner des Konzerns. Ostrowski sitze zwar solide im Sattel und könne sich des Rückhalts der Familie Mohn sicher sein. Daher wundert sich mancher, „warum ist Rabe nicht längst weg?“.

Ostrowski habe schon andere Stellen wie die Spitze von Random House mit Vertrauten besetzt - für den Finanzposten fände sich sicher einer. Das liegt wohl auch daran, dass Rabe den Mohns vor drei Jahren einen Dienst erwiesen hat: Er half dabei, den 25-prozentigen Anteil des belgischen Milliardärs Albert Frère zurückzukaufen, um einen Börsengang zu verhindern.

Dafür, heißt es, seien die Mohns ihm dankbar und wollten ihn an Bord halten. Ihre Gunst könnte Rabe bisher vom Wechsel auf einen Spritzenposten anderswo abgehalten haben - und ihm die Hoffnung erhalten, irgendwann in Gütersloh den womöglich ersehnten Chefsessel zu ergattern. Das macht Ostrowskis Arbeit nicht eben einfacher.

Die Luft ist dünn - sei es in der Top-Liga der Medienriesen oder unter Fußballern der sechsten Spielklasse.

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