wurst.tv: Der Wurst auf die Pelle rücken

„Nur unser Herrgott und der Metzger wissen, was in der Wurst ist“, lautet ein schwedisches Sprichwort. Ein anderes zieht Verbindungen zur Legislative: „Wer gerne Wurst ist und die Gesetze achtet, sollte nicht bei ihrer Herstellung zugegen sein.“

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Keine Frage: Die Wurst hat einen schlechten Leumund, und das nicht erst seit der BSE-Krise. Doch spätestens seit der Diskussion um Separatorenfleisch in Koch- und Brühwürsten wurde aus dem Image-Fleck ein Absatz-Loch. Auch die Firma Wolf im oberpfälzischen Schwandorf litt darunter. Um sich von schwarzen Schafen in der Branche abzusetzen, überlegte das Unternehmen, müsste man eigentlich alle Kunden durch den Betrieb führen. Da das nicht möglich ist, kam die Idee mit den Live-Webcams auf. 19 Kameras übertragen unter der Adresse www.wurst.tv täglich zwei Stunden lang aus allen Bereichen der Produktion - von der Anlieferung über Kutterei und Pökelei bis zum Versand. Auch die Zulieferer sind teilweise schon mit der Kamera im Netz. Gemeinsam mit den beiden Dienstleistern Pro Team und ProWeb Solutions wurde die Idee innerhalb von zehn Wochen in die Tat umgesetzt. Seit dem 26. April ist wurst.tv online. In den ersten elf Stunden zählten die Betreiber nicht weniger als 1,5 Millionen Page Impressions – ein sagenhafte Zahl. Martin Müller, Geschäftsführer von Pro Team und Koordinator des Projekts, rechnet zwar nicht damit, dass sich solche Zahlen auf Dauer halten lassen. Schließlich sei der anfängliche Neugier-Effekt ein wesentliches Motiv für den Besuch der Website. Doch die Imagewirkung dieser, so Müller, „phänomenalen Resonanz“ sei an sich schon ein Meilenstein. Die multimediale Verwurstung der Wolfschen Produktion wurde gemeinsam mit den Mitarbeiten beschlossen. Damit sich die Arbeiter nicht rund um die Uhr beobachtet fühlen, senden die Livecams nur zwei Stunden täglich von jeweils sechs Stationen. Die Lücken füllen Videos, Fotos und Erläuterungen der einzelnen Schritte im Werdegang einer Wurst. Auch die Rezepte und Zutatenlisten lassen sich herunterladen. Besonders aufwändig sind die 360-Grad-Panoramabilder. Die Aufnahmen mit einer eigens gemieteten Spezialkamera haben drei Tage gedauert. Dafür können Nutzer sich jetzt nicht nur in der Wurstfabrik umschauen, sondern fast soweit heranzoomen, dass sie die Maschinenschilder lesen können, verspricht Müller. Voraussetzung ist allerdings, dass die Nutzer ein Quick-Time-Plugin installiert haben. Durch die kurze Entwicklungszeit ist vieles noch eine Baustelle. Doch bald sollen alle Livecams freigeschaltet und die Navigation vereinfacht werden, kündigt Müller an. Außerdem sollen die Sendezeiten der einzelnen Kameras gestaffelt werden, so dass Nutzer ihren Wecker nicht mehr auf zehn Uhr morgens stellen müssen, um einer Liveübertragung aus der Welt der Wurst beiwohnen zu können.

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