Power to Gas In Hamburg startet die leistungsfähigste Anlage der Welt

Eine neue Power-to-Gas-Anlage in Hamburg soll unter anderem dabei helfen, das Stromnetz zu entlasten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Für erneuerbare Energien gibt es kaum Speichermöglichkeiten. Als einer der vielversprechendsten Ansätze gilt die Umwandlung von Energie in Gas, das dann eingelagert werden kann. Dieser Ansatz, in der Fachsprache „Power to Gas“ genannt, bewegte sich bislang jedoch nur im Kilowatt-Bereich.

In Hamburg ist nun die weltweit leistungsstärkste „Power to Gas“-Anlage (P2G) in Betrieb gegangen. Der in der Hansestadt entwickelte Prototyp kommt auf eine Leistung von bis zu 1,5 Megawatt. Jede Stunde kann die Anlage 290 Kubikmeter Wasserstoff erzeugen, der dann in das Gasnetz der Metropolregion eingespeist wird.

Umwandlungsverluste hochMit Hilfe von überschüssigem Windstrom spaltet die Anlage mittelst PEM-Elektrolyse, kurz für Proton Exchange Membrane, Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Um die Größenordnung von einem Megawatt zu erreichen, muss die Oberfläche der Protonen leitenden Membran den technologischen Bedingungen wie Druck, Temperatur und Stromaufnahme standhalten. Doch in der PEM-Elektrolyse steckt enormes Potential. Die sogenannten Stacks – also die Zellenstapel, die das Herzstück des Elektrolyseurs bilden – nehmen nur ein Dreißigstel des Raumes ein, der bei der bislang eingesetzten alkalischen Elektrolyse nötig wäre.

Der Prozess kann auch aus dem Standby innerhalb von Sekunden gestartet. Zudem müssen weder Abstriche bei Effizienz noch Dynamik gemacht werden. „Die hohe Dynamik des Systems ist ideal für das Zusammenspiel mit Wind und Sonnenenergie“, erklärt Rene Schoof, Betriebsleiter bei Eon Gas Storage. Das Unternehmen hat die Technologie gemeinsam mit Hansewerk, Hydrogenics, Solvicore, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesystem entwickelt. Insgesamt 13,5 Millionen Euro wurden in die Entwicklung der Technologie investiert - 48 Prozent davon trägt das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP).

Das Problem sind die Umwandlungsverluste. Die Gesamteffizienz in Hamburg liegt bei zirka 72 Prozent. Das bedeutet auch: 28 Prozent gehen verloren. Wann die Power-to-Gas-Technologie wirtschaftlich ist, hängt nach Ansicht von Schoof daher im Wesentlichen davon ab, „ob politischer und gesellschaftlicher Wille zur Umsetzung der Energiewende besteht und weiterverfolgt wird“.

Stromnetze entlastetTechnologisches und kommerzielles Know-how seien vorhanden. So bietet das verbesserte Verfahren der PEM-Elektrolyse Perspektiven als kosteneffizientes und umweltfreundliches Verfahren zur Speicherung erneuerbarer Energien. Entscheidend sei jedoch, dass Energiespeichertechnologien nicht durch Umlagen belastet werden. Die Power-to-Gas-Technologie dürfe nicht als Letztverbraucher bewertet werden und die Nutzung des erneuerbaren Gases im Wärme- oder Kraftstoffmarkt müsse Unterstützung finden. Schoof: „Dafür bestehen zur Zeit noch regulatorische Barrieren.“

Die P2G-Technologie hilft einerseits, die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien dem Verbrauch anzupassen und andererseits die Vor-Ort-Verwertung zu erhöhen, wodurch die Stromnetze entlastet werden. Gleichzeitig kann dies dazu beitragen, die bei der Energiegewinnung durch Windkraft oder Sonne auftretenden Schwankungen bei der Stromerzeugung auszugleichen.

„Da bereits jetzt rund 7.000 Megawatt Leistung aus Erneuerbaren Energien nördlich der Elbe ins Stromnetz drücken, sind innovative Energielösungen dringend notwendig, um die daraus resultierenden Engpässe im Stromnetz sowie die schwankende Einspeisung besser in den Griff zu bekommen“, sagt Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender des norddeutschen Energieversorgers Hansewerk, auf dessen Gelände die Anlage steht.

„Keine Einzeltechnologie kann Probleme der Energiewende lösen“Schoof kann sich aber auch vorstellen, dass der  Elektrolysestack als steuerbarer Verbraucher Netzdienstleistungen erfüllt oder dass das Gas als Energie in moderne Smart Grids eingebunden wird. „Dennoch kann keine Einzeltechnologie alle Probleme der Energiewende lösen. Erst die Kombination einer Vielzahl unterschiedlicher Speicherlösungen, intelligenter Netze und flexibler Erzeugung wird den Umstieg auf ein erneuerbares Energiesystem möglich machen. Das gilt nicht nur in technologischer Perspektive, sondern auch im Hinblick auf die künftige Bezahlbarkeit der Energie und die Versorgungssicherheit.“

Eine Umwandlung des sogenannten Windgases in Methan – und damit zu synthetischem Erdgas – hat Eon zwar auch im Fokus. Zurzeit ist dies aber nicht geplant. Denn in einer Megawatt-Größenordnung ist auch die Methanisierung aus Wasserstoff noch längst nicht Standard.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%