Giftige WM-Produkte: Chemikalien im Schuh
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace 141 Kleidungsstücke der verschiedensten Marken von unabhängigen Labors auf Schadstoffe testen lassen. Dabei fanden die Textilprüfer in 89 der 141 T-Shirts, Jacken und Hosen Nonylphenolethoxylate (NPE). Diese NPE kamen oftmals in industriellen Reinigungsmitteln vor, sind aber seit 25 Jahren innerhalb der EU als Bestandteil von Reinigern verboten, weil sie zu giftigem Nonylphenol abgebaut werden.
Die giftigen Stoffe wurden beispielsweise in sechs von zehn Kleidungsstücken der Marke Zara gefunden. Außerdem fanden die Prüfer in zwei der zehn T-Shirts krebserregende Amine. Amine wurden insgesamt in zwei der 134 Artikel in Konzentrationen oberhalb der Nachweisgrenze von 5 mg/kg gefunden: "Beide Produkte wurden in Pakistan für Zara hergestellt und im Libanon und in Ungarn verkauft", heißt es in der Greenpeace-Studie.
Auf ihrer Homepage verspricht die Marke dagegen, dass alle Aktivitäten der Zara Inditex Group "moralisch und verantwortungsvoll durchgeführt" werden. Weiter heißt es: "Alle Produkte von Inditex respektieren die Umwelt, Gesundheit und Sicherheit. Durch die Umsetzung strenger internationaler Standards versichert Inditex seinen Kunden, dass die Produkte des Unternehmens strikte Gesundheits-, Sicherheits- und moralische Standards erfüllen."
Bei Konkurrent Vero Moda waren übrigens vier von fünf Kleidungsstücken positiv auf NPE getestet worden.
Foto: REUTERSDie giftigen Stoffe kamen allerdings nicht nur bei günstigen Marken vor. Kleidung von Giorgio Armani testeten die Prüfer in fünf von neun Fällen positiv auf NPE. Bei einem Kleidungsstück fanden sie außerdem sogenannte Phthalate, deren Bestandteile "für ihre toxische Wirkung auf das Fortpflanzungssystem bekannt sind und in der europäischen Chemikalienverordnung REACH als besonders besorgniserregende Stoffe geführt" werden, wie es bei Greenpeace heißt.
Im gesamten Test fielen vier Kleidungsstücke mit einer sehr hohen Konzentration (bis zu 37,6 Prozent des Produktgewichtes) dieser Stoffe auf, einer davon wurde für Armani hergestellt, zwei für Tommy Hilfiger und einer für Victoria’s Secret. Zwei der vier Kleidungsstücke wurden in den USA verkauft, eines in Österreich und eines in Italien. Hergestellt wurden sie in der Türkei, auf den Philippinen, in Bangladesch und in Sri Lanka. Wegen der besonders hohen Konzentration bei diesen vier Proben gehen die Textilprüfer davon aus, dass die giftigen Stoffe absichtlich als Weichmacher eingesetzt wurden und keine Produktionsrückstände sind.
Trotz dieses vernichtenden Ergebnisses ist auch das Modeunternehmen Victoria's Secret von seiner grünen Haltung überzeugt: "Wir glauben daran, das Richtige für unsere Branche, unsere Gemeinschaft und unsere Welt zu tun. Hierzu gehört auch, unsere Geschäfte auf ökologisch verantwortliche Weise zu führen."
Leider fielen im Test zwei von vier Proben durch NPE und ein Kleidungsstück durch die Belastung durch Phthalate, also Weichmacher, auf.
Foto: REUTERSEinige der untersuchten Modemarken gehören zum sogenannten "Fast Fashion"-Segment und bringen in kurzen Abständen immer neue Trendartikel auf den Markt. Das begünstige laut Greenpeace "ökologisch unverantwortliche Praktiken", da Lieferanten und Subunternehmer durch den Produktionsdruck "zur Einhaltung immer knapperer Liefertermine gedrängt" würden. "Die Massenproduktion in den zumeist asiatischen Herstellungsländern erfordert einen hohen Chemikalieneinsatz." Davon sind selbst Marken wie Benetton nicht gefeit: Auch hier fanden die Prüfer in drei von neun Kleidungsstücken Nonylphenolethoxylate (NPE).
