Daily Fantasy Sport: Fußball-Manager für einen Tag

Tore, Fouls, Pässe, Freistöße,. rote Karten - was die Spieler im echten Leben machen, geht in die Wertung der Fantasie-Mannschaft mit ein.
Auf meinem Konto befinden sich 150 Millionen Dollar. Schon bei den Torhütern kann ich mich nicht entscheiden, wie ich sie investieren soll. Bayern-Keeper Manuel Neuer erreicht dank seiner guten Form Topbewertungen, ist mit 11,2 Millionen Dollar aber auch der teuerste Keeper auf dem virtuellen Transfermarkt. Der Schalker Ralf Fährmann ist für läppische 7,5 Millionen zu haben – eine gute Wahl. Für die Viererkette kaufe ich Hummels, Träsch, Aogo und Alaba – und habe immer noch 107,5 Millionen Dollar auf dem Konto. Ein paar Klicks und Millionen Dollar später steht mein virtuelles Superteam – das Bundesliga-Wochenende kann kommen. Daily Fantasy Sports, eine Onlinevariante der klassischen Tippgemeinschaft im Büro, ist in den USA schon ein Milliardengeschäft. Millionen Amerikaner wetten auf die Resultate ihrer Woche für Woche in virtuellen Ligen antretenden Fantasiemannschaften.

Fans zahlen im Schnitt 67 Euro pro Spiel
Fahrtkosten, Eintrittskarte, dann noch ein Bierchen in der ersten Halbzeit – und noch eins in der zweiten. Eine Bratwurst gehört natürlich auch zu einem guten Bundesliga-Spiel. So läppern sich die Kosten. 67 Euro gibt ein Fußballfan pro Bundesliga-Partie im Durchschnitt aus. Das sind 2265 Euro im Jahr. Die Kosten hat das Verbrauchermagazin "Finanztip" beispielhaft an einem Fan des FC Schalke 04 berechnet. So setzen sie sich zusammen:

600 Euro für Sitzplatz-Tickets
Für eine Dauerkarte müssen Fußballfans im Durchschnitt 436 Euro pro Saison bezahlen. Die gilt aber nur für Heimspiele. Für Auswärtsspiele schwanken die Preise für einen Sitzplatz zwischen 24 Euro beim Aufsteiger Darmstadt und 55 Euro in Hoffenheim. Im Schnitt geben Fußballfans also 600 Euro für Tickets pro Saison aus.

Mehr als 400 Euro für Bier und Brötchen
Während eines Heimspiels isst der Durchschnitts-Fan laut der Erhebung eine Bratwurst und trinkt ein Bier pro Halbzeit. Für die Bratwurst zahlt er durchschnittlich 2,86 Euro, pro Bier 3,60 Euro. Bei Auswärtsspielen geht das Verbrauchermagazin davon aus, dass der Fan während Hin- und Rückfahrt je ein belegtes Brötchen isst – zum Preis von jeweils 2,50 Euro. Somit ergeben sich Kosten in Höhe von 430 Euro pro Saison für die Verpflegung.

Mit dem Zug kostenlos zum Heimspiel
Die Fahrt zu Heimspielen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist für Fans mit Dauerkarte kostenlos – wenn sie im Tarifgebiet ihres Lieblingsvereins wohnen. Davon geht das Verbrauchermagazin in seiner Berechnung aus. Für die Auswärtsspiele muss der Fan allerdings tief ins Portemonnaie greifen.

300 Euro für Fahrten zu Auswärtsspielen
Zu den Auswärtsspielen fahren die meisten mit Fanbus, Fernbus oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Preise für die Fahrten bewegen sich für eine Fahrt – zum Beispiel von Gelsenkirchen nach Frankfurt – zwischen 28 und 44 Euro. Für Fahrten zu allen Auswärtsspielen zahlt der Fan pro Saison durchschnittlich 300 Euro.

