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KriminalitätWie Big Data den Kampf gegen Terror unterstützt

Software wird immer besser darin, Kriminalität vorherzusagen. Lässt sich so auch der Terror stoppen? Wie Fahnder digitale Spuren nutzen, um Terroristen zu finden – und was eine Pizza-Lieferung damit zu tun hat.Thomas Kuhn, Tim Rahmann 07.04.2016 - 16:42 Uhr

Digitaler Kampf gegen den Terror.

Foto: Hassân Al Mohtasib für WirtschaftsWoche

Polizisten und Geheimdienstler aus ganz Europa haben ihn gejagt: Salah Abdeslam, den letzten flüchtigen Terrorverdächtigen der Pariser Anschläge vom November 2015 mit 130 Toten. Am Ende war es wohl ein geradezu banales Detail, das am 18. März zu seiner Festnahme in Brüssel führte: Eine ungewöhnlich große Pizzalieferung in eine konspirative Wohnung habe die Fahnder stutzig gemacht, zitiert das Brüsseler Onlinemagazin „Politico.eu“ Sicherheitsbeamte.

In dem von einer einzelnen Frau bewohnten Apartment hielten sich offensichtlich zahlreiche Personen auf. Potenziell Hochgefährliche aus Sicht der Sicherheitsbehörden, denn im Haus lebte auch ein Freund von Abdeslam, polizeibekannt dafür, Straftätern Unterschlupf zu gewähren. Es ist kurz nach halb vier freitagnachmittags, als die Sicherheitskräfte die Wohnung stürmen – und Abdeslam festsetzen.

Erfolgreich waren die Ermittler in dieser enorm aufwendigen Fahndung wohl auch, weil ihnen in bisher kaum gekanntem Maß digitale Analysen Indizien lieferten. Sie hatten Tausende Telefonate, Handybewegungsprofile, Onlinestatusmeldungen, Chat-Protokolle, Log-Dateien auf App-Servern, Personenprofile in sozialen Netzen und weitere elektronische Quellen ausgewertet. Kommissar Computer, das zeigt nicht nur die erfolgreiche Jagd auf Abdeslam, ist aus moderner Polizeiarbeit nicht mehr wegzudenken.

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Software sagt Verbrechen vorher

Die Elektronenhirne unterstützen die Ermittler dabei, Bewegungsdaten zu analysieren, digitale Kommunikation auszuwerten oder verborgene Beziehungen zwischen Verdächtigen zu enthüllen. Mittlerweile hilft Software den Behörden sogar, Straftaten zu verhindern, bevor sie überhaupt geschehen.

Predictive Policing – vorausschauende Polizeiarbeit – heißt der Trend, der auf den ersten Blick verblüffend an Steven Spielbergs Science-Fiction-Thriller „Minority Report“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle erinnert. Darin können drei Menschen, die „Precogs“, Morde voraussagen. Dank ihrer Visionen ermittelt und verhaftet die Polizei künftige Täter, bevor sie die Tat begangen haben.

Polizeibehörden in den USA aber auch in Europa und Deutschland nutzen bereits entsprechende Prognosesoftware, um etwa Einbrüche zu verhindern, ehe sie passieren. Müsste dann, so drängt sich die Frage auf, Kommissar Computer nicht auch Anschläge wie zuletzt in Brüssel mit 32 Toten einigermaßen verlässlich vorhersagen können?

Dicht an dicht: Wenn die Autos auf der Straße stehen, lässt sich das mit moderner Technologie leicht nachvollziehen. Zum einen gibt es Sensoren am Straßenrand, zum anderen liefern die Autos und die Smartphones der Insassen inzwischen Informationen über den Verkehrsfluss. Diese Daten lassen sich in Echtzeit auswerten und mit Erfahrungswerten abgleichen – so wird klar, wo gerade ungewöhnlich viel los ist und beispielsweise eine Umleitung Sinn ergeben würde. Ein Pilotprojekt dazu lief in der Rhein-Main-Region, allerdings nur mit rund 120 Autos. Langfristig ist sogar das vollautomatische Autofahren denkbar – der Computer übernimmt das Steuer. Eines ist aber klar: Alle Big-Data-Technologien helfen nichts, wenn zu viele Autos auf zu kleinen Straßen unterwegs sind.

