Unabhängig von Strompreisen: So werden Sie zum Selbstversorger
Carsten Fischer vor seinem Heim. Er hat viel Geld investiert, um zum Strom-Selbstversorger zu werden.
Foto: Robert Poorten für WirtschaftsWocheBeruflich richtet Carsten Fischer Zähne und Gebisse. Privat frönt der Kieferchirurg vor allem einer Leidenschaft: Wärme und Strom für seine 200-Quadratmeter-Villa im münsterländischen Dülmen komplett selbst zu erzeugen. Und nicht nur das. Fischer will jede Kilowattstunde (kWh) auch selbst verbrauchen, etwa mit seinen beiden Elektroautos.
Seit Kurzem weiß er: Sein großes Ziel, die totale Unabhängigkeit von den RWEs und E.Ons dieser Welt, hat er erreicht. Selbst jetzt im Winter ist er praktisch zu jeder Minute autark – dank Solaranlage, Kellerakku und einem auch Strom produzierenden Blockheizkraftwerk (BHKW). Die derzeit niedrigen Temperaturen und langen Nächte waren die Nagelprobe für seinen Gerätepark. Den Anschluss ans örtliche Stromnetz besitzt Fischer nur noch zur Sicherheit. „Ich habe nun alles in der eigenen Hand“, sagt der 46-Jährige und strahlt. „Das ist ein fantastisches Gefühl.“
Fischers Fall zeigt: Es ist für Hausbesitzer keine Utopie mehr, ihr eigener Energieversorger zu werden. Die notwendige Technik steht in vielen Varianten bereit – und wird allmählich bezahlbar.
Laut einer aktuellen Umfrage fasziniert 86 Prozent der Deutschen die Vorstellung, sich von unkalkulierbaren Elektrizitäts-, Gas- und Heizölpreisen unabhängig zu machen. Doch bisher kosteten die Geräte so viel, dass sich die Investition kaum zurückverdienen ließ. Das ändert sich gerade.
Hausakkus werden preiswerter
Hauptgrund: Die kostspieligen Hausakkus, unverzichtbares Element der Autarkie, werden rasch preiswerter. Mit ihnen können die Käufer auf einen Schlag doppelt so viel Strom etwa aus Solarzellen selbst verbrauchen als ohne, so die Faustregel. Denn die Speicher retten den mittags reichlich vorhandenen Sonnenstrom bis in die Nachtstunden hinein. Die besonders leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterien haben sich vergangenes Jahr um rund neun Prozent verbilligt, die Preise für Bleiakkus purzelten sogar um fast 35 Prozent. Das ergibt eine Analyse der Bonner Marktforscher EuPD Research (siehe Grafiken).
Durch den Preisrutsch verkürzen sich die Amortisationszeiten der Hauskraftwerke erstmals auf überschaubare Zeiträume. Zu diesem Ergebnis kommen jedenfalls die Fachleute der Düsseldorfer Energieagentur NRW. Auch dass Heizöl und Erdgas zuletzt billiger geworden sind und der Strompreis stagniert, ändert daran nichts. Sollten die Energiekosten wieder steigen, was die meisten Experten erwarten, werden sich die Anlagen sogar noch schneller rechnen.
Exklusiv für die WirtschaftsWoche haben die Berater der Energieagentur ermittelt, welche Summen potenzielle Eigenversorger in ihr Hauskraftwerk investieren müssen, wie unabhängig sie mit dem jeweiligen System werden und in welchen Zeiträumen es sich rechnet.
Die Preise für Hausbatterien sinken, der Absatz steigt (für eine größere Ansicht bitte anklicken).
Foto: WirtschaftsWoche
Clevere Kombinationen
Im günstigsten Fall, so zeigt sich, ist das bereits nach gerade einmal elf Jahren der Fall – bei einem Autarkiegrad von immerhin 80 Prozent. Dazu müssen Do-it-yourself-Fans eine Fotovoltaikanlage mit einer Wärmepumpe und einer Lithium-Batterie kombinieren. Was rund 34.000 Euro kostet. Und den Akku mit einem Kredit der staatlichen KfW-Bank finanzieren. Die bezuschusst jedes Kilowatt (kW) Leistung des solaren Dachkraftwerks mit 600 Euro. Bei Nachrüstung einer bestehende Anlage sind es sogar 660 Euro je kW.