Es geht auch billiger
Wer 2265 Euro lieber für etwas anderes ausgeben will, der kann es sich auch in den eigenen vier Wänden auf der Couch gemütlich machen. Und das für deutlich weniger Geld. Für etwa 20 Euro im Monat können Fans über Bezahlsender alle Spiele live sehen. Und Bratwurst und Bier sind im Supermarkt um die Ecke auch günstiger.
Je besser die darin vereinten Einzelsportler am Wochenende in realen Spielen abschneiden, desto besser die Performance der simulierten Teams. Der Mix aus echtem Einsatz auf dem Platz und virtuellem Spielgeschehen boomt. US-Wetter zahlten vergangenes Jahr mehr als eine Milliarde Dollar Turniergebühren – für Matches von Basketball bis American Football, der nach Umsatz beliebtesten Sportart im Fantasy Sports. Bis 2020 sollen es rund 30 Milliarden US-Dollar werden, hofft der Branchenverband Fantasy Sports Trade Association.
Nun soll die Idee auch in Deutschland zünden. Angesicht von Millionen Möchtegernbundestrainern könnte das klappen. „Mit Poker hat das vor ein paar Jahren auch funktioniert“, sagt André Handrup. Er ist Marketingmanager bei Fanteam, dem ersten deutschsprachigen Anbieter für Daily Fantasy Sports in der Bundesliga. Einige Tausend registrierte Nutzer spielen in zwölf Ligen um 1500 Euro Preisgeld. „Daily Fantasy Sports ist wie ein Fußballmanager-Spiel, in dem Sie jeden Tag eine andere Mannschaft betreuen“, erklärt Handrup.
Der Hobbymanager betreut also nicht ein Team über eine ganze Saison, sondern kann sich jedes Wochenende eine neue Mannschaft zusammenstellen. Um mitmachen zu können, investiere ich zum Beispiel elf Euro in mein virtuelles Budget. Das Geld wird in einige Millionen Euro Spielgeld umgerechnet, die elf Euro gehen in einen Wetttopf. Vor jedem Spieltag der Bundesliga lege ich dann meine Aufstellung fest. Ich darf Spieler aus allen Mannschaften mischen, so ich sie mir leisten kann: Einzige Einschränkung ist das virtuelle Budget. Für die Leistung der echten Spieler in der realen Welt, gibt es Punkte. „Wir bewerten fast alles“, sagt Handrup. Tore, Fouls, Freistöße, Karten, Einwürfe, Pässe – all das wird längst routinemäßig erhoben. Liegt mein Team am Ende des Spieltags punktemäßig weit vorn, bekomme ich einen Teil des Wetttopfs. Aus elf Euro Einsatz können so etwa 150 Euro werden.

Was ist Glücksspiel?
Ein Spiel mit Geldeinsatz, dessen Ausgang überwiegend vom Zufall bestimmt ist. Neben den klassischen Spielbanken gibt es in Deutschland zum Beispiel Lotto und Toto, Pferdewetten sowie die Klassen- und Fernsehlotterie. Mit Abstand am beliebtesten aber sind Geldspielautomaten - vor allem in Gaststätten und Spielhallen.

Was bedeutet Spielsucht?
Dabei geht es um Kontrollverlust. Ein Spieler schafft es nicht mehr, sich gegen ein Glücksspiel zu entscheiden - er braucht den Kick. Spielsüchtige erfinden oft Lügen und Ausreden, um zu verbergen, dass sie ihr Einkommen „verzocken“. Viele häufen einen Schuldenberg auf. Sie sind häufig auch nicht mehr in der Lage, Freundschaften und Beziehungen aufrecht zu erhalten. Die Selbstmordrate unter langjährigen Spielsüchtigen ist nach Angaben von Beratungsstellen hoch. Pathologisches Glücksspiel ist in Deutschland seit 2001 als eigenständige Krankheit anerkannt.

Wer ist gefährdet?
Deutlich mehr Männer als Frauen. Besonders häufig verlieren in Deutschland junge Migranten und Arbeitslose die Kontrolle über ihre Spielleidenschaft - vor allem an Geldspielautomaten. Als sehr verführerisch gelten auch Sportwetten und Internet-Glücksspiele.

Was tut der Staat für mehr Spielerschutz?
Im Zuge der Föderalismusreform haben die Länder vom Bund das Recht erhalten, Gesetze für Spielhallen zu erlassen. Im Mai 2011 hat Berlin als erstes Land gehandelt und zum Beispiel einen Mindestabstand von einer Spielhalle bis zur nächsten festgelegt. Begrenzt sind auch die Anzahl der Automaten und Öffnungszeiten. Ein Abstand zu Schulen muss gewahrt bleiben. Inzwischen haben fast alle Bundesländer nachgezogen, die Vorschriften unterscheiden sich aber.
Weiter beim Bund liegt zum Beispiel das Recht, über die Technik der Automaten zu bestimmen. Die Länder fordern über den Bundesrat seit längerem mehr Spielerschutz, zum Beispiel Obergrenzen für Geldeinsätze an Automaten oder die Abschaffung von Automatiktasten. Ein Kuriosum bleibt, dass Geldspielautomaten außerhalb von Spielbanken rechtlich nicht als Glücksspiel gelten. Sie werden seit ihren Anfängen als „Unterhaltung“ eingestuft und fallen damit trotz hoher Einsätze lediglich unter das Gewerberecht. Kritiker sehen das als Fehlentwicklung und werten sie Ergebnis einer erfolgreichen Lobbyarbeit der Spielautomaten-Branche.

