TSG Hoffenheim SAP-Gründer Hopp: Wie ein Fußballballverein als Unternehmen geführt wird

Hoffenheim-Sponsor und SAP-Gründer Dietmar Hopp über seine Fußball-Leidenschaft, Jugendarbeit und seinen Wunsch nach größeren Toren.

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Hoffenheim-Sponsor und SAP-Gründer Dietmar Hopp Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Hopp, die TSG Hoffenheim lag nach dem ersten Spieltag der Rückrunde auf Platz eins der Bundesliga-Tabelle. Das Hoffenheimer Rathaus hat aber gar keinen Balkon für eine Meisterschaftsfeier.

Hopp: Das wäre meine geringste Sorge. Aber man wird ihn auch nicht brauchen.

Haben Sie sich die Gedanken an die Meisterschaft verboten?

Natürlich habe ich schon mal daran gedacht, wie es wäre, aber dann ganz schnell aufgehört zu denken. Weil es einfach ausgeschlossen ist.

Was macht Sie da so sicher?

Unter anderem weil die Mannschaft den Schock gekriegt hat durch den Verlust des Stürmers Vedad Ibisevic. Der war wichtig, der war der Vollstrecker. 18 Tore selber geschossen, acht vorbereitet. Der ist schon schwer zu ersetzen. Ich traue den anderen schon zu, dass sie weiterhin guten Fußball spielen, aber er fehlt. Ein Traum für mich wäre es, wenn wir den fünften Platz erreichen und im UEFA-Cup spielen würden.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie seit 1990 ein Baby großgezogen haben. Sind Sie zufrieden mit seiner Entwicklung?

Ich habe ja 1990 nicht begonnen mit dem Ziel, einmal mit der TSG Hoffenheim Bundesliga zu spielen. Ich habe 1990 nach einem sportlichen Rückschlag mich entschlossen, den Verein zu unterstützen, bei dem ich in meiner Jugend Fußball gespielt habe. Dabei habe ich von Beginn an mein Hobby, die Förderung der Jugend, mitverfolgt. Hoffenheim hatte damals so gut wie gar keine Jugendmannschaft. Die Jugendarbeit ist dann später so erfolgreich gewesen, dass die Seniorenmannschaft nachziehen musste, um die Vorbildfunktion für die Jugendlichen zu erfüllen.

Was tun Sie noch, um die Jugend zu unterstützen?

Ich gehe auch heute noch zu unserer A-Jugend und B-Jugend, wann immer es geht, und natürlich zur U-23. Zum einen, weil ich gerne Fußballspiele sehe, und zum anderen, weil ich den Ehrgeiz habe, dass möglichst viele aus unserer Jugendförderung in den Profikader kommen. Die möchte ich in ihrer Entwicklung beobachten.

Als Grund für fehlenden Nachwuchs werden oft die fehlenden Bolzplätze und zahlreichen Alternativen in der Freizeit genannt. Ist das überhaupt zurückzudrehen?

Man kann schon einiges machen. Unsere Jugendförderung fängt im Kindergarten an. Wir arbeiten mit dem sportwissenschaftlichen Institut in Heidelberg zusammen. Der Professor schickt im Rahmen der Ballschule seine Studenten in die Kindergärten und in die Grundschulen. Da fängt es an, die Freude an der Bewegung, die Geschicklichkeit. Erschütternd ist doch, dass ganz viele Kinder noch nicht einmal rückwärts laufen können. Ich denke, wir bekommen auch wieder mehr gute Fußballer, wenn die Kinder frühzeitig und regelmäßig Sport machen. Das muss nicht unbedingt Fußball sein, darauf kommt es nicht an, aber die Kleinen müssen zunächst spielen lernen. Die Vorliebe für eine Sportart entwickelt sich dann etwa ab neun Jahren.

Waren Sie als Kind auch schon Fußballfan?

Als ich 14 war, wurde Deutschland 1954 Fußballweltmeister. Ich hätte Ihnen damals die Ergebnisse der Oberliga der vergangenen Saison alle nennen können. Ich war schon sehr begeisterter Fußballfan.

Muss man dafür gleich einen Verein in die Erste Liga befördern?

Nein, aber im Arbeitskreis Sport der Metropolregion Rhein-Neckar wurde die Idee entwickelt, dass wir hier in der Region Bundesliga-Fußball brauchen. Die am höchsten spielende Mannschaft war in der Regionalliga damals, das war die TSG Hoffenheim. Und da habe ich mich dann an die Spitze der Bewegung gesetzt, im Vertrauen darauf, dass die Unternehmen das mitunterstützen. Was sie auch getan haben, wenn Sie nur einen Blick in die neue Rhein-Neckar- Arena werfen.

Für welchen Verein schlug denn bis zum Aufstieg Hoffenheims Ihr Herz?