Laut Energieagentur-Experte Sven Kersten ist diese Variante besonders für exzellent isolierte Gebäude mit niedrigem Heizbedarf geeignet. Den kann dann allein die Wärmepumpe decken, bevorzugt angetrieben mit dem Strom vom Dach.
So wurde gerechnet
Für ihre Musterrechnungen addieren die Experten der Energieagentur NRW zunächst Wärmepumpe, Solaranlage & Co. zum jeweiligen Anlagenpreis. Auf Basis der aktuellen Einspeisevergütungen für grünen Strom und der derzeitigen Preise für Heizöl, Erdgas und Haushaltsstrom kalkulieren sie die Ersparnis bei Elektrizität und Heizung. In die Berechnung der Amortisationszeiten fließen neben der Batterieförderung des Bundes auch mögliche künftige Preissteigerungen für den Bezug von Strom ein.
Daraus ergeben sich die Zeitspannen, bis sich die Anschaffung auszahlt. Finanzierungskosten bleiben unberücksichtigt, denn sie können je nach Investor enorm variieren. Zudem unterstellen die Experten bestimmte Anlagengrößen. Die Energiekostenersparnis und die Amortisationszeiten beruhen zudem auf dem Vergleich mit einer hocheffizienten Gasbrennwerttherme plus Sonnenkollektor. Sie geht mit 12.000 Euro in die Rechnung der Energieagentur-Fachleute ein.
Foto: CLARK/obsFotovoltaik/Wärmepumpe/Batterie/Windrad
Vorteil: Hohe Unabhängigkeit von steigenden Energiepreisen. Das Windrad gleicht im Winter den niedrigen Solarertrag aus.
Nachteil: Sehr teuer. Hohe Anforderung an Anlagensteuerung. Windrad in manchen Bundesländern genehmigungspflichtig.
¹ Solaranlage 8 kW Leistung, Wärmepumpe 8 kW, Lithium-Akku 5 kWh, Windrad 1,5 kW
Foto: WirtschaftsWocheFotovoltaik/Wärmepumpe/Batterie
Vorteil: Hohe Unabhängigkeit von Energiepreisen. Bewährte Technik, besonders effizient in Häusern mit niedrigem Heizbedarf.
Nachteil: Teuer. In mäßig isolierten Gebäuden zu geringe Heizleistung. Südliche Dachausrichtung wichtig.
¹ Solaranlage 8 kW Leistung, Wärmepumpe 8 kW, Lithium-Akku 5 kWh, Windrad 1,5 kW
Foto: WirtschaftsWocheSonnenkollektor/Fotovoltaik/Batterie
Vorteil: Relativ preiswert in der Anschaffung. Erprobte Technik. In gut gedämmten Häusern kein separates Heizsystem notwendig.
Nachteil: Wegen des hohen Strombedarfs für das elektrische Heizen extrem lange Amortisationszeit. Relativ geringer Autarkiegrad.
² Kollektor 10 m²
Foto: WirtschaftsWocheKollektor/Fotovoltaik/Batterie/Blockheizkraftwerk
Vorteil: Unabhängig vom Solarertrag kann das System das ganze Jahr eine 100-prozentige Eigenversorgung garantieren.
Nachteil: Komplexes und teures System. Hoher Wartungsaufwand. Nur in Häusern mit großem Wärmebedarf sinnvoll.
³ Kompaktanlage 1 kWh elektrisch, 6 kWh thermisch, mit Zusatzbrenner bis 25 kWh; ⁴ Blockheizkraftwerk
Foto: WirtschaftsWocheBrennstoffzelle
Vorteil: Zweifache Brennstoffausnutzung. Leicht nachrüstbar. Geringer Wartungsaufwand. Derzeit hohe Förderung.
