Erdogan kritisiert Merkel Türkei macht bei Gülen-Auslieferung Druck

Ankara lässt nicht locker, die USA sollen den Prediger Gülen ausliefern. Er steckt nach Darstellung der türkischen Regierung hinter dem Putschversuch. Und Erdogan ärgert sich.

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Erdogan: Türkei macht bei Gülen-Auslieferung Druck Quelle: AP

Die von der Türkei geforderte Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen ist nach Ansicht der Regierung in Ankara eine politische Entscheidung der USA - mit weitreichenden Folgen für das künftige bilaterale Verhältnis. „Die juristischen Verfahren werden zu einem Ergebnis führen, aber am Ende wird die Entscheidung der US-Regierung eine politische Entscheidung sein“, sagte Justizminister Bekir Bozdag am Freitag im zentralanatolischen Yozgat. „Und keine Auslieferung ist auch eine politische Entscheidung.“ Auch Europa wurde von der Türkei erneut kritisiert.

Präsident Recep Tayyip Erdogan beklagte erneut mangelnde Solidarität der EU. Er hätte sich „gewünscht, dass Europa auf der Seite der Türkei steht“, sagte er dem Sender RTL. „Genauso, wie man in Paris zusammengekommen ist, wie man dort kondoliert hat, hätte man auch in die Türkei sicherlich Vertreter schicken sollen.“ Seit dem Putschversuch hat kein einziger EU-Außenminister die Türkei besucht. Darüber sei er „ein bisschen verärgert“, sagte Erdogan.

Zudem kritisierte der Präsident die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den gescheiterten Militärputsch. „Ja, sie hat natürlich ihr Bedauern ausgedrückt im Zusammenhang mit dem Putschversuch“, sagte er dem Sender. Aber sie habe sich auch für die Menschen eingesetzt, die nach dem Putsch entlassen wurden: „Für die Menschen, die entlassen werden, sollte es so gestaltet werden, dass sie sich nicht sorgen müssen“, habe Merkel gemahnt. Diese Aussage sei bedauerlich. Es müsse der Türkei überlassen bleiben, wie sie ihr Recht anwende, forderte Erdogan.

Das ist die Gülen-Bewegung

Im Fall Gülen warnte Justizminister Bozdag die USA offen vor einer Beschädigung der Beziehungen zum Nato-Partner Türkei. „Ihn nicht auszuliefern, hieße in einem Fall wie diesem natürlich, die Freundschaft Fethullah Gülens über die Freundschaft der Türkei zu stellen.“ Es könne kein Zweifel bestehen, dass Gülen für den Putschversuch in der Türkei verantwortlich sei. „Die ganze Welt weiß, wer der Täter ist.“ Erdogan hatte die USA bereits zuvor aufgefordert, eine Wahl zwischen ihrem Nato-Bündnispartner und Gülen zu treffen.

Gülen wies die Anschuldigungen der Regierung in Ankara kategorisch zurück. „Ich fordere, dass eine internationale, unabhängige Kommission die Ermittlungen zu diesem Putschversuch führt“, schrieb Gülen in der französischen Tageszeitung „Le Monde“ (Samstag). „Falls ein Zehntel der gegen mich erhobenen Anschuldigungen zutreffen sollte, verpflichte ich mich, in die Türkei zurückzukehren und die härteste Strafe hinzunehmen.“ Die Behauptung, er habe aus 10 000 Kilometern Entfernung einen Putsch geführt, sei eine Verleumdung.

Eine in der Türkei festgenommene Deutsche ist inzwischen wieder frei. Die Frau sei am Freitag aus der Haft entlassen worden, teilte das Auswärtige Amt auf Anfrage in Berlin mit und bestätigte damit entsprechende Informationen des Magazins „Der Spiegel“. Der 48-Jährigen mit türkischen Wurzeln soll dem Bericht zufolge eine Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vorgeworfen worden sein.

Schlüsselstaat Türkei

Die Ermittlungen zum Putschversuch ziehen inzwischen immer weitere Kreise: Die türkischen Justizbehörden ordneten die Festnahme des früheren Fußballstars Hakan Sükür und die Beschlagnahme seines Vermögens an. Der in den USA lebende Ex-Nationalspieler wird beschuldigt, Gülen-Anhänger und damit Mitglied einer „Terrororganisation“ zu sein, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Sükür hat sich in der Vergangenheit offen zu seiner Gülen-Sympathie bekannt.

Nach dem Putschversuch in der Türkei haben 32 Diplomaten und andere Mitarbeiter des Außenministeriums die von der Regierung angeordnete Rückkehr aus dem Ausland verweigert. 32 von 208 zurückgerufenen Mitarbeitern seien „auf unterschiedlichen Wegen in andere Länder geflohen“, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Freitag in Ankara. „Wir werden daran arbeiten, dass sie ausgeliefert werden.“

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