Smartphones "Wir müssen uns eine digitale Diät verordnen"

Exzessiver Smartphone-Konsum ist das Fett der digitalen Welt, sagt Alexander Markowetz. Der Informatikprofessor warnt: Unsere Handy-Nutzung hat ein ungesundes Ausmaß erreicht. Wir vernachlässigen Familie und Arbeit.

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Zehn Wege, um die Handy-Sucht zu besiegen
Alternative zum Smartphone findenAuf dem Handy gibt es viel zu tun: WhatsApp, Facebook, Twitter, E-Mails oder News-Portale checken. Suchen Sie sich eine Alternative, die einen ähnlichen Charakter wie das Smartphone mitbringt. Greifen Sie etwa stattdessen zu Hause oder in der Bahn mal zu einem Buch. Das Lesen löst den ständigen Blick aufs Smartphone ab und senkt mit der Zeit das Bedürfnis, immer wieder draufzuschauen. Quelle: dpa
Eine Armbanduhr tragenViele verzichten mittlerweile auf Armbanduhren und schauen auf ihr Handy, um die Uhrzeit zu erfahren. Wenn Sie sich vom Smartphone unabhängiger machen wollen, dann ist das der falsche Weg. Tragen Sie eine Armbanduhr und nutzen Sie sie nicht nur als Modeaccessoire, sondern dafür, wofür sie gemacht ist. Quelle: dpa
Online-Profile ausdünnenMan muss nicht auf jeder Hochzeit tanzen: Weniger soziale Netzwerke bedeuten weniger Statusmeldungen. Wer sich mehr Zeit für die Welt jenseits des Smartphone-Displays wünscht, sollte seine Apps kritisch prüfen - und sich von ein paar Online-Profilen lösen. Quelle: dpa
Nicht mit dem Smartphone bezahlenMit dem Smartphone zu bezahlen ist im Supermarkt, in Hotels oder Restaurants auf dem Vormarsch. Dieser Trend bedeutet allerdings noch mehr Griffe zum Handy. Stattdessen sollten Sie die dazugehörigen Apps löschen und lieber auf das gute, alte Portemonnaie setzen. Quelle: AP/dpa
Schlichte Höflichkeitsformen beachtenWer beim Essen oder im Gespräch mit anderen zum Smartphone greift, ist schlichtweg unhöflich. Vermeiden Sie das und konzentrieren Sie sich lieber auf Ihr Umfeld und Ihre Gesprächspartner. Sie werden es Ihnen danken. Quelle: Fotolia
Feste Handy-Pausen nehmenWer beruflich ständig über dem Smartphone hängt, sollte sich über den Tag verteilt immer wieder feste Handy-Pausen verordnen. Die Zeit lässt sich für einen kurzen Spaziergang oder zum Kaffeeholen nutzen. Quelle: dpa
Klingelton oder Vibration ausschaltenAus den Ohren, aus dem Sinn: Wer seinen Klingelton oder die Vibration abschaltet, ist gelassener und kann sich besser auf andere Dinge konzentrieren. Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Markowetz, zusammen mit einem Team aus Computerwissenschaftlern und Psychologen erforschen Sie unsere Smartphone-Nutzung. Über die App „Menthal“ können sie sehen, wie oft und wofür jemand sein Handy nutzt. Was haben Sie in Erfahrung gebracht?

Alexander Markowetz: Bis dato haben etwa 200.000 Leute die App einmal installiert gehabt. Aktiv genutzt wird sie etwa von 50.000 Menschen. Diese Resonanz ist unglaublich. Das heißt, unsere erste Erkenntnis ist, dass sich in der Gesellschaft offenbar ein gewaltiger Redebedarf aufgestaut hat, der aus einem Unwohlsein im Umgang mit Smartphones resultiert. Jetzt sind wir hergegangen und haben uns aus diesem Pool, einmal 5.000 App-Nutzer herausgegriffen, um uns anzusehen, wie oft und wofür die ihr Smartphone nutzen. Das sind vorläufige Ergebnisse.

Informatikprofessor Alexander Markowetz Quelle: Wido Wirsam

Was ist dabei herausgekommen?