Was verdient die deutsche Glücksspiel-Branche?
Die Umsätze steigen seit Jahren und liegen nach den jüngsten Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen für 2011 bei 32,5 Milliarden Euro. Der Löwenanteil mit rund 18 Milliarden Euro entfiel dabei auf Geldspielautomaten. 6,6 Milliarden Euro Umsatz machte die Lotto-Toto-Branche, 6,1 Milliarden Euro verdienten Spielbanken.

Was verdient der Staat am Glücksspiel?
2011 waren das nach Angaben des jüngsten Jahrbuchs Sucht rund drei Milliarden Euro - unter anderem über Rennwett- und Lotteriesteuer und die Spielbankabgabe. Geldspielautomaten brachten den deutschen Kommunen über die Vergnügungssteuer rund 479 Millionen Euro ein.

Wer hilft Spielsüchtigen?
Bundesweit gab es nach den jüngsten Zahlen für 2011 rund 1320 ambulante Beratungsstellen. Rund 16 800 Spielsüchtige haben in diesem Zeitraum dort Angebote genutzt. In den 161 stationären Einrichtungen wurden 2011 mehr als 2500 Menschen wegen „pathologischem Spielverhaltens“ behandelt. Die Zahl der Selbsthilfegruppen für Glücksspieler hat sich zwischen 2001 und 2011 auf rund 200 verdoppelt.
Der Rest wird verteilt. Fußballmanager-Simulationen haben in Deutschland schon eine große Fangemeinde. So etwa das durch Werbung und kostenpflichtige Dienste finanzierte Browserspiel Comunio. Die Fußballsimulation Fifa 16 des Herstellers Electronic Arts zählt zu den beliebtesten Computerspielen überhaupt. Allerdings können die Mitspieler dort weder echtes Geld gewinnen noch verlieren. In den USA ist Daily Fantasy Sports schon fester Bestandteil der Sportkultur. Der Platzhirsch heißt FanDuel. Das 2009 gegründete und mit Wagniskapital finanzierte Unternehmen wird derzeit mit umgerechnet 1,2 Milliarden Euro bewertet. Hinter dem Start-up stecken Investoren wie Comcast, der größte Kabelnetzbetreiber der Welt, und die amerikanische Basketball-Profiliga NBA.
Schärfster Konkurrent ist die mit rund einer Milliarde Marktwert kaum kleinere DraftKings, FanDuel und DraftKings haben bisher über 200 Millionen Euro für Werbung ausgegeben. Im US-TV kommt kaum eine Werbepause eines realen Spiels ohne Spots für Daily Fantasy aus. In Deutschland ist es noch nicht so weit. „Wir fangen gerade erst mit dem Marketing an“ sagt Handrup von Fanteam. Mit Sportportalen, Firmen aus der Sportindustrie und Bundesligisten verhandele er bereits.
In den USA galt Daily Fantasy Sports bislang dank einer Ausnahmeregelung nicht als Glücksspiel. Das hat der Branche geholfen. Mittlerweile sehen einzelne Bundesstaaten dies offenbar anders, sie ermitteln gegen die Anbieter. Die wollen deshalb nun in Europa wachsen. DraftKings hat gerade eine Lizenz für den britischen Markt erhalten, FanDuel einen entsprechenden Antrag gestellt. Für Deutschland gebe es noch keine konkreten Pläne, erklären die Unternehmen. Das mag auch an der schwierigen deutschen Rechtslage liegen.
Denn das bei Onlineglücksspielen federführende hessische Innenministerium hält Daily Fantasy Sports nach derzeitiger Gesetzeslage für „nicht erlaubnisfähig“. Ob das den Trend stoppt, ist fraglich. Nicht zufällig residiert Anbieter Fanteam mit seinen 15 Mitarbeiter unter dem Firmennamen Scout Limited auf Malta. Die Mittelmeerinsel bietet ein liberales Glücksspielrecht und vergleichsweise moderate Steuersätze. Auch klassische Onlinesportwettenanbieter, wie etwa Tipico, bei denen Kunden auf Spielergebnisse setzen, haben dort ihren Sitz – und bieten munter ihre Dienste in Deutschland an. Auch weil die Position der hessischen Juristen noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist. Bis es so weit ist, vergehen noch einige Bundesliga-Wochenenden. Für mich ein Aufschub, der es erlaubt, an der eigenen Spitzenelf zu arbeiten – denn die hat beim ersten Testspiel total versagt.