Foto: dpa

Fundgrube für Forscher: Google Books ist nicht nur eine riesige digitale Bibliothek. Die abertausenden eingescannten Texte lassen sich auch bestens analysieren. So kann nachvollzogen werden, welche Namen und Begriffe in welchen Epochen besonders häufig verwendet wurden – ein Einblick in die Denkweise der Menschen. Der Internet-Konzern nutzt den Fundus außerdem, um seinen Übersetzungsdienst Translate zu verbessern.

Foto: dpa Picture-Alliance

Schnupfen, Kopfschmerz, Müdigkeit: Das sind die typischen Symptome der Grippe. Aber wann erreicht die Krankheit eine Region? Bislang konnte man das erst feststellen, wenn es zu spät war. Der Internet-Riese Google hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem sich Grippewellen voraussagen lassen: Flu Trends. Bei der Entwicklung hielten die Datenspezialisten nicht nach bestimmten Suchbegriffen Ausschau, sondern nach Korrelationen. Wonach also suchten die Menschen in einer Region, in der sich das Virus ausbreitete? Sie filterten 45 Begriffe heraus, die auf eine unmittelbar anrollende Grippewelle hindeuten – ohne dass irgendein Arzt Proben sammeln müsste.

Foto: dpa Picture-Alliance

Aufwärts oder abwärts? Die Millionen von Kurznachrichten, die jeden Tag über Twitter in die Welt gezwitschert werden, können Aufschluss über die Entwicklung der Börsen geben. Denn aus den 140 Zeichen kurzen Texten lassen sich Stimmungen ablesen – das hat ein Experiment des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) gezeigt. Je intensiver die Emotionen, desto stärker die Ausschläge. Marktreife Investitionsmodelle, die auf Tweets setzen, gibt es indes noch nicht.

Foto: dpa

Lotterie am Himmel: Die Preise von Flugtickets lassen sich für Laien kaum nachvollziehen. Auch eine frühe Buchung garantiert kein günstiges Ticket, weil die Fluggesellschaften ständig an der Schraube drehen. Das wollte sich der Informatiker Oren Etzioni nicht gefallen lassen: Er sammelte mit seiner Firma Farecast Millionen von Preisdaten, um künftige Preisbewegungen zu prognostizieren. 2008 kaufte Microsoft das Start-up, die Funktion ist jetzt in die Suchmaschine Bing integriert.

Foto: dpa Picture-Alliance

Jeder Meter kostet Zeit und Geld. Daher wollen Logistikunternehmen ihre Fahrer auf kürzestem Wege zum Kunden lotsen. Der weltgrößte Lieferdienst UPS führt dafür in einem neuen Navigationssystem Daten von Kunden, Fahrern und Transportern zusammen. „Wir nutzen Big Data, um schlauer zu fahren“, sagte der IT-Chef David Barnes der Nachrichtenagentur Bloomberg. Im Hintergrund läuft ein komplexes mathematisches Modell, das auch die von den Kunden gewünschten Lieferzeiten berücksichtigt.

Foto: dpa Picture-Alliance

Es waren nicht nur gute Wünsche, die US-Präsident Barack Obama 2012 zur Wiederwahl verhalfen: Das Wahlkampf-Team des Demokraten wertete Informationen über die Wähler aus, um gerade Unentschlossene zu überzeugen. Dabei griffen die Helfer auch auf Daten aus Registern und Sozialen Netzwerke zurück. So ließen sich die Bürger gezielt ansprechen.

Foto: dpa

Was sagen die Facebook-Freunde über die Bonität eines Nutzers aus? Das wollten die Auskunftei Schufa und das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam im Sommer 2012 erforschen. Doch nach massiver Kritik beendeten sie ihr Projekt rasch wieder. Dabei wollten die beiden Organisationen lediglich auf öffentlich verfügbare Daten zugreifen. Unternehmen in den USA haben weniger Hemmungen. Der Anbieter Experian etwa bietet einen Dienst namens Income Insight, der das Einkommen einer Person aufgrund vorheriger Kredite schätzt.