Da Rückstände dieser Stoffe in den Produkten aller Marken und fast aller in der Studie berücksichtigten Herstellungs- und Einkaufsländer nachgewiesen wurden, gehen die Studienautoren davon aus, dass NPE in der Textilbranche trotz seiner Giftigkeit immer noch weit verbreitet ist.
Foto: APDie Kleidungsstücke mit den höchsten NPE-Konzentrationen stammen laut der Studie von den Marken C&A und Mango. Von sechs getesteten Kleidungsstücken waren fünf schwer NPE-belastet. "Die Schadstoffe werden entweder bewusst in den Materialien eingesetzt oder sie sind Rückstände aus dem Herstellungsprozess. In beiden Fällen landen die Substanzen bei der Produktion in Gewässern wie Flüssen, Seen und Meeren", heißt es bei Greenpeace. Abwasser-Untersuchungen der Umweltschutzorganisation in China im Jahr 2011 haben ergeben, dass NPE und andere Alkylphenolethoxylate (ein Oberbegriff für nicht-ionische Tenside, die früher in Wasch- und Reinigungsmitteln eingesetzt wurden; sie sind hochgiftig für Wasserorganismen und reichern sich in der Umwelt an, da sie nicht biologisch abbaubar sind) sowie weitere gefährliche Stoffe in Flüsse eingeleitet wurden.
Doch auch in deutschen Gewässern finden sich die Stoffe - die Kleidung wird ja schließlich auch hierzulande gewaschen.
C&A sagt dazu, dass ein wichtiger Bestandteil der CSR-Politik (Corporate Social Responsibility) der verantwortliche Umgang mit Wasser sei. "Wir erkennen die dringende Notwendigkeit an, die industrielle Freisetzung gefährlicher Chemikalien zu eliminieren."
Foto: dpaDas Bekleidungsunternehmen Phillips-Van Heusen (PVH), zu dem Calvin Klein und Tommy Hilfiger gehören, wirbt damit, verantwortungsvoll mit Umweltschutz, Ressourcen und ökologischen Herausforderungen umzugehen. "Wir setzen uns dafür ein, Nachhaltigkeit in alle Bereiche unserer Unternehmenstätigkeit zu integrieren, und wir haben eine fundamentale Verantwortung, unsere ökologischen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten", heißt es auf der Homepage von PVH.
Leider fielen sieben von acht Calvin Klein-Textilien durch NPE-Funde auf. Bei Tommy Hilfinger waren es zwar nur sechs von neun, dafür wurden zwei Kleidungsstücke positiv auf die toxischen Weichmacher (Phthalate) getestet.
Foto: APAuch Esprit legt Wert auf die Umwelt. So sagte CEO Ronald Van Der Vis: "Als Bekleidungsunternehmen integrieren wir unser unternehmerisches Gewissen in jeden Teil unseres Geschäfts, angefangen bei der Suche nach der umweltfreundlichsten Quelle für unsere Rohstoffe über nachhaltiges Design und verantwortungsvolle Produktion bis hin zum Engagement für wohltätige Zwecke gemeinsam mit unseren Kunden." Ziel sei es, auf eine grüne Zukunft hinzuarbeiten und die Entwicklung von mehr Nachhaltigkeit in dieser Industrie maßgeblich voranzutreiben. Leider auch beim Esprit-Test: sechs von neun Proben enthielten NPE.
Foto: REUTERSDie Textilkette Hennes&Mauritz (H&M) hat schon nach der letzten Greenpeace-Kampagne im Jahr 2011 versprochen, den Einsatz gefährlicher Stoffe bei der Textilherstellung besser kenntlich zu machen. Wenn auf dem Etikett also steht "separat waschen" oder "vor dem Tragen waschen", sollten sich Kunden daran halten. Bei Proben waren nämlich immer noch zwei von sechs Kleidungsstücke schadstoffbelastet. Langfristiges Ziel von H&M sei der völlige Verzicht auf diese Stoffe bis 2020.
Den Hinweis, die Kleidung zu waschen, bevor man sie trägt, findet Greenpeace nicht ausreichend. Modehersteller und ihre Subunternehmer würden weltweit Flüsse als private Abwasserkanäle missbrauchen und das Trinkwasser von Millionen von Menschen verschmutzen, heißt es in der Untersuchung. Und das Gift landet so über Umwege eben doch im Körper. "Auch wenn Textilien in China, Mexiko oder Pakistan produziert werden, sind die eingesetzten Schadstoffe in unserem Blut nachweisbar", sagt Christiane Huxdorff, Chemie-Expertin von Greenpeace.