Das Erste, was wir sehen: Die Teilnehmer telefonieren überhaupt nicht. Die Telefonfunktion wird täglich im Schnitt nicht mal zehn Minuten genutzt. Da wird einem sofort klar, warum die Mobilfunkanbieter großzügig Flatrates anbieten können. Denn diesen Service will ja gar keiner. Wir interagieren aber massiv mit unseren Smartphones. Etwa drei Stunden pro Tag. Interagieren heißt: Screen anschalten und dann noch irgendetwas klicken.

Was klicken wir an?

35 Minuten gehen für WhatsApp drauf, 15 Minuten für Facebook, 3-4 Minuten für Instagram. Wenn ich das zusammenzähle, komme ich alleine für Social Media auf mehr als eine Stunde.

Zur Person

Was machen wir in den anderen beiden Stunden?

Spiele wie Candy-Crush machen etwa 25 Minuten pro Tag aus. Ein weiterer Teil geht für Youtube-Videos und Nachrichten-Apps drauf. Und dann gibt es noch eine Kategorie, in der alles andere zusammengefasst wird. Da steckt im Grunde alles drin, womit wir im Nachhinein meinen, unseren Handykonsum rechtfertigen zu können. Also die App der Deutschen Bahn, Parkplatz-Apps, E-Mails oder Online-Banking.

Was ist so schlimm daran, täglich drei Stunden mit dem Smartphone zu verdaddeln?

Prinzipiell nichts. Ich bin kein Kulturkritiker. Wie wir unsere Zeit verschwenden, bleibt jedem selbst überlassen. Aber um die Dauer der Nutzung geht es mir gar nicht. Nachdenklich stimmt mich etwas anderes.

Und zwar?

Wirklich interessant ist nicht die Summe der Zeit, die wir für das Smartphone aufwenden, sondern wie oft wir mit dem Handy interagieren. Und da zeigt sich: Im Laufe eines Tages entsperren wir das Telefon 55 Mal pro Tag. Umso jünger die Leute sind, umso häufiger entsperren sie. Etwa zwölf Prozent der Leute tun dies sogar 96-mal pro Tag. Alle zehn Minuten tippen diese Menschen auf ihr Handy. Das ist krass.