Foto: dapd

Wenn mit einer Kreditkarte erst Babykleidung und später ein Abenteuerurlaub in Indien bezahlt werden, könnte dahinter ein Betrüger stecken, der die Daten gestohlen hat. Die Finanzdienstleister versuchen deshalb, alle Transkationen auf ungewöhnliche Anzeichen zu analysieren. Das geschieht möglichst in Echtzeit – eine Herausforderung für die IT. Visa hat 2011 ein Modell eingeführt, das 500 Aspekte bewertet. Damit werde nicht nur die Sicherheit verbessert, sondern auch das Vertrauen in die Marke gestärkt, erklärte das Unternehmen gegenüber dem „Wall Street Journal“.

Foto: dpa Picture-Alliance

Welche Geschenke interessieren welchen Kunden? Und welchen Preis würde er dafür zahlen? Der US-Einzelhändler Sears wertet große Datenmengen aus, um maßgeschneiderte Angebote samt individuell festgelegter Preise zu machen. Dabei fließen Informationen über registrierte Kunden ebenso ein wie die Preise von Konkurrenten und die Verfügbarkeit von Produkten. Die Berechnungen erledigt ein Big-Data-System auf der Grundlage von Hadoop-Technik, an dem der Konzern drei Jahre gearbeitet hat.

Foto: dapd

Die Handelskette Target weiß viel über ihre Kunden – zumindest wenn diese eine Kundenkarte haben. Das Unternehmen machte damit Schlagzeilen, dass es anhand von Einkäufen herausfinden kann, welche Kundinnen schwanger sind. Etwa weil sie im dritten Monat parfümfreie Lotionen kaufen oder später Magnesium und Zink in den Einkaufswagen legen, wie die „New York Times“ aufdeckte. Target kann den werdenden Eltern gezielt Werbung schicken und sie so womöglich auf Dauer an sich binden.

Foto: dpa Picture-Alliance

Operationssaal in einer Klink: Eine kluge Datenanalyse kann Patienten helfen. So fand Microsoft im Auftrag eines Washingtoner Krankenhauses heraus, dass Patienten mit Herzkrankheiten häufiger wieder eingeliefert werden mussten, wenn sie niedergeschlagen waren – abzulesen an Begriffen wie „Depression“ in der Patientenakte.

Foto: dpa

Damit die Energiewende gelingt, müssen die Stromnetze intelligenter werden. Big-Data-Technologien können helfen, das stark schwankende Stromangebot von Windrädern und Solaranlagen zu managen.

Foto: dpa

Forschung liefert kaum Ergebnisse

„Das ist derzeit eine der am intensivsten diskutierten Fragen in der Sicherheitsszene“, sagt Thomas Feltes, Leiter des Lehrstuhls für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. In die Forschung fließe jede Menge Geld und noch viel mehr Gehirnschmalz. „Nur leider bisher ohne erkennbare Ergebnisse.“ Was nicht an der Unfähigkeit der Ermittler liegt – sondern mit der Besonderheit terroristischer Anschläge zu tun hat.

Bisher helfen Computersysteme wie SPSS von IBM oder Predictive Crime Analytics von Hitachi Data Systems vor allem bei überschaubarer Kriminalität. Polizeichefs von US-Großstädten wie etwa Memphis lassen sich teils seit Jahren von Prognoseprogrammen errechnen, in welchen Straßenzügen in den nächsten Stunden konkret Einbruchs- und Bandenkriminalität, Drogenhandel oder Gruppenschlägereien drohen. Dort schicken sie Einsatzteams präventiv auf Streife.

These 1: Big Data optimiert die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Produktideen und Dienstleistungen

63 Prozent der Befragten, die im Unternehmen mit Big Data arbeiten, waren - laut Online-Umfrage - davon überzeugt, dass diese Technologie die Steuerung operativer Prozesse verbessert. Neben der optimierten Prozesssteuerung und der Stärkung der Entscheidungsfindung fallen insbesondere die innovationsrelevanten Aspekte ins Gewicht. 56 Prozent geben an, gegenwärtig neue Produktideen und Dienstleistungen zu entwickeln.