So ab 1950, die Bundesliga begann ja erst 1963, war ich Fan von Kickers Offenbach, danach aber schon bald vom VfB Stuttgart. Vor der Weltmeisterschaft 1954 hat es mich noch gefreut, als Kaiserslautern 5:1 gegen Hannover verloren hat. Aber nach dem Finale waren natürlich auch die fünf Kaiserslauterer meine Lieblinge. Die Weltmeisterschaft war das größte Erlebnis für einen Fußballfan. In der Bundesliga habe ich noch sympathisiert mit Karlsruhe, weil ich dort studiert habe. Da habe ich auch mein absolutes Top-Spiel gesehen – der KSC gegen FC Santos aus São Paulo. Pele, Didi, Garrincha an einem schönen Sommerabend – 6:8. 14 Tore! Eins schöner als das andere.

Angriffsfußball – dafür steht auch die TSG Hoffenheim. Wie wichtig ist das für das Image?

Der attraktive Fußball bringt natürlich die Begeisterung und wird dafür sorgen, dass die Verwurzelung der Fans schneller geht. Ich bin sicher, dass Sympathien durch die Spielweise entstehen.

Nicht alle teilen die Begeisterung. Ihnen weht da viel Wind entgegen, inner- und auch außerhalb der Stadien. Haben Sie das in Ihrer Zeit bei SAP schon mal erlebt?

Das war bei SAP sicher nicht so. Damit hatte ich auch nicht gerechnet.

Sind die unternehmerischen Kämpfe fairer?

Sie sind nicht so persönlich, das ist im Fußball leider anders.

Sind Larry Ellisons Sprüche, der als Oracle-Chef gerne gegen Konkurrenten wie SAP schimpft, milde im Vergleich zu dem, was in der Bundesliga passiert?

Ellison hatte seine Privatfehden ja eher mit meinem Kollegen Hasso Plattner.

Aber ist es denn persönlich, wenn der Präsident der Eintracht Frankfurt, Heribert Bruchhagen, sich im „Stern“ zitieren lässt mit den Worten: „Stellen Sie sich vor, auch Wolfsburg und Hoffenheim kommen in die Champions League, das wünscht sich keiner ernsthaft für die Bundesliga.“

Woher weiß er das denn, der Herr Bruchhagen? Das ist grenzwertig und steht ihm eigentlich nicht zu.

Als langjähriger Fußballfan kennen Sie auch die markigen Sprüche von Uli Hoeneß, des Managers des FC Bayern München...

...ja, die Abteilung Attacke...

...nun erleben Sie das Münchner Störfeuer erstmals als Betroffener. Waren Sie überrascht?

Ein wenig schon. Aber das war sicher auch eine Art Anerkennung, wenn man die Hintergründe kennt. Man weiß ja, wen er in der Vergangenheit attackiert hat, und das waren die ernsthaften Konkurrenten. Das ist mir immer noch lieber als das Zitat von Herrn Bruchhagen.

Auch von den gegnerischen Fans wurden Sie verschmäht und verspottet. Nach dem Spiel in Mannheim, wo ein Fan Ihr Bild mit einem Fadenkreuz übermalte, sagten Sie, dass Sie überlegen, nicht mehr zu Auswärtsspielen mitzufahren.  Haben Sie schon eine Entscheidung getroffen?

Ich habe die Entscheidung getroffen, nicht mehr zu sagen, wo ich hinfahre.

Aber Aggression und Fan-Feindschaft gehören für viele Fans auf den Rängen dazu.

Gegen Verspottung habe ich ja gar nichts. Das gehört sicher dazu, aber diese Art des persönlichen Angriffs, mit der Zielscheibe auf meinem Konterfei, das hat eine Grenze überschritten. 

Auf langfristige Sicht soll der Hoffenheimer Fußballklub wirtschaftlich autark werden Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Viele dieser Emotionen gehören zur Tradition der Vereine. Hoffenheim hat in der Bundesliga keine, da braucht es doch mehr als nur ein frühes Gründungsdatum.

Das braucht Zeit. Es ist noch keiner vom Himmel gefallen. Wenn 1905 jemand gesagt hätte, Schalke hätte keine Existenzberechtigung, weil sie erst ein Jahr existieren, das wäre doch wirklich schade gewesen! Man muss meiner Meinung nach damit leben, dass es Neugründungen gibt. Es gibt Neugründen von Firmen: SAP, Microsoft, Google – wo wären sie denn alle, wenn Tradition ein Eintrittskriterium wäre? Wenn die Kritiker einen geschlossenen Club der Traditionalisten wollen und immer mal einer herausfällt, weil er schlecht gewirtschaftet hat, dann sind es irgendwann nur noch wenige Clubs, die in der Ersten Liga spielen – wie langweilig!

Braucht der Aufbau von Tradition krachende, dramatische und schmerzliche Niederlagen?

