Stiftungen Auch in Deutschland ist spenden und stiften in

Bill Gates hat für seine Stiftung inzwischen nicht nur Warren Buffett begeistert, sondern Dutzende Superreiche, die mindestens 50 Prozent ihres Vermögens spenden. Auch in Deutschland werden Stiftungen immer beliebter - und es geht auch hier um Milliardenbeträge. Allerdings ist nicht immer nur Mildtätigkeit der Hauptgrund, sein Geld zu spenden.

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Die Bertelsmann-Stiftung ist eine der größten in Deutschland. Quelle: dpa

HB BERLIN. In den USA haben Bill und Melinda Gates eine Stiftung der Superlative gegründet. Allein ihr Anteil und der von Warren Buffett dürfte eines Tages an die 100 Mrd. Dollar heranreichen. Dazu kommen, wie jetzt bekannt wurde, 40 Superreiche, die mindestens die Hälfte ihres Vermögens spenden werden.

An solche Zahlen kommen die Stiftungen in Deutschland zwar nicht heran. Aber der Trend ist iherzulande derselbe: Die Gesamtzahl der rechtsfähigen Stiftungen ist mit fast 15 500 nahezu so hoch wie vor dem zweiten Weltkrieg, sagte der Generalsekretär des Bundesverbandes deutscher Stiftungen, Hans Fleisch, als er vor wenigen Wochen den Stiftungsreports 08/09 vorgestellte hat. Die Summe des Stiftungskapitals summiere sich nach einer groben Schätzung mittlerweile auf rund 100 Milliarden Euro.

Als Ursache des wachsenden Interesses gilt zum einen die Reform des Stiftungsrechtes, aber auch ein Mentalitätswechsel in der Bevölkerung: Während sich der Großteil der Bevölkerung noch vor wenigen Jahren nicht für Stiftungen interessierte, billigen ihnen heute schon zwei Drittel eine wichtige positive Rolle zu. Die Menschen vertrauten immer weniger auf den Staat, statt dessen mache sich eine "Wir-können-das-auch-selbst"-Haltung breit, sagte Fleisch.

Der renommierte Integrationsforscher Klaus Bade lobte Stiftungen als "Pioniere" auf dem Feld der Integration und der Bildung - also zwei Großbaustellen der deutschen Politik. Sie bewegten sich auf diesem Feld "wie Antilopen, die den staatlichen Elefanten vorauslaufen". Das sei umso bedeutender, als sich die Folgekosten mangelnder Integration nach einer Bertelsmann-Studie auf jährlich bis zu 16 Mrd. Euro beliefen, mahnte Bade.

Von den rund 900 Stiftungen, die sich der Integration von Migranten vor allem über Bildung widmen, lobte er vor allem das Start-Programm der Hertie-Stiftung, das jungen Menschen den Weg zum Abi und so auch zum Studium ebnet, und die Förderschulen der Mercator-Stiftung für Migranten. Im Stiftungsreport plädiert auch die Bundeskanzlerin für mehr Kooperation des Staates mit Stiftungen in Sachen Integration.

Ein Dorn im Auge sind dem Stiftungs-Verband allerdings die Konditionen der Banken für ihre Klientel: Im Schnitt habe die Rendite in den beiden vergangenen Jahren bei nur 4,4 Prozent gelegen, monierte Fleisch. Dass fast jede siebte Stiftung mehr als fünf Prozent aus ihrem Kapital hole, beweise, dass mehr möglich sei. Fleisch rief daher vor allem kleinere Stiftungen auf, sich zusammen zu tun, um ihre Position gegenüber den Banken zu stärken.

Völlig unterbelichtet sei die Kreditwirtschaft bei ethischen, ökologischen und sozialen Geldanlagen - obwohl das Interesse daran rapide zunehme. 60 Prozent von 800 befragten Stiftungen seien hier mit dem Angebot und der Beratung unzufrieden. Bei einem Gesamtvermögen der deutschen Stiftungen von 100 Mrd. Euro sei das eine vernachlässigte Summe von bis zu 60 Mrd. Euro, machte Fleisch die Dimension klar.

"Familienstiftungen erleben zurzeit einen wahren Gründungsboom", sagt auch Klaus Schweinsberg, Partner der Intes Akademie für Familienunternehmen." Allein rund 40 der 100 größten Familienunternehmen in Deutschland sind bereits heute schon im Stiftungswesen aktiv. Ein weiteres gutes Dutzend plant, in absehbarer Zeit mit neuen eigenen Stiftungen an den Start zu gehen", schätzt der Experte für inhabergeführte Unternehmen. Darunter zum Beispiel der Gründer des Hamburger Otto-Versands Werner Otto. Zwei Tage vor seinem 100. Geburtstag - im August 2009 - verkündete der gebürtige Brandenburger, gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau Maren künftig arme, ältere Menschen in Berlin und Brandenburg über die Werner und Maren Otto-Stiftung zu unterstützen.

Dass gerade jetzt in der Wirtschaftskrise so viele Familienunternehmer, Teile ihres Firmenvermögens in gemeinnützige Stiftungen umschichten, hat nicht nur mit Mildtätigkeit zu tun. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt vielmehr die Gefahr, dass Familienmitglieder dem Unternehmen von der Stange gehen und plötzlich ausbezahlt werden wollen.

"Ein Damoklesschwert, das vor allem über Familienunternehmen der dritten und vierten Generation schwebt", sagt Rechtsanwalt Mark Binz von Binz & Partner in Stuttgart. "Familienclans, die es schaffen, auch als Unternehmerfamilie bis in die fünfte Generation zusammenzuhalten, wissen in der Regel, wie man Krisen und Konflikte übersteht und pflegen ganz bewusst Rituale und Instrumente, die den Zusammenhalt stärken." Kein Wunder also, dass Traditionshäuser wie Bertelsmann, Heraeus oder Haniel sich schon seit Jahrzehnten als Stifter engagieren. Sie wissen, welche Zugkraft Institutionen der guten Tat auf das Gemeinschaftsgefühl der Gesellschafter haben können.

"Riefen Familienunternehmer bislang Stiftungen ins Leben, wenn sie in der Familie keinen Nachfolger fanden, wollen sie heute damit häufig die wachsende Zahl an Gesellschaftern an das Unternehmen binden", bestätigt Binz. "Stiftungen eröffnen aber auch die Möglichkeit, jenen Familienmitgliedern eine Rolle zu übertragen, die sich im Beirat oder Gesellschafterausschuss nicht wohlfühlen würden", sagt Schweinsberg. Wie zum Beispiel Beate Heraeus, Philologin und Schwiegertochter des Firmengründers des gleichnamigen Hanauer Hightech-Konzerns, die als Vorstand der Bertha- Heraeus- und Kathinka-Platzdorff-Stiftung die Bildungslandschaft beflügelt. Auch die Kinder von Unternehmensgründern müssten nicht selbst über Unternehmertalent verfügen, so Schweinsberg. Als Ärzte oder Künstler könnten sie aber in Stiftungen ihre Qualifikationen auch für das Unternehmen einbringen.

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