Quelle: Kurzstudie der Smart-Data-Begleitforschung in Zusammenarbeit mit dem Business Application Research Center (BARC) und dem Bundesverband der IT-Anwender e. V. (VOICE)

Stand: November 2015

Foto: Fotolia

These 2: Big Data schafft Abhilfe bei noch nicht ausreichenden datenbasierten Analysemethoden

Auf die Frage, welche Herausforderungen Unternehmer mit ihrer Big-Data-Initiative adressieren wollen, antworteten 64 Prozent der IT- und Businessmanager, dass sie sich bessere Möglichkeiten zur Datenanalyse erhoffen. An zweiter Stelle steht das Bedürfnis, große Datenvolumen zu analysieren und Vorhersagemodelle aufzubauen (55 Prozent).

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Unternehmer zwar den Wert ihrer Daten erkannt haben, diese aber noch nicht bestmöglich auswerten können.

Foto: Fotolia

These 3: Big Data verbessert die Steuerung operativer Prozesse und optimiert strategische Entscheidungen

Eine weitere These, von der 65 Prozent der IT- und Businessmanager ausgehen, ist die verbesserte Steuerung operativer Prozesse durch Big Data.

Ähnlich entscheidend ist der Nutzen von Big-Data-Initiativen ist im Bereich der strategischen Entscheidungen für Unternehmer: Immerhin 58 Prozent der Befragten gegen davon aus, dass diese durch Big Data positiv beeinflusst werden.

Foto: Fotolia

These 4: Die größte Probleme liegen im Datenschutz und in der Datensicherheit

Die schwerwiegendsten Probleme befürchten die Teilnehmer der Online-Umfrage im Zusammenhang mit Big Data-Technologien beim Datenschutz und in der Datensicherheit. Das rührt daher, dass viele Nutzungsmodelle Kundendaten miteinbeziehen. Hier ist ein entsprechend hoher Datenschutz beziehungsweise eine Anonymisierung der Daten unerlässlich.

Die zweitgrößte Herausforderung stellt der aufgrund von Sicherheitsrichtlinien erschwerte Zugang zu den Daten dar. 55 Prozent gaben fehlendes fachliches Know-how als Hindernis an.

Foto: dpa

These 5: Das größte Potential liegt in der Mobilität und Industrie

Big Data wird von Unternehmern nicht nur als Datenkrake verteufelt. Die größten Chancen für den Einsatz der mächtigen Technologien sehen die Befragten im Mobilitäts- und Industriesektor. Vom automatisch geregelten Stadtverkehr zur Vermeidung von Staus bis hin zum intelligenten Katastrophenmanagement – das Potenzial für die Verbesserung von Prozessen und Dienstleistungen ist im Mobilitätsbereich überdurchschnittlich hoch.

Ähnlich vielversprechend sind die Aussichten in der Industrie: Hier vermuten 70 Prozent, dass die wirtschaftlichen Chancen besonders groß sind.

Foto: dpa

These 6: Die größten Datenschutz-Herausforderungen liegen im Gesundheitsbereich

Wenig überraschend ist das Ergebnis von These sechs: Da die im Gesundheitsbereich anfallenden Daten und die daraus extrahierten Informationen im Vergleich zu anderen Bereichen besonders sensibel sind, sind auch die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit dementsprechend hoch. 63 Prozent der IT- und Businessmanager sehen daher die größten Herausforderungen in der Medizin-Branche.

Foto: dpa/dpaweb

These 7: Big-Data-Investitionen fließen vor allem in die Aus- und Weiterbildung des Personals

Die meisten Investitionen von Unternehmen oder Organisationen fließen - laut Studie - in den Ausbau von IT-Lösungen (24 Prozent). Grund dafür ist die Tatsache, dass die fachlichen und technologischen Kenntnisse des Personals im Bezug auf den Umgang mit Big Data-Analysen noch stark ausbaufähig sind. Nicht verwunderlich ist es daher, dass 22 Prozent der Befragten angeben, Budget für Weiterbildungen aufzuwenden. Externe technische Beratung empfinden dagegen gerade einmal zehn Prozent der Befragten als sinnvoll.