Die wird es geben und hat es schon gegeben. Die Niederlage gegen Bremen mit dem Endstand 4:5 war eine schöne Niederlage, weil es ein tolles Spiel war. Die Niederlage gegen Bayern München mit 1:2 war schmerzlich, weil sie eigentlich unverdient war. Bei beiden Spielen wäre ein Unentschieden angemessen gewesen. Warten Sie noch ein paar Jahre, und wir werden berauschende Siege und grässliche Niederlagen erlebt haben.

Sind Sie stets Sportsgeist und begrüßen ein Unentschieden, oder nehmen Sie auch drei schmutzige Punkte?

Geb’ ich zu: Die nehmen wir auch mit. Als wir aus Bremen abgereist sind, waren viele der Meinung, diese Niederlage ist fast wie ein Sieg zu bewerten. Nach einem 1:4 Mitte der ersten Halbzeit noch zum 4:4 aufzuholen und dann zu verlieren habe ich gar nicht gerne gesehen, drei Punkte wären mir lieber gewesen als die Anerkennung für die Spielweise. Aber auf Dauer zählt natürlich, dass wir attraktiven Fußball spielen.

Ist das Ihr Wunsch gewesen an den Trainer? Sie galten als Stürmer ebenfalls als ziemlich direkt.

Die Würze des Spiels, 1000-mal gesagt, sind nun mal die Tore. Deswegen hätte ich auch gar nichts dagegen, wenn man die zwei Meter breiter und etwas höher machen würde, um die körperlichen Vorteile des Torwarts von heute im Vergleich zu vor 50 Jahren auszugleichen. Gut, die Stürmer schießen heute auch viel härter.

Das bleibt wohl ein Traum.

Ja, und die Verantwortlichen sollten lieber eine Torkamera zulassen. Und der Schiedsrichter sollte, vielleicht bis zu fünf-mal, technische Hilfe in Anspruch nehmen dürfen, wenn er sich nicht sicher war. Nicht, wenn er ein harmloses Abseits pfeift. Aber wenn Zweifel bleiben, ob es Abseits war, dann wäre ich schon dafür.

Das Spiel wäre gerechter, aber der Fußball wäre um ein paar Mythen ärmer – denken Sie nur an das Tor in Wembley 1966.

Ich könnte darauf verzichten, wenn wir ohne diese Fehlentscheidung Weltmeister geworden wären. Die Schiedsrichter tun mir leid. Denn über die wird hergefallen wenn sie im Bruchteil einer Sekunde eine brutale Fehlentscheidung getroffen haben.

Sich um solche Details zu kümmern, gehört das zu Ihrer Rolle im Verein?

Von mir sieht man oft wochenlang gar nichts, dann wieder sehr viel. Ich bin bei dieser Geschichte nur eine Randfigur. Was das Gestalten betrifft, dafür gibt es Leute, die das viel besser können, wie Trainer Ralf Rangnick oder Jan Schindelmeiser im Profibereich oder Bernhard Peters, der sich vornehmlich um die Jugend kümmert, aber auch als Gesprächspartner Ralf Rangnick zur Seite steht.

Das klingt, als würden Sie den Verein so begleiten wie sich ein Aufsichtsrat um ein Unternehmen kümmert.

Mir war klar, dass wir keinen Erfolg haben können, wenn wir keine vernünftigen Strukturen schaffen. Das war nicht so einfach, diese Leute nach Hoffenheim zu bringen. Dabei war ich dann wohl mehr als eine Randfigur.

Die Suche nach dem Trainer und seinen wichtigsten Mitarbeitern haben Sie keinem Headhunter überlassen?

Das lief auf der persönlichen Ebene, ja.

Stammt der Businessplan von Ihnen?

Nicht der Businessplan, aber der Rahmen. Ich habe eine bestimmte Summe als Anfangsinvestition eingeplant. Aber ich habe auch ganz klare Vorstellungen, dass der Club in absehbarer Zeit positive Zahlen schreiben soll.

Oft wird Ihr Verein dafür angegangen, dass so viel Geld da ist. Kann man Erfolg doch planen?

Diejenigen, die ein Problem damit haben, dass ein Fußballclub als Unternehmen geführt wird, denken zu kurzsichtig. Alle Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga, müssen eine seriöse Rechnungslegung vorweisen, mit Abschreibungen auf die Spieler und anderes mehr. Sie können nicht, wie noch vor 20 Jahren, wie ein Hasenzüchterverein agieren.

Hängt in Hoffenheim alles an „Vadder Hopp“?

Nein, es ist sogar meine absolute Verpflichtung den Verein in die Lage zu versetzen, dass er auch ohne mich auskommt. Ich werde im Frühjahr 69 Jahre alt, irgendwann gibt’s mich nicht mehr, dann muss der Verein doch überleben können.

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