Seltene Erden: Ungeahnte Schätze auf Deutschlands Müllhalden
Vom Hausmüll auf die Abfallhalde: Rohstoffe wie Kupfer, Eisen oder Seltene Erden. Über Jahre und Jahrzehnte haben sich diese Schätze angesammelt und sollen jetzt wiederverwertet werden.
Foto: dpaDer weltweite Hunger nach Rohstoffen wird weiter steigen, prognostizieren Experten, und erwarten ebenfalls steigende Preise für die dringend benötigten Edelmetalle und Seltenen Erden. Diese Rohstoffe liegen in Deutschland einfach so herum, ungenutzt und vergessen: auf der Müllkippe. Vom Hausmüll gelangten diese Metalle und hochwertige Kunststoffe über Jahrzehnte umgehend auf die Müllhalden - und werden jetzt umso interessanter für Wirtschafts- und Entsorgungsunternehmen. Der Run auf die Unmengen an Kupfer, Aluminium oder Eisen hat begonnen.
Denn die Suche danach geht bereits jetzt los – auch in Deutschland. Abfall- und Ressourcenwissenschaftler wie der Gießener Professor Stefan Gäth nehmen Müllkippen überall in Europa genau unter die Lupe. „Mehrere Teams haben in den vergangenen Jahren fünf deutsche Deponien auf ihren Wertgehalt untersucht. In ganz Europa sind es etwa 20 Mülldeponien.“, so Stefan Gäth. Zunächst einmal sollen die Rohstoffe aufgespürt werden, anschließend entscheiden Deponien und Unternehmen dann ob, und wenn ja wann, sich eine Rückgewinnung wirtschaftlich lohnen würde. Denn schon die Untersuchungsprojekte sind nicht ganz billig: Je nach Deponie und Projekt schwanken die Kosten zwischen 50.000 und einer halben Million Euro.
Die Bayan Obo Mine in der Mongolei ist eines der größten Vorkommen an "seltenen Erden". An diesem Begriff stimmt eigentlich nichts: Erstens handelt sich um Metalle und zweitens finden die sich fast überall in der Erdkruste. Selten sind jedoch wirtschaftlich auszubeutende Vorkommen, bei denen die Konzentration über einem Prozent liegt. Es gibt 15 Seltene Erden oder Lanthanoide, die auf der Periodentabelle der Chemiker die Nummern 57 bis 71 tragen. Der Markt für seltene Erden ist allein in den Jahren von 1997 bis 2007 um das 20-fache gewachsen. Bislang kommt der Nachschub fast ausschließlich aus China, das heute mehr als 95 Prozent des Weltmarkts an Seltenen Erden bedient und dieses Quasi-Monopol weiter ausbaut. Das könnte in der Zukunft zu Problemen führen, denn ohne diese Metalle geht in den High-Tech-Industrien der Weltwirtschaft gar nichts, Foto: Google
Foto: GoogleLanthanum ist Teil von Energiesparlampen und Batterien von Hybrid- oder Elektrofahrzeugen. In deren Akkus stecken nämlich bis zu 15 Kilogramm Lanthan plus ein Kilogramm Neodym, Foto: dpa
Foto: dpaCerium steckt in Zündern, ebenso als Oxid in selbstreinigenden Öfen, es dient als Katalysator beim Cracken von Mineralöl und zum Polieren von Glas. Lutetium dient ebenfalls als Katalysator beim Cracken – einem Verfahren bei dem lange Kohlenwasserstoffketten aufgespalten werden, Foto: dpa
Foto: dpaTerbium wird als Lasermaterial und für Magneten eingesetzt , Foto: rtr
Foto: rtrNeodym wird in Feststofflasern an Stelle von Rubinen eingesetzt sowie in starken permanenten Magneten, die im Automobilbau, in der Audio- und Videotechnik und in Windkraftanlagen benutzt werden, Foto: dpa
Foto: dpaPromethium dient als Wärmequelle in Satelliten und Raumsonden, Foto: dpa
Foto: dpaSamarium findet als Permanentmagnet Anwendung, zum Beispiel in Kopfhörern, Foto: AP
Foto: APGadolinium findet sich in Bildschirmen als Aktivator der grünen Leuchtstoffe. Auch Europium aktiviert Leuchtstoffe in Bildschirmen und Fernsehgeräten – allerdings die roten. Zudem dient das Material als Neutronenabsorber in Kernkraftreaktoren. Yttrium steckt in LED-Technologie und Bildröhren, Foto: AP
Foto: APDysprosium ist als Neutronenabsorber in Kernkraftreaktoren zu finden und für temperaturbeständige Super-Magneten. Auch Tulium ist ein Neutronenabsorber in Kernkraftwerken, Foto: AP
Foto: APHolmium ist nur in Legierungen anzutreffen. Das gilt generell für die Lanthanoiden, sie machen beispielsweise Stahl leichter verarbeitbar, Foto: AP
Foto: APErbium ist in fotografischen Filtern und Glasfaserkabeln enthalten, Foto: Fotolia
Foto: FotoliaYtterbium erzeugt Röntgenstrahlen ohne Elektrizität, beispielsweise in tragbaren Röntgenapparaten.