Foto: dpa/dpaweb

These 8: Technologien zur Datenanalyse sind nur bedingt für Big Data nutzbar

Im Rahmen der Online-Umfrage wurden die Teilnehmer danach gefragt, welche Technologiearten bereits für Big Data genutzt werden und in Zukunft verwendet werden sollen. 78 Prozent gaben Standard-Relationale-Datenbanken an, die bereits seit den Siebzigerjahren im Einsatz sind und sich für große Datenmengen aufgrund ihrer geringen Skalierbarkeit nicht besonders gut eignen. Auch andere Standardwerkzeuge in den Bereichen Business Intelligence (61 Prozent) und zur Datenintegration (55 Prozent) sind weit verbreitet.

Technologien wie zum Beispiel NoSQL oder Hadoop, die weitaus besser für Big Data-Initiativen einsetzbar sind, werden dagegen erst bei knapp einem Viertel der befragten Unternehmen eingesetzt. Hier besteht also noch Optimierungsbedarf.

Foto: Fotolia

These 9: Großes Potential bergen Social-Media- und Logdaten

Für besonders vielversprechend halten die Studienteilnehmer die Werte, die Social-Media-Daten liefern. Zwar nutzt (nach aktuellem Stand) lediglich ein Fünftel der Unternehmen diese Daten, knapp die Hälfte (47 Prozent) plant dies aber für die Zukunft fest ein. Am gebräuchlichsten sind momentan für die Unternehmen die aus IT-Systemen gewonnenen Logdaten (58 Prozent), die vor allem von IT-Bereichen für die Analyse ihrer Systemlandschaften eingesetzt werden.

Foto: dpa

These 10: Die IT-Abteilung treibt den Big-Data-Einsatz in Unternehmen voran

Die Pioniere der Big-Data-Initiativen sind die IT-Abteilungen. 47 Prozent der Befragten IT- und Businessmanager gaben dies an. Bereits an zweiter Stelle folgt mit dem Management und der Geschäftsführung (40 Prozent) aber die Business-Ebene. Ein Indikator dafür, dass die Bedeutung von Big Data für Geschäfts-, Produkt- und Preismodelle ganz oben in der Unternehmenshierarchie angekommen ist.

Foto: dpa

„In der Tat liefern die Systeme bei solchen Kriminalitätsarten recht verlässliche Prognosen akut gefährdeter Quartiere“, bestätigt auch der Bochumer Kriminologe Feltes. Grundlage der Berechnungen sei eine Vielzahl ortsbezogener Daten, deren Verknüpfung mit Informationen über frühere Verbrechen und das Wissen um sich wiederholende kriminelle Handlungsmuster.

Inzwischen setzen auch Europas Polizeibehörden auf die Prognosekraft der Rechner. Wohl nicht ganz zufällig heißt die vom Institut für musterbasierte Prognosetechnik (IFMPT) in Oberhausen entwickelte Analysesoftware „Precobs“. Das steht für Pre Crime Observation System und beschreibt eine Kernerkenntnis klassischer Kriminalistik: „Speziell bei Wohnungseinbrüchen belegen internationale Studien, dass es in Vierteln, in denen eingebrochen wurde, oft kurz darauf im direkten Umfeld erneut zu Einbrüchen kommt“, sagt der Soziologe Thomas Schweer, Gründer des IFMPT.

Die Zahl der Anschläge in Westeuropa ist heute niedriger als noch vor 30 Jahren (Für eine Großansicht auf das Bild klicken)

Foto: WirtschaftsWoche

Dieser Trend ist offenbar so robust, dass die Polizeibehörden in München und Nürnberg Precobs bereits nutzen, genauso wie Kollegen in einigen Schweizer Kantonen. Stuttgart und Karlsruhe erproben das System. In Köln und Duisburg testet die Polizei Prognosen auf Basis der IBM-Analysesoftware.

Bei Terrorismus gelten rationale Prämissen nicht

Wenn also Datenanalyse Polizeistreifen recht zielsicher vorab in kriminalitätsgefährdete Viertel führt. Wenn das elektronische Puzzlespiel Fahnder besser denn je auf die Spur Terrorverdächtiger bringt. Warum hat all die digitale Prognostik bei den Brüsseler Anschlägen so dramatisch versagt?

Weil die statistischen Methoden, die bei Massenvergehen wie Einbrüchen ermöglichen, Handlungsmuster zu erkennen, „bei Terrorismus, erst recht fundamentalistischem, nicht greifen“, so Precobs-Entwickler Schweer. Die Prämissen rationalen Handelns, das etwa Serientäter bei Diebstählen leite, würden bei Selbstmordattentätern nicht gelten. Zudem sei die Zahl von Terrortaten für eine Datenanalyse „Gott sei Dank viel zu gering“, so der Soziologe.