Nachteil: Noch nicht ausreichend langzeiterprobt. Erst wenige Geräte am Markt. Weiter abhängig von fossilem Brennstoff.
Foto: WirtschaftsWocheWer fast komplett Selbstversorger werden will, schraubt zusätzlich ein Windrad aufs Dach. Das liefert im Winter, wenn die Sonne sich rar macht, zusätzlich Strom. Oder er kauft eine Brennstoffzelle oder ein Mikro-BHKW dazu.
Die größere Autonomie hat aber ihren Preis. Käufer müssen für die Systeme mehr als 40.000 Euro hinblättern, zeigen die nachfolgenden Musterrechnungen der Energieagentur:
Mit einer Fotovoltaikanlage, Batterie und einer Strom produzierenden Heizung können sich Eigenheimbesitzer rund um die Uhr mit Elektrizität versorgen (für eine größere Ansicht bitte anklicken).
Foto: WirtschaftsWoche
Berater Kersten warnt vor Schnellschüssen. „Welche Lösung zu welcher Immobilie passt und sich am ehesten rentiert, muss der Besitzer in jedem Einzelfall prüfen.“ Die Aufstellungen, betont er, seien nur als Orientierungsgrößen zu verstehen.
Was tun, wenn die Sonne nicht scheint
Tatsächlich ist es alles andere als einfach, sich rund um die Uhr mit selbst erzeugtem Strom zu versorgen. Das fängt damit an, dass die Solarzellen auf dem Dach zwar um die Mittagszeit oft mehr Elektrizität liefern, als im Haus gebraucht wird. Morgens dagegen, wenn die Bewohner Kaffeemaschine und Toaster einschalten, oder abends, wenn sie ihre Computer starten und Fernsehen schauen, tendiert die solare Ausbeute gegen null (siehe Grafik).
Braunkohle
Noch immer der mit Abstand bedeutendste Energieträger Deutschlands: Im Jahr 2013 ist die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle auf den höchsten Wert seit 1990 geklettert. Mit 162 Milliarden Kilowattstunden macht der Strom aus Braunkohlekraftwerken mehr als 25 Prozent des deutschen Stroms aus. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor.
Foto: dpaSteinkohle
Auch die Stromproduktion in Steinkohlekraftwerken stieg im Jahr 2013 – um 8 Milliarden auf mehr als 124 Milliarden Kilowattstunden. Damit ist Steinkohle der zweitwichtigste Energieträger und deckt fast 20 Prozent der deutschen Stromproduktion ab. Vor allem Braun- und Steinkohle fangen also offenbar den Rückgang der Kernenergie auf.
Foto: dpaKernenergie
Die Abschaltung von acht Atomkraftwerken macht sich bemerkbar. Nur noch 97 Milliarden Kilowattstunden stammten 2013 aus Kernerenergie, drei weniger als im Vorjahr. Das sind allerdings noch immer 15 Prozent der gesamten Produktion. Damit ist Atomstrom nach wie vor die drittgrößte Energiequelle.
Foto: dpaErdgas
Die CO2-arme Erdgasverbrennung ist - anders als Kohle - wieder rückläufig. Statt 76 Milliarden kamen im vergangenen Jahr nur noch 66 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erdgaskraftwerken. Das sind gerade mal zehn Prozent der Stromproduktion. Dabei war Erdgas vor drei Jahren schon einmal bei 14 Prozent.
Foto: dpaWindkraft
Der größte erneuerbare Energieträger ist die Windkraft. Mit 49,8 Milliarden Kilowattstunden in 2013 ist sie allerdings leicht Rückläufig. Insgesamt steigt der Anteil der erneuerbaren Energien jedoch stetig. Zusammengenommen produzierten sie 23,4 Prozent des deutschen Stroms.
Foto: dpaBiomasse
Fast genauso viel Strom wie aus Windkraft stammte aus Biomasse. Die Produktion stieg auf 42 Milliarden Kilowattstunden. Damit steht Biomasse auf Platz sechs der bedeutendsten Energieträger.
