Versicherungen Wie Inga Beale Lloyd's gegen den Brexit absichert

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Auch ohne Brexit reichlich Baustellen

Dabei hat Beale, die in ihrer Geburtsstadt Newbury westlich von London Wirtschaftswissenschaften studierte und ihre Karriere 1982 bei dem britischen Versicherer Prudential begann, auch ohne den Brexit reichlich Baustellen. Die niedrigen Zinsen drücken bei den Versicherern auf die Renditen bei der Kapitalanlage und verschärfen die Konkurrenz innerhalb der Branche. Der Lloyd’s-Gewinn stagnierte im vergangenen Jahr bei umgerechnet 2,4 Milliarden Euro.

Dominick Hoare kümmert sich für den Münchner Rückversicherer Munich Re um das Geschäft mit Lloyd’s of London. Der größte Rückversicherer und der größte Spezialversicherer der Welt sind enge Partner. Von seinem Büro kann Hoare beinahe in die Lloyd’s-Büros blicken. Von einem „schwierigen Umfeld“ spricht Munich-Re-Mann Hoare, „es ist viel zu viel Kapital im Markt“. Allerdings glaubt Hoare auch: Mit Beale stehe die richtige Frau an der Spitze des Traditionshauses. Es sei eine „sehr schöne Überraschung“ gewesen, als Lloyd’s die Personalie Beale vor beinahe vier Jahren bekannt gemacht habe, sagt Hoare. Nicht nur fachlich, woran ohnehin in London niemand zweifelt, sei Beale eine gute Wahl gewesen.

Auch dass in dieser muffigen Institution endlich und zum ersten Mal jemand anderes als ein älterer, grauer Herr die Geschäfte führt, kam in der eigentlich nicht auf Außergewöhnlichkeiten bedachten Branche gut an.

Im Jahr 1686 gründete Edward Lloyd in einem Café, nur wenige Straßen entfernt vom heutigen Stammsitz, die Versicherungsbörse. Das Lokal war beliebt bei Seefahrern, Schiffsbesitzern und Geschäftsleuten, die mit den Kolonien des Empire Handel trieben. Ein idealer Ort, um Versicherungen für Schiffsladungen anzubieten. Das Geschäft entwickelte sich gut, doch Lloyd’s musste auch immer wieder Rückschläge einstecken. Die 1912 gesunkene Titanic war bei Lloyd’s versichert, genauso wie der Öltanker Exxon Valdez und das World Trade Center in New York. Weltraumsatelliten, Ölplattformen oder Verkehrsflugzeuge gehören auch zum Kerngeschäft.

Die frühere Rugbyspielerin Beale liebt es, sich durch unsicheres Terrain zu kämpfen. Sie hat angefangen, in der Versicherungswirtschaft zu arbeiten, als die Branche noch eine reine Männerwelt war. Insgesamt 14 Jahre hat sie in der Finanzsparte von GE gearbeitet, unter anderem in München. Vor gut zehn Jahren wechselte sie zu dem Schweizer Rückversicherer Converium und schaffte es, das ins Schlingern geratene Unternehmen wieder in die Spur zu bringen. Zwischendurch hat sie eine Auszeit genommen, ist mit dem Rucksack ein Jahr durch Asien gereist. Völlig unprätentiös, geradeheraus und natürlich: So beschreiben ehemalige Weggefährten Beale. Kollegen fällt auf, dass sie eigentlich überall ihr Wasser direkt aus der PET-Flasche trinkt.

Bei anderen Versicherungschefs nur schwer denkbar.

Blick in die Lloyd´s-Zentrale. Quelle: Chris Gloag für WirtschaftsWoche

Und tatsächlich wirkt die Britin, als könne sie sich gar nicht verstellen. „Es war ein großes Ding am Anfang, vor allem wegen der herausgehobenen Stellung von Lloyd’s“, sagt Beale etwa über ihren Antritt bei der Londoner Institution. Zu ihrer Bisexualität hat Beale sich bereits bekannt, als andere darüber nicht mal im Freundeskreis geredet haben; den Schlüsselanhänger mit den Regenbogenfarben trägt sie schon seit Jahren. Will Beale ihre herausgehobene Position nutzen, um für mehr Toleranz bei bei der sexuellen Orientierung zu werben? „Nein“, sagt sie, „aber wenn sich andere durch mich ermutigt fühlen, freut mich das natürlich.“

Vier Etagen belegen die Versicherer und Broker in dem Atrium der Lloyd’s-Zentrale, einem Gebäude mit auffälliger Stahlverkleidung. In der Mitte hängt eine alte Glocke. Jedes Mal, wenn ein Schiff gesunken war und die versicherte Ladung in die Tiefe gerissen hatte, wurde bei Lloyd’s geläutet. Bei großen Katastrophen schlagen sie die Glocke auch heute noch, zuletzt bei dem Terroranschlag auf ein Popkonzert in Manchester.

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