Finanzkrise Tiefe Risse im Verhältnis zwischen Banken und Unternehmen

Die Finanzkrise belastet das Verhältnis vieler Unternehmen zum Geldgewerbe, allen voran zu den Investmentbankern, schwer.

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Eine Mitarbeiterin von Lehman Brothers schreibt dem Chef der bankrotten Bank, Richard Fuld eine Nachricht auf sein Portrait Quelle: rtr

Auf diese Panne war Michael Bernsdorf * nicht eingestellt. Die Controller des süddeutschen Unternehmers, der Kleinteile für die Automobilindustrie herstellt, hatten sich verrechnet. Die neue Produktionshalle fiel zu groß aus, das Geld für die Investition reichte nicht mehr. Bernsdorf, der seinen Namen auf keinen Fall in der Zeitung lesen will, blieb nur der Weg zu seiner Bank.

Doch was ihm da widerfuhr, hatte er bis dahin noch nicht erlebt. Die Bank nahm die Finanzierungslücke zum Anlass, brutal die Daumenschrauben anzuziehen. „Statt uns zu helfen, haben uns die Banken Berater mit astronomischen Tagessätzen aufgenötigt, das Renditeziel auf irreale Höhen hochgeschraubt und den Zinssatz fast verdoppelt“, sagt der Unternehmer. Bernsdorf wird sogar den Verdacht nicht los, dass die Banker nichts anders im Sinn hätten, als seine Firma zu zerlegen und die Einzelteile zu verkaufen. „Ob das denen langfristig mehr Geld bringt, ist die Frage“, schimpft er. „Aber die sehen uns nur durch die Brille des Investmentbankers, für banale Betriebswirtschaft sind die sich doch viel zu fein.“

Der Autozulieferer spricht aus, was seit der Eskalation der internationalen Finanzkrise zum Streitthema der deutschen Wirtschaft wird. Hatten Unternehmer und Manager in den vergangenen Jahren nur leise Kritik am Geldgewerbe gewagt, bricht der Unmut jetzt, wo sich Geld, Gier und Macht der Investmentbanker in Luft auflösen, offen Bahn, steht der deutschen Wirtschaft der große Konflikt ins Haus.

Hier die vielen Unternehmenslenker, die sich abrackern, um ein paar Maschinen oder ein paar Zulieferteile mehr zu verkaufen. Dort die Riege feiner Damen und Herren im Bankerzwirn, die mit zunehmender, kaum verhohlener Verachtung auf Bauunternehmer, Maschinenbauer oder Chemiefabrikanten herabblickten. Statt das Geschäft zu finanzieren und die Zukunft durch Kredite zu sichern, so der immer lautere Vorwurf, rückten vornehmlich stattliche Eigenkapitalpolster und wertvolle Immobilien, ja der Unternehmensverkauf in den Fokus. Das Ganze mit viel Fremdkapital unterfüttert, so die beißende Schlussfolgerung, ließen sich mit solchen Deals mal schnell 30, 40 oder mehr Prozent Rendite erzielen – ein Vielfaches dessen, was ein klassischer Unternehmer zuwege brächte.

Forderung nach Rückbesinnung auf Traditionen und Werte

Die Reihe derer, die das nun offen kritisieren, wird angeführt von prominenter Seite. „Wenn Finanzinvestoren Unternehmen nur kaufen, um sie nach kurzer Zeit wieder mit Gewinn zu verkaufen, dann ist das nicht gut für die Kultur unserer Unternehmen“, sagt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, Eigentümer einer metallverarbeitenden Unternehmensgruppe. Deutschland sei das Land mit der größten Industrieproduktion weltweit und damit wirtschaftlich stark geworden. „Wir brauchen eine Rückbesinnung auf unsere Traditionen und Werte, um unser System der sozialen Marktwirtschaft mit den Säulen Freiheit, Verantwortung und Solidarität zu verteidigen.“

Ins gleiche Horn stößt Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags und Chef des weltweit tätigen Medizintechnik-Konzerns Braun-Melsungen. „Noch bis zu Beginn der konjunkturellen Aufwärtsbewegung mussten wir uns der Behauptung entgegenstellen, dass das produzierende Gewerbe zu den Auslaufmodellen unserer Volkswirtschaften gehöre“, sagt Braun, „doch Deutschland kann froh sein, dass es ein industrielles Rückgrat hat.“ Viele Unternehmer seien den Ratschlägen insbesondere der Investmentbanker „zum Glück nicht gefolgt“.

Der Aufstieg und Fall der Investmentbanker, die in den Achtzigerjahren aus den USA herüberschwappten, trifft die meisten der hiesigen Unternehmenslenker an ihrer wohl deutschesten Stelle. Denn anders als bei Unternehmen wie Porsche oder dem Wälzlagerhersteller Schaeffler, die wie Investmentbanker agieren, war der Finanzkapitalismus angelsächsischer Prägung den meisten hiesigen Firmenchefs schon immer unheimlich. Während andere Länder einen Rückgang der Industrie verzeichneten und Großbritanniens sogar zum wichtigsten Finanzplatz der Welt aufstieg, legte der Anteil der Industrie in Deutschland an der Wertschöpfung in den vergangenen Jahren sogar leicht auf 23,6 Prozent an.

Wer auf dieser Welle schwimmt, ärgert sich besonders über die allgegenwärtigen Anrufer vom Typ Richard Fuld, dem gescheiterten Chef der US-Investmentbank Lehman Brothers, die vorvorige Woche Pleite ging und auch die deutsche Bankenlandschaft beschädigte. Kaum noch ein Unternehmer, der sich nicht von der Investmentabteilung der Hausbank oder sonstigen Investmentbankern bedrängt fühlt, die die Firma kaufen oder Investoren einschleusen wollen. Selbst Betriebe, die außer ihrem Geschäftskonto kaum Verbindungen zu Banken haben, sind davon nicht verschont. „Die rufen hier andauernd an“, klagt Christine Wedler, „wollen die Firma kaufen.“ Das Unternehmen im Berliner Technologiezentrum Adlershof, das der Chemikerin zusammen mit einem Partner gehört, firmiert unter dem Namen Asca, beschäftigt 30 Mitarbeiter und treibt für große Pharmaunternehmen Auftragsforschung.

*Name und Funktion verändert

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