Foto: ZBPhotovoltaik
Es reicht zwar nur für knapp fünf Prozent der deutschen Stromproduktion, aber Solarenergie ist die mit Abstand am schnellsten wachsende Energieform. Im Jahr 2000 gab es in Deutschland noch gar keinen Sonnenstrom. Und seit 2007 hat sich die Produktion auf 28,3 Milliarden Kilowattstunden in 2013 beinahe verzehnfacht.
Foto: dpaSonstige
Immerhin vier Prozent der Stromproduktion stammen aus den sogenannten sonstigen Energieträgern. Dieser Wert ist seit Jahren relativ konstant. Dahinter verbergen sich vor allem verschiedene Gase wie Grubengas, Kokerei- und Hochofengas aber auch zum Beispiel Klärschlamm.
Foto: dpaWasser
Auch Wasserkraft ist seit Jahren verhältnismäßig konstant, wenn auch in 2013 minimal rückläufig. Etwa 21 Milliarden Kilowattstunden wurden in Wasserkraftwerken produziert, das entspricht 3,4 Prozent des deutschen Stroms.
Foto: APMineralöl
Ein wichtiger Energieträger, in der Stromproduktion jedoch recht unbedeutend: Öl. Gerade einmal 7 Milliarden Kilowattstunden Strom stammten 2013 aus der Verbrennung von Mineralölprodukten. Das ist etwa ein Prozent des produzierten Stroms, vor 20 Jahren waren es noch zwei Prozent.
Foto: dpaHausmüll
Mit fünf Milliarden Kilowattstunden trägt die Verbrennung von Hausmüll auch noch ein kleines Scherflein bei. Der Anteil des Stroms aus Müllverbrennung steigt seit Jahren stetig aber langsam – von 0,4 auf 0,8 Prozent in den letzten zehn Jahren.
Foto: dpa
Mit diesem Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage hatte auch Fischer zu kämpfen. Als der Kieferchirurg das 1994 erbaute zweistöckige Eigenheim 2008 mit seiner Ehefrau Karin bezog, setzte er zunächst eine Solarthermieanlage aufs Dach. Der Kollektor füllt ihm einen Speicher im Keller mit warmem Wasser fürs Heizen und Duschen, sobald die Sonne hervorlugt. Die liefert ihm seit 2010 über eine Fotovoltaikanlage auch Elektrizität – rund 7600 Kilowattstunden (kWh) im Jahr. Gut 5000 kWh mehr, als das Ehepaar und sein zweijähriges Töchterchen verbrauchen – das war ein Problem.
Denn der Arzt wollte ja sämtlichen Strom selbst nutzen, statt ihn zu verkaufen. Also installierte er im Herbst 2013 eine Lithium-Batterie im Keller. Sie fasst nahezu 14 kWh – genug um die Familie zwei Tage mit Strom zu versorgen.
Da die Sonne aber ausgerechnet im Winter, wenn die drei besonders viel Energie benötigen, wenig scheint, schaffte Fischer schließlich im März 2014 auch noch ein kleines BHKW an. Es verbrennt Biogas und produziert zu jeder gewünschten Zeit zugleich Strom und Wärme. Seither kann er seinen Bedarf im Zusammenspiel aller Komponenten zu jeder Sekunde decken.
Elektroautos werden auch versorgt
Für seine Unabhängigkeit musste der Arzt tief in die Tasche greifen. Insgesamt 76.000 Euro hat er investiert: 8000 Euro in den Kollektor, 30.000 Euro in die Solarzellen, 20.000 Euro in die Batterie und 18.000 Euro in das BHKW. Und um allen Strom selbst zu nutzen, hat er auch noch zwei Elektroautos gekauft, einen Tesla S und einen Opel Ampera. Deren Akkus lädt er mit den Kilowattstunden aus der Fotovoltaikanlage und dem BHKW, die er nicht im Haus verbraucht.