Foto: FotoliaPraseodym findet sich in gelbem Glas, zum Beispiel in Schweißerschutzbrillen, in Legierungen als Antikorrosionsmittel, Foto: dpa
Foto: dpa
Rund 8000 Tonnen Müll hat das Entsorgungsunternehmen Tönsmeier auf einer Deponie im Kreis Minden-Lübbecke eingesammelt und untersucht, um zu klären, ob und wie sich daraus Wertstoffe gewinnen lassen können. Aber trotz des Verbots von offenen, also „unsortierten“, Müllhalden aus dem Jahr 2005 ist die moderne, hochsensible Untersuchungstechnik angesichts der Vermischung und Verdichtung des Abfalls häufig machtlos. Und das sind teilweise die Deponien selber schuld, denn eine korrekte Mülltrennung kostet. „Viele Aufbereitungsanlagen sind allenfalls bedingt dazu geeignet, die unbehandelten Abfälle in der gewünschten Qualität und Genauigkeit zu trennen“, sagt Michael Krüger, Leiter Forschung und Entwicklung bei Tönsmeier.
Dabei würde sich der Aufwand vermutlich lohnen. Stefan Gäth von der Uni Gießen glaubt, dass die Mengen an Eisen, Kupfer und Aluminium auf deutschen Mülldeponien ausreichen könnten, um den Bedarf des ganzen Landes ein oder zwei Jahre lang zu decken. Seiner Meinung nach könnte sich das Einsammeln und Wiederverwerten Metalle, seltenen Erden und Kunststoffe in etwa zehn bis 20 Jahren rechnen – sobald der Rohstoffpreis hoch genug ist. Ganz zu schweigen von dem ökologischen Profit, da auch die Umwelt von der Wiederverwendungsmaßnahme profitieren dürfte.
Im Laufe der verschiedenen Untersuchungen sind auch interessante Erkenntnisse über die regionalen Unterschiede der deutschen Müllkippen aufgedeckt worden. So werden die Wissenschaftler auf der Suche nach kostbaren Stoffen auf „westdeutschen“ Deponien ehr fündig als in Bundesländern wie Sachsen oder Brandenburg. In den Schichten des Abfalls lässt sich nämlich immer noch die Politik des vergangenen Jahrhunderts lesen: Die unterschiedlichen Konsumverhalten der Bundesrepublik und der DDR werden deutlich und der ausgeprägtere Recycling-Gedanke der DDR ist leicht erkennbar. Als besonders lukrativ gelten daher Müllkippen im Westen Deutschlands, auf denen in erster Linie Hausmüll lagert, da Hausmüll eine vergleichsweise hohe Konzentration an Wertstoffen aufweist.
Aber so aufwendig und gewinnversprechend das Aufspüren und Sichten der Abfälle aber auch ist - noch schwerer zugänglich sind die Schätze, die bei vielen Verbrauchern zu Hause schlummern: alte Handys.
Experte Stefan Gäth beispielsweise schätzt, dass alleine in Deutschland bisher rund 200 bis 300 Millionen ausrangierte Handys in den Schubladen ihrer Besitzer lagern. Diese enthalten unter anderem Gold, Silber und Seltene Erdenmetalle – wahre Schätze auf der Mülldeponie. In der Regel kommen diese Edelmetalle aber nicht in den Wiederverwertungskreislauf, da die Besitzer selbst alte Handys lieber aufbewahren als wegwerfen.