WirtschaftsWoche: Neues Jahr, neues Glück: Sollte ich gleich am ersten Arbeitstag im neuen Jahr nach mehr Geld fragen?
Martin Wehrle: Wenn man dem Chef zu früh auf den Füßen steht, geht der Schuss nach hinten los. Zum Jahresbeginn haben Vorgesetzte übermäßig viel Arbeit auf dem Schreibtisch. Nach der Weihnachtspause muss viel nachgeholt werden, da fehlt es an der Konzentration. Darum sollte man nicht sofort zum Jahresbeginn die Initiative ergreifen.
Wann wäre denn ein guter Termin für die Gehaltsverhandlung?
Durchaus im ersten Viertel des Jahres. Normalerweise kommen die Leute erst gegen Ende des Jahres, also im Herbst, auf die Idee. Und dann ist der Gehaltsetat, den man sich wie einen Kuchen vorstellen kann, schon fast vergriffen und die Stücke werden kleiner. Wenn man den Fuß früh in die Tür stellt, sagen wir Ende Januar, Mitte Februar, oder auch noch im März, hat man bessere Aussichten.
Zur Person
Martin Wehrle ist Karriereberater, Gehaltscoach und Buchautor. Sein neuestes Buch „Sei einzig, nicht artig – So sagen Sie nie mehr Ja, wenn Sie Nein sagen wollen“ ist im Mosaik-Verlag erschienen.
Und dann sage ich: "Wir haben zuletzt vor einem Jahr über mein Gehalt gesprochen, Zeit für Runde zwei." Oder nicht?
Das ist ein ganz schlechtes Argument. Es wurde ja ein bestimmtes Gehalt für eine bestimmte Leistung festgelegt und wenn sich die Leistung über das Jahr nicht verändert hat, dann gilt das alte Gehalt. Das heißt: Wenn ich nach einem Jahr mehr will, bin ich in der Beweispflicht und muss zeigen, dass ich für dasselbe Gehalt mehr Leistung bringe.
Man kann sich das wie eine Waage vorstellen: Auf der einen Seite liegt das Gehalt, auf der anderen liegt die Leistung. Wenn ich bei der Leistung nachgelegt habe, wenn ich zusätzliche Verantwortung übernehme, wenn ich durch Ideen Geld bringe oder Geld spare, wenn ich dem Unternehmen Arbeitskräfte vermittele und somit Recruitingkosten spare, dann habe ich einen Anspruch, dass auch die Firma auf ihrer Seite nachlegt.
Faktoren für eine Gehaltserhöhung
Robert Half hat eine aktuelle Arbeitsmarktstudie durchgeführt, in der 200 HR-Manager in Deutschland gefragt wurden, welche Faktoren am ehesten ausschlaggebend für eine Gehaltserhöhung sind. Die Befragten hatten maximal drei Antwortmöglichkeiten.
3 % der befragten HR-Manager gaben an, keine besonderen Anforderungen für eine Gehaltserhöhung zu stellen. Bei Unternehmen von 1000 Mitarbeitern oder mehr waren es sogar 6 %, die keine Meinung äußerten.
Die Motivation des Kandidaten ist für 13 % der Befragten ein ausschlaggebender Faktor, einem Mitarbeiter eine Gehaltserhöhung anzubieten.
Für 16 % der HR-Manager kommt das Angebot einer Gehaltserhöhung in Frage, wenn das Risiko besteht, den Mitarbeiter an einem Wettbewerber zu verlieren, der ein Alternativangebot macht.
Die Innovationsfähigkeit des Arbeitnehmers ist für 16 % der HR-Manager ein Faktor, eine Gehaltserhöhung in Erwägung zu ziehen.
Für mehr als ein Fünftel, rund 28 % der HR-Manager, spielt die Treue zum Unternehmen, beziehungsweise die Beschäftigungsdauer eine große Rolle, wenn es um eine Gehaltserhöhung geht.
Genauso viele Manager nehmen den Zeitraum seit der letzten Lohnerhöhung als Anhaltspunkt dafür, wann die nächste anstehen könnte. In kleinen Unternehmen von 50-499 Beschäftigten kommt diese Methode besonders häufig zum Einsatz. 32 % der Befragten gaben diesen Faktor als entscheidend an.
Bei hoher Lernbereitschaft und einem beobachtbaren Fortschritt des Mitarbeiters sind Personaler noch eher gewillt, sein Gehalt zu erhöhen. 33 % gaben diesen Faktor an.
34 % der Befragten rechnen es ihren Mitarbeitern hoch an, wenn diese Aufgaben übernehmen, die außerhalb ihres eigentlichen Verantwortungsbereichs liegen. In kleinen Unternehmen schätzen dies nur 28 % als bedeutenden Faktor ein.
Auf Platz zwei der wichtigsten Faktoren für eine Gehaltserhöhung landen Professionalität, Zusammenarbeit und die Fähigkeit zur Arbeit im Team.
Ein ungeschlagener Faktor, der bei der Entscheidung zu einer Gehaltserhöhung - laut der Umfrage - unter HR-Managern am meisten Relevanz hat, ist die technische Kompetenz bzw. die Messbarkeit der Ergebnisse von Mitarbeitern. In Großunternehmen gaben rund 48 % der HR-Manager dieses Kriterium als an.
Wer im letzten Jahr einfach nur seinen Job gemacht hat, kann sich das Gespräch sparen?
Nein, das würde ich nicht so sehen. Denn normalerweise werden wir, wenn wir eine Tätigkeit über eine gewisse Zeit machen, routinierter, besser und effektiver. Nur fällt uns das oftmals nicht auf, weil es ein schleichender Prozess ist. Darum empfehle ich, über das Jahr hinweg ein Leistungstagebuch zu führen.
Wie sieht so ein Tagebuch aus?
Einfach aufschreiben: Was habe ich im Laufe der Woche geleistet? Was waren die Highlights meiner Arbeit und wie hat die Firma davon profitiert? Wenn ich das einigermaßen konsequent durchziehe, werde ich höchstwahrscheinlich feststellen, dass ich der Firma einen höheren Nutzen gebracht habe. Und dann kann ich das gegenüber dem Chef eben auch definieren und nachweisen.
Dass der Projektmanager das belegen kann, ist klar. Aber was ist mit dem Buchhalter oder der Sekretärin?
Das geht in jedem Bereich, also auch bei dem Buchhalter, der eine zuverlässige Arbeit leistet und vielleicht eine Urlaubsvertretung für einen Kollegen übernimmt, die sonst immer jemand von einer Zeitarbeitsfirma gemacht hat. Grundsätzlich funktioniert es in jedem Bereich, wenn man sich bewusst macht, wie man der Firma einen größeren Nutzen bereitet. Ein Ansatz, der hier gut funktioniert ist, dass man sich einfach mal im eigenen Bereich umschaut, wo Geld ausgegeben wird, das man nicht ausgeben müsste. Wenn man da Sparquellen entdeckt - es wird teure Software verwendet, die man günstiger haben könnte, eine Abteilung hat zwei Kopierer, wo einer reichen würde - kann man einen entsprechenden Sparvorschlag einbringen. Spart das Unternehmen dadurch Geld, ist man auch berechtigt, daran teilzuhaben.