Völlig autark ist Fischer damit streng genommen immer noch nicht. Denn für sein Kellerkraftwerk braucht er ja weiterhin einen Gasanschluss.
Und ist die Technik nicht kompliziert und störanfällig?
Der Familienvater verneint das. Er rutscht auf dem Stuhl am Esstisch vor und nimmt einen Tablet-Computer zur Hand. „Das System steuert sich selbst“, erläutert er. „Das ist sehr komfortabel.“ Diagramme auf dem Monitor zeigen ihm den Füllstand der Batterie, wie viel Strom und Wärme die Solaranlagen und das BHKW aktuell produzieren und im Laufe der vergangenen Woche erzeugt haben sowie den Verbrauch jedes Haushaltsgerätes. „So gut wusste ich noch nie Bescheid“, sagt Fischer.
Vor allem aber genießt der Arzt das Gefühl, nicht mehr den Kapriolen der Energieversorger ausgeliefert zu sein. Und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können. Die Frage der Wirtschaftlichkeit rangiert für ihn erst dahinter. „Es geht mir vor allem um meine Souveränität.“
Spitz gerechnet hat Fischer daher noch nicht. Aber überschlägig ist er sicher, dass sich seine Investition auch finanziell auszahlt. Schließlich vergütet ihm der Staat in seinem Fall per Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) jede selbst genutzte Kilowattstunde mit rund 22 Cent. Und er braucht sie nicht beim Versorger einzukaufen, was ihm nochmals rund 27 Cent bringt. Das summiert sich zu einer Ersparnis von etwa 4000 Euro im Jahr. Auch weil er die Elektroautos der Familie an der heimischen Ladestation auftankt. Der Ertrag vom Dach und aus dem Keller reicht für beinahe 30.000 Kilometer. Das Auf und Ab der Benzinpreise lässt ihn seither kalt.
Für den Bonner EuPD-Marktanalysten Daniel Quack-Scheffen ist Hausbesitzer Fischer der Vorreiter eines Trends. Denn derzeit verändern sich die Motive für eine Energiewende im Privaten radikal. Lange montierten sich Immobilienbesitzer eine Fotovoltaikanlage vor allem aus einem Grund aufs Dach: Dank der garantierten EEG-Subventionierung über 20 Jahre warf sie zu besten Zeiten zweistellige Renditen ab – nahezu risikolos und mehr als praktisch jede Geldanlage.
Strom für 10 Cent pro Kilowattstunde
Inzwischen ist die Vergütung stark gesunken – für Kleinanlagen gibt es noch 12,56 Cent je kWh. Damit rechnet sich dieses Geschäftsmodell nicht mehr. Stattdessen streben die Hausbesitzer nach maximaler Selbstversorgung. Das mischt den gesamten Markt auf.
Neueste Solarpaneele produzieren Strom schon für rund zehn Cent, das ist ein Drittel dessen, was manches Stadtwerk für die Kilowattstunde verlangt. Und selbst wenn Selbstversorger die Speicherkosten hinzurechnen, können sie nun erstmals billiger davonkommen – dank des Preisrutsches bei den Batteriekästen an der Wand. „Es geht nicht mehr ums Verdienen, sondern ums Einsparen“, beschreibt Quack-Scheffen den neuen Trend.
Batterien im Keller
Ob Energieberater, Heizungsspezialisten wie Viessmann und Vaillant oder Solaranbieter wie Solarworld – alle bestätigen die Entwicklung. Und weil die Akkupreise auch künftig sinken, laut EuPD-Prognose jährlich um voraussichtlich sieben Prozent, wird die Nachfrage nach den elektrischen Speichern kräftig anziehen. „Angetrieben von den Privathaushalten“, ist Quack-Scheffen überzeugt. Zogen vergangenes Jahr erst knapp 9000 Batterien in deutsche Keller ein, werden es 2018 schon fast 25.000 sein (siehe Grafiken auf der ersten Seite).