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In der Tat. Trotz der – gerade nach Paris und Brüssel – gefühlt hohen terroristischen Bedrohung, ist das Risiko extrem gering, hierzulande Opfer eines Anschlags zu werden. Nur gut 200 Taten mit terroristischem Hintergrund – und vier Toten – ereigneten sich 2014 in ganz Westeuropa (siehe Grafik). Die Zahl der Verkehrstoten in der EU lag im gleichen Jahr bei knapp 25.700. Einschließlich der Anschläge von Paris und Brüssel summiert sich die Zahl der Terroropfer seit 2014 EU-weit auf rund 195.

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Die Informationen über die wenigen Täter lassen kaum statistisch verwertbare Rückschlüsse zu. „Predictive Policing braucht Big Data“, sagt Ludwig Schierghofer, Leiter der Abteilung Staatsschutz und Terrorismusbekämpfung beim Bayrischen Landeskriminalamt. „Doch was wir bei der Terroranalytik haben, ist bestenfalls Very Little Data.“

Nicht einmal in den USA sieht das besser aus, die seit den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 in enormem Umfang potenziell kriminalitätsrelevante Daten erfassen. „Es ist nicht so, dass sie einfach Millionen von Daten sammeln, und der Computer spuckt dann die Terrorverdächtigen aus“, sagt John Hollywood. Der Politologe arbeitet für die Rand Corporation, den legendären US-Thinktank, der Sicherheitsbehörden berät. „Wer das verspricht, weckt falsche Hoffnungen“, meint er. Zu autark und diskret würden Terrorzellen heute arbeiten.

Zudem haben es die Fahnder mit ganz verschiedenen Tätergruppen zu tun: Sie reichen von sogenannten Gefährdern, bekannt für ihren politisch oder pseudoreligiös terroristischen Hintergrund, die sich hoch konspirativ verhalten; über bekannte Straftäter, etwa aus der Rauschgiftkriminalität, aber ohne erkennbaren Bezug zur Terrorszene; bis hin zu unauffälligen, radikalisierten Tätern wie die Attentäter vom 11. September 2001, die in Hamburg studierten, ohne Verdacht zu erregen.

Menschenansammlungen sind stark gefährdet

Statt also Terroranschläge vorhersagen zu wollen, versuchen Forscher wie Hollywood, Denkmuster der Attentäter per Datenanalyse zu entschlüsseln. Etwa indem er die zahlreichen Anschläge in Israel auswertet.

Ein Ergebnis: Terroristen schlagen oft zu, wenn ihre Ideologie unter Druck gerät; wie aktuell beim „IS“ in Syrien und im Irak. Und Attentäter kopieren zumindest dort erfolgreiche Anschläge. Daher rät Hollywood, den Brüsseler Flughafen besonders gut zu schützen.

Eine Erkenntnis, für die der bayrische LKA-Experte Schierghofer „aber keine Software benötigt hätte“. Es sei bekanntermaßen Ziel islamistischer Attentäter, „möglichst viele Tote und Verletzte zu produzieren“. Orte mit Menschenansammlungen seien also per se stärker gefährdet. Statt auf präventive Analytik zu setzen, will er eher die Beziehungen zwischen bekannten Tätern umfassend analysieren. Und das durchaus mit massiven Computereinsatz, etwa um auszuwerten, wie Verdächtige ihre Kreditkarten genutzt haben oder was der Speicher von Navis aus Autos verrät, die sie gemietet haben. „Nach einem Anschlag ist vor einem Anschlag“, sagt Schierghofer. Je genauer die Fahnder auch grenzüberschreitend ermittelten, wer Unterstützer, wer Mittäter, wer Sympathisant sei, „desto eher können wir die nächsten Pläne vereiteln“.

Entscheidend dabei sei, dass Fahndungsdaten von einem Land ins andere, von einer Behörde zur anderen gelangten. Genau daran aber hapere es. „Terror kennt in Europa keine Grenzen mehr, also darf auch die Bekämpfung des Terrors keine mehr haben.“

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