Smartphone-Spiele für zwischendurch
QuizduellDiese App verbreitet sich derzeit auf den Smartphones schneller als jedes Virus: Quizduell. Wer diese App hat, der braucht keinen Günther Jauch um sein Allgemeinwissen auf den Prüfstand zu stellen. Das Prinzip könnte einfacher kaum sein: Online gegen Freunde, Familie oder Unbekannte antreten und in verschiedenen 19 Frage-Kategorien wie „Wissen&Macht“, „Technik“ oder „Kunst&Kultur“ sein Wissen testen. Ein Spiel dauert sechs Runden. Das i-Tüpfelchen: Jede Frage muss in nur 20 Sekunden beantwortet werden, sonst geht der Punkt an den Gegner. Der Suchtfaktor ist programmiert. Die Idee zu Quizduell hatte das schwedische Entwicklerteam FEO Media. Die Fragen und Antworten werden übrigens von Quizduell-Usern selber geschrieben, jeder kann seine Vorschläge einreichen. Erhältlich für: Android, iOS Quelle: Presse
Candy Crush SagaIn diesem Puzzle-Game dreht sich alles um Süßigkeiten. Diese müssen auf einem Spielfeld so angeordnet werden, dass eine Gruppe von mindestens drei gleichfarbigen Bonbons entsteht. Strategisches Denken und Planen ist gefragt, um das Spielfeld möglichst geschickt aufzuräumen. Durch das Knacken der Highscores kann sich der Spieler spezielle Gegenstände wie Booster und Amulette freischalten, die bei besonders kniffeligen Herausforderungen eine große Hilfe sind.  Erhältlich für: Android, iOS Quelle: REUTERS
Doodle JumpDiese App mit ihrem vierbeinigen gelb-grünen Wesen holte 2010 den Apple Design Award: Doodle Jump. Bei dem Spiel geht es darum, auf einer endlosen Reihe von kleinen Plattformen immer höher zu springen, ohne dabei nach unten zu fallen. Damit sich das Doodle fortbewegt, muss der Nutzer das Handy leicht zur Seite oder nach vorne kippen. Zwischendurch heißt es aufpassen, denn schwarze Löcher oder fliegende Monster beenden das Spiel bei Berührung ebenso schnell wie das Herunterfallen. In mehreren Länder, wie beispielsweise der USA, Frankreich, Österreich, Spanien oder Deutschland war Doodle Jump bereits die am öftesten heruntergeladene App. Erhältlich für: Windows Phone, Android, iOS Quelle: Wikipedia
DotsPunkte verbinden ist nur etwas für Kinder? Wer das denkt, hat weit gefehlt. Denn Dots ist eines der beliebtesten Handyspiele unter iOS- und Android-Nutzers. So viele Punkte wie möglich in 60 Sekunden zu verbinden, ist hier die große Aufgabe. Dabei muss der Spieler sich beeilen, denn die Zeit ist begrenz. Nach einer Minute endet die Runde. Im lokalen Multiplayer-Modus kann der Dots-Spielter gegen Freunde und Bekannte auf einem virtuellen Spielbrett antreten.  Erhältlich für: Android, iOS Quelle: Wikipedia
Cut the ropeÜber 100 Millionen Mal wurde diese App schon heruntergeladen: Cut the Rope ist ein Puzzel-Videospiel mit Mitdenk-Faktor. Es geht darum, das kleine grüne Tier namens Om Nom in einem Karton mit Süßigkeiten zu füttern. Diese hängen an einem Seit, das mit Hilfe des Fingers durchgeschnitten werden muss, damit die Süßigkeit in den Mund von Om Nom fällt. Der Weg vom Seil in den Mund des Tierchens wird durch Gegenstände, Laser und Luftballons blockiert, die die Flugrichtung verändern können. Für diese App könnte also das Motto gelten: Es ist nicht so einfach, wie es aussieht. Erhältlich für: Windows Phone, Android, iOS Quelle: Apple
Angry BirdsMit zornigen Vögeln Häuser zerschießen – was verrückt klingt, ist eine der beliebtesten Spiele-Apps am Markt. 2009 rief das finnische Entwicklerstudio Rovio Entertainment Ltd. das Spiel ins Leben. Der Spieler hat dabei die Aufgabe Eier zurückzuerobern, die den Vögeln von einer Schweinebande entwendet wurden. Mit einer Schleuder schießt er die Vögel auf die Holz- oder Steinhäuser der Schweine und bekommt dabei für jedes zerstörte Objekt einen Punkt. Erhältlich für: Windows Phone, Android, iOS Quelle: Wikipedia
Grand Theft AutoDie wilden 80er in der Hosentasche: Bei Grand Theft Auto kann der Spieler als Mafia-Gauner Tommy Vercetti die Stadt auf den Kopf stellen. Der Ex-Häftling soll einen einfachen Drogenhandel überwachen – doch bei der Geldübergabe stehlen unbekannte Gauner Geld und Ware. Der Spieler des Handy-Games hat die Aufgabe, die Verantwortlichen für den geplatzten Deal zu suchen und sich auf Detektivjagd zu begeben. Gesteuert wird das Spiel über virtuelle Schaltflächen auf dem Touchscreen. Erhältlich für: Android, iOS Quelle: Presse

Können wir uns überhaupt noch konzentrieren, wenn wir alle zehn Minuten aufs Handy gucken?

Nein. Ich glaube diese ständigen Unterbrechungen lähmen uns völlig. Die Flow-Theorie des Glücksforschers Mihály Csíkszentmihályi besagt, man braucht etwa 15 Minuten, um sich in einen Zustand zu versetzen, in dem man glücklich ist und optimal arbeiten kann. Das ist ein Zustand, bei dem man weder unterfordert noch überlastet ist, sondern sich genau im richtigen Bereich bewegt, im Flow. Wenn wir alle paar Minuten aufs Handy starren, kommen wir aber überhaupt nie in so einen Zustand. Die Folge ist: Wir sitzen zwar vor unserer Arbeit, bewegen aber effektiv nichts, weil wir da noch mal kurz unsere E-Mails checken oder dort nochmal den neuesten Facebook-Eintrag lesen.

Das Smartphone hält uns also von der Arbeit ab?

Ja, wenn wir es so exzessiv nutzen definitiv.

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