Dabei bevorzugen die Käufer den EuPD-Analysten zufolge immer häufiger Lithium-Ionen- statt billiger Blei-Akkus. Denn Erstere können, ohne Schaden zu nehmen, tiefer entladen werden und sollen 20 Jahre halten. Erfahrungen über solche Zeiträume liegen aber noch keine vor. Unangenehme Überraschungen sind demnach nicht ausgeschlossen. Die Zellen heutiger Blei-Pendants muss der Besitzer hingegen schon nach etwa zehn Jahren austauschen.
Die Nachfrage heizen zudem etablierte Energiekonzerne wie E.On, RWE und die kommunale EWE in Oldenburg an, die in den Markt drängen. Wenn die Hausbesitzer schon als Stromkunden ausfallen, wollen sie ihnen wenigstens die Heimkraftwerke inklusive Speichertechnik verkaufen. Andreas Piepenbrink, Geschäftsführer der EWE-Tochter E3/DC, hat schon 1500 Abnehmer gewonnen und rechnet von 2020 an fest mit einem zusätzlichen Nachfrageschub.
In dem Jahr fallen die ersten Fotovoltaikanlagen aus der Förderung. Sie produzieren jedoch weiter Watt und Volt. Für ihre Betreiber könnte es dann ebenfalls interessant werden, ihren Eigenverbrauch mithilfe von Akkus zu erhöhen. „Das Potenzial wächst“, prophezeit Piepenbrink.
Die neuen Anbieter verschärfen den Preiswettbewerb zusätzlich. Und für die Käufer könnte es noch besser kommen, wenn sich eine Idee des Hamburger Energiedienstleisters Lichtblick und des Allgäuer Akkuherstellers Sonnenbatterie aus Wildpoldsried bewährt.
Eine Schwarmbatterie
Die Partner planen, Hausspeicher bundesweit zu einem virtuellen Großkraftwerk zusammenzuschalten. Die Schwarmbatterie hielte, so die Kalkulation, genügend Kapazität bereit, um am Regelenergiemarkt teilzunehmen. Um die Frequenz ihrer Leitungen stabil zu halten, kaufen Netzbetreiber dort Strom ein, wenn zu wenig davon durch ihre Trassen fließt, oder verschieben ihn dorthin, wenn sie zu viel von ihm haben. Für diesen Service zahlen sie gut.
Ob die Kellerbatterien technisch wirklich an dem Ausgleichsgeschäft mitwirken können, prüfen Lichtblick und Sonnenbatterie in einem Test, für den sie zunächst Daten sammeln. Kunden, die diese bereitstellen, erhalten dafür 100 Euro im Jahr.
Neue Anreize, um Selbstversorger zu werden
So entstehen immer neue Anreize, um Selbstversorger zu werden. Der Leiter des Landesprogramms Zukunft Altbau in Baden-Württemberg, Frank Hettler, sieht den Drang mit gemischten Gefühlen. Für ihn sind Maßnahmen wichtiger, die den Energieverbrauch minimieren. Also vor allem das Dämmen von Decken und Wänden. „Das hilft der Umwelt mehr“, meint er.
Doch auch eine solche Sanierung kostet viel Geld. Für ein altes Zweifamilienhaus werden gut 55.000 Euro fällig, haben Experten jüngst für die WirtschaftsWoche ausgerechnet (siehe Heft 1/2/2015). Vor die Wahl gestellt: dämmen oder Selbstversorgung, entscheiden sich viele für die Preisbremse im Keller. Sie hat einfach mehr Sex-Appeal.
So ging es auch Kieferchirurg Fischer. Er hatte keine Lust, mit seiner Familie wochenlang auf einer Baustelle zu leben, während Handwerker sein Haus mit Styroporplatten gedämmt hätten, erzählt er.
Als an diesem trüben Januarnachmittag doch noch Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke dringen, springt Fischer unvermittelt auf. Er müsse schnell die Ladekabel an seine Elektroautos stecken, entschuldigt er sich. Die Batterie im Keller sei schon voll.
Der Arzt ist nun eben auch Energiemanager.