Foto: dpaEin bisschen Sicherheit bieten Verbrauchern Siegel wie Öko-Tex Standard 100, Global Organic Textile Standard (GOTS) oder IVN Best. Levi's Jeans haben diese Siegel leider nicht, aber die Marke besteht darauf, sich "für die Bewahrung der Umwelt einzusetzen". Chip Bergh, Präsident und CEO, Levi Strauss & Co., sagt: "Unsere Kunden erwarten das von uns, unsere Beschäftigten fordern es, und die Erde hat es nötig."
Greenpeace-Testergebnis: sieben von elf Kleidungsstücken waren schadstoffbelastet.
Unabhängige Labore fanden in Proben aller Marken Schadstoffe wie perfluorierte Chemikalien (PFC), Nonylphenolethoxylate (NPE), Phthalate und Dimethylformamid (DMF). Einige dieser Stoffe stören das Hormonsystem, schädigen die Fruchtbarkeit oder können das Tumorwachstum fördern.
Adidas-Schuhe und -Handschuhe schnitten besonders schlecht ab. Der Adidas "Predator"-Schuh enthielt die höchste Menge der besonders gefährlichen PFC-Substanz PFOA (14,5 Mikrogramm pro Quadratmeter). Dies übersteigt den firmeneigenen Grenzwert um das 14-fache.
"Adidas erwartet Rekordumsätze von zwei Milliarden Euro mit WM-Produkten. Was die Firma den Fans nicht sagt: Viele Schuhe und Handschuhe sind noch immer mit gesundheitsschädlichen Chemikalien belastet. Sie vergiften die Gewässer in den Produktionsländern. Es ist Zeit für eine rote Karte für Adidas - die Firma muss jetzt handeln", sagt Manfred Santen, Chemie-Experte von Greenpeace.
17 von 21 Fußballschuhen enthielten ionische PFC, darunter auch PFOA. Diese Chemikalie ist noch nicht reguliert, ab Juni 2014 gilt in Norwegen der Grenzwert von 1 Mikrogramm pro Quadratmeter.
Der Nike "Tiempo"-Schuh kommt an zweiter Stelle mit 5,9 Mikrogramm PFOA pro Quadratmeter. PFOA kann das Immunsystem oder das Fortpflanzungssystem schädigen oder zu Erkrankungen der Schilddrüse führen.
Zwei von vier Torwarthandschuhen enthielten ebenfalls ionische PFC. Der Adidas "Predator"-Handschuh lag mit 2 Mikrogramm PFOA pro Quadratmeter ebenfalls über den Adidas-eigenen Grenzwerten. Während das Tragen dieser Kleidungsstücke nicht unmittelbar die Gesundheit schädigt, gelangen die Chemikalien von den Produkten und den Fabriken in Umwelt und Nahrungskette. In dem Herstellungsland China sind zwei Drittel der Gewässer mit umwelt- und gesundheitsschädlichen Chemikalien verunreinigt.
Der offizielle WM-Ball "Brazuca" enthielt Nonylphenolethoxylat. Diese Chemikalie baut sich in der Umwelt zu Nonylphenol ab, das hormonell aktiv und giftig für Wasserorganismen ist. NPE wurde auch in 16 von 21 Fußballschuhen und zwei von vier Handschuhen gefunden. DMF kommt in allen 21 Fußballschuhen vor. Diese Substanz wird als Lösungsmittel in der Schuhproduktion eingesetzt, gilt aber als fortpflanzungsgefährdend und gesundheitsschädlich bei Hautkontakt.
Die betroffenen Sportartikelhersteller haben sich allerdings im Rahmen der Detox-Kampagne von Greenpeace verpflichtet, bis zum Jahr 2020 giftfrei zu produzieren. Dennoch zeigen Untersuchungen der Umweltschutzorganisation immer wieder, dass Adidas und Nike die Versprechen nicht einhalten. Firmen wie H&M oder Mango haben dagegen bereits mit der Entgiftung begonnen.